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Ja, doch da er Sie mit derBemerkung, Sie würden ein vortrefflicher Intendant werden, zu mir sandte, so glaubte ich, Sie hätten gestohlen.

Oh! Herr Graf, riefBertuccio mit Verachtung.

Oder als Korse hätten Sie derBegierde nicht widerstehn können, eine Haut zu machen, wie man in Ihrem Lande sonderbarerweise sagt, während man doch eine Haut vernichtet.

Nun ja, guter gnädiger Herr, ja, Exzellenz, so ist es, riefBertuccio, sich dem Grafen zu Füßen werfend, ja, es ist eine Rache, das schwöre ich, nichts als eine Rache.

Ichbegreife das, begreife aber nicht, warum Sie gerade dieses Haus in solche heftige Aufregung versetzt?

Ist das nicht natürlich, gnädigster Herr, da in diesem Hause die Rache vollführt wurde?

Wie, in meinem Hause?

Oh! Exzellenz, es gehörte Ihnen noch nicht.

Das ist ein seltsames Zusammentreffen. Siebefinden sich durch Zufall wieder an einem Orte, wo eine Szene vorgefallen ist, die so furchtbare Gewissensbissebei Ihnen veranlaßt…

Gnädiger Herr, ichbin fest überzeugt, ein unvermeidliches Verhängnis lenkt dies so. Zuerst kaufen Sie ein Haus gerade in Auteuil. Dieses Haus ist das, wo ich einen Mordbegangen habe; Sie steigen in den Garten gerade auf der Treppe herab, wo er herabgestiegen ist; Siebleiben gerade auf der Stelle stehen, wo er den Stoß erhalten hat. Zwei Schritte von hier, unter jener Platane, war das Grab, wo er das Kind verscharrt hatte. Alles dies ist kein Zufall, sonst müßte der Zufall zu sehr der Vorsehung gleichen.

Gut, nehmen wir an, es sei die Vorsehung — ich nehme immer alles an, was man will; überdies muß man kranken Geistern entgegenkommen. Auf, Bertuccio, fassen Sie sich und erzählen Sie mir die ganze Geschichte.

Ich habe sie nur ein einziges Mal erzählt, und zwar dem AbbéBusoni. Dergleichen, fügteBertuccio hinzu, läßt sich nur unter dem Siegel derBeichte aussprechen.

Dann werden Sie es für angezeigt halten, wenn ich Sie zu IhremBeichtvater schicke, mein lieberBertuccio! Doch mirbangt vor einem Gaste, den solche Gespenster in Schrecken versetzen; mir paßt es nicht, daß meine Leute am Abend nicht in den Garten zu gehen wagen. Auch muß ich gestehen, daß mich durchaus nicht nach demBesuche irgend eines Polizeikommissars verlangt. Denn lassen Sie sich sagen, HerrBertuccio, in Italienbezahlt man die Justiz nur, wenn sie schweigt, in Frankreichbezahlt man sie dagegen nur, wenn sie spricht. Teufel! ich meinte, Sie seien noch ein wenig Korse, ein gut Teil Schmuggler und ein äußerst geschickter Intendant; aber ich sehe, daß Sie noch andere Saiten auf IhremBogen haben. Sie sind nicht mehr in meinem Dienst!

Oh! gnädigster Herr, rief der Intendant, bei dieser Drohung vom heftigsten Schrecken ergriffen, wenn es nur hiervon abhängt, obich in Ihrem Dienstebleibe, so werde ich reden, so werde ich alles sagen, und wenn ich Sie verlasse, nun so mag es sein, um das Schafott zubesteigen!

Das ist etwas anderes, sagte Monte Christo, doch wenn Sie lügen wollen, überlegen Sie es sich wohl! Es wäre dannbesser, Sie sprächen gar nicht.

Nein, Herr Graf, ich schwöre Ihnenbei dem Heile meiner Seele, ich werde alles sagen; denn selbst der AbbéBusoni hat nur einen Teil meines Geheimnisses erfahren. Aber ich flehe Sie vor allem an, entfernen Sie sich von dieser Platane; sehen Sie, der Mond tritt eben hervor und will jene Stellebeleuchten, und dort, wo Sie stehen, in den Mantel gehüllt, der mir Ihre Gestalt verbirgt und ganz dem des Herrn von Villefort gleicht…

Wie! rief Monte Christo, Herrn von Villefort?…

Eure Exzellenz kannte ihn? — Ja, wenn es der ehemalige Staatsanwalt von Nimes ist, der den Ruf eines der ehrlichsten und gerechtestenBeamten hatte? — Jawohl, gnädiger Herr, riefBertuccio, dieser Mann… — Nun? — War ein Schurke! –

Bah, unmöglich! — Es ist dennoch, wie ich Ihnen sage. — Oh! und Sie haben denBeweis dafür? — Ich hatte ihn wenigstens. — Und Sie waren so ungeschickt, ihn zu verlieren? — Ja, doch wenn man gut sucht, kann man ihn wohl wieder finden. — Wahrhaftig, erzählen Sie mir das, Bertuccio, denn es fängt wirklich an, mich zu interessieren!

