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Seht es euch einmal an. Ihr seht eine Blüte, eine Rose. Sie eine Blüte zu nennen ist eigentlich nicht richtig, weil sie nicht aufgehört hat zu blühen, weil sie immer noch blüht; sie ist ein Verb, sie ist ein Blühen. Wenn man sie als Blüte bezeichnet, hat man ein Substantiv daraus gemacht. Ihr seht einen Fluss. Ihr bezeichnet ihn als Fluss – ihr habt ein Substantiv daraus gemacht. Doch er fließt. Es würde der Realität mehr entsprechen, würde man sagen, dass er ein Fließen ist. Und alles verändert sich, alles fließt. Das Kind wird zu einem jungen Mann, der junge Mann wird alt, Leben verwandelt sich in Tod, Tod verwandelt sich in Leben. Alles ist im Fließen, in ständiger Veränderung; es ist ein Kontinuum. Es gibt niemals ein Ende, niemals einen Punkt. Den gibt es nur in der Sprache. Im Leben gibt es keinen Punkt.

Kannst du dich daran erinnern, wann du aufgehört hast, ein Kind zu sein? Wann, an welchem Punkt hast du aufgehört, ein Kind zu sein, und bist zu einem jungen Mann geworden? Es gibt keinen solchen Punkt, keine Grenze, keine Abgrenzung. Das Kind fließt immer noch in dir. Wenn du die Augen schließt und nach innen schaust, wirst du feststellen, dass alles, was war, immer noch da ist und in dir fließt. Du hast mehr und mehr aufgenommen und absorbiert, doch alles, was war, ist immer noch da. Der Fluss wird immer breiter, Nebenflüsse kommen hinzu, doch der ursprüngliche Fluss ist immer noch da. Wenn ihr einmal den Ganges in Indien gesehen habt, einen der schönsten Flüsse der Welt, werdet ihr das verstehen. An dem Punkt, wo er entspringt, ist er so klein, dass der Kopf einer Kuh – natürlich aus Stein, ein Stein in Form eines Kuhkopfes – genügt. Durch diesen Kuhkopf entspringt der Ganges und beginnt seine Reise ... so klein. Und wenn ihr ihn in der Nähe der Mündung seht, dort, wo er kurz davor ist, sich ins Meer zu ergießen, wirkt er fast wie das Meer selbst ... so groß. Doch dieses kleine Rinnsal in Gangotri, weit weg, Tausende von Meilen entfernt im Himalaja, das aus dem steinernen Kuhmaul entspringt – dieses Rinnsal ist immer noch da. Viele Flüsse kamen hinzu und ergossen sich in ihn und machten ihn breit. Und er ist immer noch lebendig.

Selbst wenn er sich ins Meer ergießt, bleibt er lebendig, bewegt er sich weiter. Vielleicht wird er zu einer Wolke; vielleicht wird er wieder zu Regen. Es geht weiter und weiter. Das Leben geht weiter und weiter; es hört niemals auf. Es gibt keine Ruhepause. Es gibt keinen Punkt, den man irgendwo setzen könnte, um zu markieren , dass etwas zu Ende ist. Nichts geht jemals zu Ende. Es lässt sich kein Anfang finden, es lässt sich kein Ende finden. Es ist ein ewig fließender Prozess.

Wenn ihr »Gott« sagt, benutzt ihr ein Substantiv, etwas Statisches, etwas Totes. Wenn ich »Göttlichkeit« sage, verwende ich dieses Wort für etwas Lebendiges, Fließendes, sich Bewegendes. Diese Punkte müssen euch also klar sein. Ich bin kein Theist wie Jesus oder Mohammed oder Krishna, weil ich mit der Vorstellung von einem toten Gott nicht einverstanden bin.

Ein Gott, der vollkommen, absolut, allmächtig, allwissend, allgegenwärtig ist – das sind die Worte, die von allen Religionen für Gott verwendet werden –, ist tot, kann nicht lebendig sein, kann nicht atmen. Nein, solch einen Gott lehne ich ab, denn mit solch einem toten Gott wäre dieses ganze Universum tot. Göttlichkeit ist eine vollkommen andere Dimension. Das Grün der Bäume, das Blühen der Rose, der Vogel im Flug — all das ist ein Teil davon.

Dann ist Gott nicht getrennt vom Universum. Dann ist er die Seele des Universums. Dann ist das Universum am Schwingen, am Pulsieren, am Atmen ... Göttlichkeit.

Ich bin also kein Atheist, aber ich bin auch kein Theist.

Gott ist tot, und der Mensch ist frei ... frei wozu?

