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Aus der Kabine drangen wieder dumpfe Geräusche, erst leise, doch dann mit zunehmender Heftigkeit.

Kai seufzte. Er warf einen Blick auf die beiden Projektionsflächen. In der Schwärze des Raumes hingen Millionen Sterne. Aber noch immer keine Spur von Chaidur und Par, keine Spur von der geschweiften Sonne.

Müde stieß er sich von seinem Sitz ab, um nach Ben zu sehen. Ben hatte wieder Fieber. Er hing schief im Raum und schlug um sich, um Halt zu finden. Neben ihm schwebte die Sprechanlage.

Kai half dem Gefährten aus seiner üblen Lage, indem er die Raumkugel langsam rotieren ließ. Allmählich sanken alle losen Gegenstände zur Außenwand, und Ben fand wieder Halt unter den Füßen.

»Hast du die Richtung?« fragte er.

»Es kann nicht mehr lange dauern«, sagte Kai. »Sicher finde ich sie bald. Inzwischen leg dich wieder!« Ben bückte sich zur Sprechanlage. »Ob ich es noch einmal versuche?«

»Versuch es«, antwortete Kai, »aber leg dich doch dazu nieder!« Er drückte den Fiebernden aufs Lager und brachte ihm die Hörer und das Kehlkopfmikrophon. Dann ging er wieder in den Navigationsraum.

Das Radargerät schlug überhaupt nicht mehr an. Nicht einmal ein Komet befand sich in dieser grauenvollen Leere.

Kai hörte das Gemurmel von Ben, der noch immer hoffte, Verbindung zu bekommen. Und Kai wußte, wie sinnlos das war. Ben verbraucht seine letzten Kräfte, dachte er.

Schließlich nahm er seine eigene Sprechanlage auf und ging damit in den Vorratsraum. Er klemmte den Hörer auf und stellte die Notwelle ein. Da war es, das ewige »Chaidur, Par, hört ihr uns? Hört ihr uns? Chaidur, Par...«

Kai legte das Kehlkopfmikrophon an und klemmte sein Taschentuch zwischen Hals und Membrane. Er drehte den Lautregler auf ganz leise und meldete sich: »Hier Funkstelle Chaidur, wer ruft?« Dabei kratzte er mit den Fingernägeln an den Membranefassungen, um Störgeräusche vorzutäuschen.

»Hier Ben und Kai in der Raumkugel Omega. Gebt uns die Richtung!« rief die Stimme Bens in der Hörmuschel, und trotz der verzerrten Wiedergabe klang daraus Lebensmut und Hoffnung.

»Eure Richtung ist in Ordnung«, gab Kai zurück. »... sehen euch bereits!« Dann horchte er wieder. Aber es rührte sich nichts mehr. Hastig riß er Hörer und Mikrophon herunter und lief in die Kabine Bens. Dieser lag auf seinem Bett, er atmete tief, und ein Lächeln lag auf seinem Gesicht.

Da lächelte auch Kai und ging geräuschlos an seinen Platz am Führerstand zurück.

10

Die Rakete

Dies ist die Einsteinsche Formel für die relativistische Zeitkontraktion. Sie sagt uns, daß die Zeit in einem bewegten System langsamer verläuft als im relativ dazu ruhenden.

Gestern beschränkte sich die Anwendung auf die theoretische Physik. Schon heute hat sie praktische Bedeutung.

Kai hockte im Navigationsraum und starrte auf den Bildschirm. Die Scheibe des Riesenplaneten nahm fast ein Drittel des Gesichtsfeldes ein.

»... weit sind wir von ihm entfernt?« fragte er.

»Noch immer zweiundsiebzig Millionen Kilometer«, gab Ben zurück.

»... wann kommen wir endlich aus seinem Schatten heraus?« fragte er weiter.

Ben lächelte. »Vielleicht in zehn Tagen, vielleicht in zwanzig.« Nachdenklich fügte er nach einer Weile hinzu: »Wenn uns die Burschen dort unten in Ruhe lassen!«

Kai hatte inzwischen auf den kleinstmöglichen Gesichtswinkel eingestellt.

»Es sieht nicht so aus«, sagte er plötzlich und deutete mit der Hand auf den Bildausschnitt. »... opfern ihre Rakete.«

Ben trat neben ihn. Tatsächlich, sie war als runder Körper zu erkennen. Langsam wurde sie unscharf.

Ben drängte Kai sanft von seinem Sitz. Er regulierte die Entfernungseinstellung nach, das Gebilde bekam wieder deutliche Konturen. Die Lippen Bens bewegten sich im stummen Ablesen der Abstandswerte. Zugleich beobachtete er den Zeiger des Chronometers.