Verantwortung gilt nur für jemanden, der Handlungsfreiheit

besitzt. Entweder gibt es Gott oder es gibt Freiheit; beides

gleichzeitig kann es nicht geben. Das ist die grundlegende

Bedeutung von Friedrich Nietzsches Aussage: »Gott ist tot, also

ist der Mensch frei. «

Friedrich Nietzsche war der erste Mensch in der Geschichte der Menschheit, der erklärte: »Gott ist tot, also ist der Mensch frei.«

Das ist eine enorm bedeutsame Aussage; sie hat viele Auswirkungen. Zunächst einmal möchte ich Nietzsches Aussage erläutern.

Alle Religionen glauben, dass Gott die Welt und damit auch den Menschen erschaffen hat. Doch wenn man von jemandem erschaffen wurde, ist man eigentlich nur eine Marionette, man besitzt keine eigene Seele. Und wenn man von jemandem erschaffen wurde, kann man auch in jedem Augenblick wieder vernichtet werden. Dieser Schöpfer hat nicht danach gefragt, ob man erschaffen werden wollte, und er wird auch nicht fragen:

»Willst du vernichtet werden? «

Gott ist der größte Diktator, wenn man die Fiktion akzeptiert, dass er die Welt und auch die Menschheit erschaffen hat. Wenn Gott eine Realität ist, dann ist der Mensch ein Sklave, eine Marionette. Alle Fäden sind in seiner Hand, auch das Leben. Dann gibt es keine Frage nach Erleuchtung. Dann gibt es keine Möglichkeit für einen Gautama Buddha, denn es gibt keine Freiheit. Gott zieht die Fäden, und du tanzt; er zieht die Fäden, und du weinst; er zieht die Fäden, und du fängst an, zu morden, dich selbst umzubringen, Krieg zu führen. Du bist nur eine Marionette, und er ist der Marionettenmeister.

Dann gibt es keine Frage von Sünde oder Tugend, keine Frage von Sündern und Heiligen. Nichts ist gut und nichts ist schlecht, denn du bist nur eine Marionette. Eine Mario nette kann für ihre Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden. Verantwortung gilt nur für jemanden, der Handlungsfreiheit besitzt. Entweder gibt es Gott oder es gibt Freiheit; beides gleichzeitig kann es nicht geben. Das ist die grundlegende Bedeutung von Friedrich Nietzsches Aus sage: Gott ist tot, also ist der Mensch frei.

Kein Theologe, kein Religionsgründer hat jemals darüber nachgedacht, dass man die Würde des Bewusstseins, der Freiheit, der Liebe zerstört, wenn man Gott als Schöpfer akzeptiert. Man nimmt dem Menschen damit seine ganze Verantwortung, und man nimmt ihm seine ganze Freiheit. Man reduziert das Leben auf die Launen einer merkwürdigen Gestalt namens Gott.

Doch Nietzsches Aussage ist nur die eine Seite der Münze. Er hat vollkommen Recht, doch nur in Bezug auf die eine Seite der Münze. Er hat eine sehr bedeutsame und wichtige Aussage gemacht, doch er hat etwas vergessen, und das liegt daran, dass seine Aussage auf Rationalität, Logik und Intellekt basiert. Sie basiert nicht auf Meditation.

Der Mensch ist frei, doch frei wozu? Wenn es keinen Gott gibt und der Mensch frei ist, bedeutet das, dass der Mensch nun die Freiheit besitzt, alles zu tun, Gutes oder Schlechtes; es gibt niemanden, der ihn verurteilt, niemanden, der ihm vergibt. Diese Freiheit ist einfach nur Zügellosigkeit. Das ist die andere Seite .

Man beseitigt Gott, und der Mensch bleibt vollkommen leer zurück.

Natürlich erklärt man damit seine Freiheit, doch zu welchem Zweck? Wie kann er seine Freiheit kreativ und verantwortlich nutzen? Wie kann er vermeiden, dass die Freiheit zu bloßer Willkür und Zügellosigkeit verkommt?

Friedrich Nietzsche wusste nichts von Meditation – das ist die andere Seite der Münze. Der Mensch ist frei, doch seine Freiheit kann nur dann eine Freude und ein Segen für ihn sein, wenn er in Meditation verwurzelt ist. Beseitigt Gott – das ist vollkommen in Ordnung, denn er war die größte Gefahr für die menschliche Freiheit –, doch gebt dem Menschen auch eine gewisse Bedeutung und einen Sinn, eine gewisse Kreativität, eine gewisse Rezeptivität, einen Weg, das ewige Leben zu finden. Zen ist die andere Seite der Münze.