»... Ding bewegt sich mit einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit«, meinte er dann, und in seinen Mundwinkeln lag wieder das traurige Lächeln.

»... benötigt also sechzehn Minuten bis zu uns, wovon schon zwei vergangen sind«, setzte Kai nach kurzem Überlegen fort.

Einige Minuten war es still. Bevor sie nicht Energie aus den Strahlen der geschweiften Sonne aufnehmen konnten, gab es keine Möglichkeit zum Entrinnen.

Schließlich fragte Kai: »Besteht Aussicht, daß sie uns nicht trifft?«

»... trifft uns bestimmt nicht«, antwortete Ben, »aber desto sicherer liegen wir im Explosionsfeld. Ich schätze den Wirkungsradius auf tausend bis zweitausend Kilometer.«

Zehn Minuten vergingen...

Die Bombe wurde stetig größer. Noch immer regelte Ben die Scharfeinstellung. Langsam erschien eine Seitenfläche.

»... dürfte etwa in fünfzehn Kilometer Abstand vorbeigehen«, meinte Ben. »... kommen gleich in den Wirkungskreis. Aber es gibt doch noch eine Hoffnung. Eine winzige, verrückte Hoffnung!«

»... meinst du?« fragte Kai. Seine Stimme klang heiser.

Bens Blicke flogen von der Bildfläche zum Chronometer und wieder zurück.

»Noch zehn Sekunden«, sagte er kühl und geschäftsmäßig.

Mit unbeweglichen Gesichtern beobachteten sie den Flug des langgestreckten Explosionskörpers...

Er zog ruhig vorüber.

»... ist das möglich?« fragte Kai mit abgewandtem Gesicht.

»... habe es gehofft«, antwortete Ben. »... auf irgendeine unerklärliche Art war ich sicher, daß ich mich nicht täuschen könnte. Die da unten«, und er machte mit dem Kinn eine unbestimmte Bewegung in die Richtung des Riesenplaneten, »diese reizenden, goldigen Dummköpfe haben die relativistische Zeitkontraktion vergessen.« Er hob einen Zettel auf, auf dem er zuvor einige Zahlen notiert hatte. »... Uhr in der Rakete zeigt nach sechzehn Minuten erst fünfzehneinhalb...«

Er verstummte. Die zweite Projektionsfläche, auf die die Rakete inzwischen übergetreten war, erschien jäh mit einem unerträglich hellen, milchigen Gelb überzogen. Darin wogte und strömte es, allmählich formte sich daraus eine kugelige Wolke, die nach und nach weiter anwuchs.

Doch sie konnte Kai und Ben nichts mehr anhaben.

11

Tiefkühlschlaf

Zwei Männer und eine Frau – das alte Problem. Neu ist nur seine Lösung.

Nun waren die Trümmer des geborstenen Raumschiffs schon durchs Kanzelfenster zu erkennen. Es sah aus, als ob leuchtende Körper im Wasser trieben.

Kai steuerte die Photonenkugel näher an die Unglücksstelle. Die Rettungsflotte des Planeten Jota 3 hatte ganze Arbeit geleistet – von Menschen gab es keine Spuren mehr. Weder Gerettete in den durgläsernen Rettungszylindern noch zerplatzte Leiber von Passagieren, die die Katastrophe überrascht hatte. Die Kugel bewegte sich jetzt langsam zwischen dem Treibgut – Liegesessel, Nahrungsbehälter, Teile der Schiffswand.

»Nichts mehr zu tun«, stellte Ben fest, und Kai drehte auf Beschleunigung. Die Überreste des Raumschiffs fielen hinter ihnen in das All zurück.

Ein durch den Navigationsraum flirrender Reflex ließ Kai von seinem Kursplan aufsehen. Da kam er wieder, aus dem Schwarz des Raums weitab der Sonne Jota. Nun wurde auch Ben aufmerksam. Er suchte die Quelle des zuckenden Lichts auf den Bildschirm zu bekommen. Bald tauchte auf der konkaven Leuchtscheibe – zuerst verschwommen, dann gestochen scharf – ein Glaszylinder auf.

»... hätte leicht zu einem Sarg werden können«, meinte Ben.

Kai hatte den Kurs schon geändert. Nach kaum einer Minute navigierte er den Zylinder elektrisch in die Luftschleuse. Als sich die Türflügel auseinanderschoben, traten die beiden Gefährten hinzu. Im Zylinder lag ein Mädchen, ohnmächtig, aber unbeschädigt, die Hand umkrampfte einen Taschenspiegel.