Und eine Arie aus der Oper Lucia trällernd, setzte sich der Graf auf eineBank, während ihmBertuccio, seine Erinnerungen sammelnd, folgte. Bertucciobliebvor Monte Christo stehen.

Die Vendetta

Wo soll ich anfangen, Herr Graf? fragteBertuccio.

Wo Sie wollen, erwiderte Monte Christo, denn ich weiß von nichts.

Die Sache geht in das Jahr 1815 zurück.

Ah! ah! rief Monte Christo, 1815 ist lange her.

Ja, gnädiger Herr, aber dennoch sind die geringsten Umstände meinem Gedächtnis so gegenwärtig, als wäre nur ein Tag vergangen. Ich hatte einen älterenBruder, der dem Kaiser diente und Leutnant in einem ganz aus Korsenbestehenden Regiment war. DieserBruder war mein einziger Freund; wir waren, ich mit fünf, er mit achtzehn Jahren, Waisen; er zog mich auf, als wäre ich sein Sohn. Im Jahre 1814, unter denBourbonen, verheiratete er sich; der Kaiser kam von der Insel Elba zurück, meinBruder nahm sogleich wieder Dienste und zog sich, bei Waterloo leicht verwundet, mit der Armee hinter die Loire zurück. Eines Tages empfingen wir einenBrief von meinemBruder. Er teilte uns mit, die Armee sei entlassen, und er werde über Clermont‑Ferrand und Nimes zurückkommen; erbat mich, wenn ich etwas Geld hätte, es ihm durch einen Wirt in Nimes, mit dem ich in Verbindung stand, zukommen zu lassen. Ich liebte, wie gesagt, meinenBruder zärtlich und war entschlossen, ihm das Geld selbst zubringen. Ichbesaß etwa tausend Franken, ließ fünfhundert davon Assunta, meiner Schwägerin, nahm die andern fünfhundert undbegabmich auf den Weg nach Nimes. Diesbot keine Schwierigkeit; ich hatte meineBarke, auch einen Seetransport zubesorgen; allesbegünstigte mein Vorhaben. Als aber die Ladung fertig war, wurde der Wind konträr, so daß wir vier oder fünf Tage nicht in die Rhone einlaufen konnten. Endlich gelang es uns; wir fuhrenbis Arles hinaus, ließen dieBarke zwischenBellegarde undBeaucaire und schlugen den Weg nach Nimes ein. Es war die Zeit, wo dieberüchtigten Metzeleien im Süden stattfanden. Wer desBonapartismus verdächtig war, wurde von denBlutknechten des Royalismus erwürgt. In Nimes watete manbuchstäblich imBlute, bei jedem Schritt stieß man auf Leichen; zu förmlichenBanden organisierte Mörder töteten, plünderten, sengten undbrannten. Bei dem Anblicke dieser Schlächterei erfaßte mich ein Schauder, nicht für mich, den einfachen, korsischen Fischer, — denn ich hatte nicht viel zubefürchten, im Gegenteil, das war für uns Schmuggler eine gute Zeit, — sondern für meinenBruder, der von der Loire‑Armee mit seiner Uniform und seinen Epauletten zurückkam und folglich alles zubefürchten hatte. Ich lief zu unserm Wirte, meine Ahnungen hatten mich nicht getäuscht; meinBruder war am Abend zuvor in Nimes angekommen und vor der Tür des Mannes, von dem er Gastfreundschaft forderte, ermordet worden. Ich tat alles in der Welt, um die Mörder in Erfahrung zubringen, aber niemand wagte es, mir ihre Namen zu sagen, so sehr waren sie gefürchtet. Ich dachte nun an die französische Justiz, von der man mir so viel gesprochen hatte, undbegabmich zum ersten Staatsanwalt.

Und dieser Staatsanwalt hieß Villefort? fragte Monte Christo scheinbar gleichgültig.

Ja, Exzellenz; er kam von Marseille, wo er Staatsanwaltsgehilfe gewesen war. Sein Eifer hatte seineBeförderung zur Folge gehabt. Er hatte, heißt es, als einer der ersten der Regierung die Landung von der Insel Elba angezeigt. Mein Herr, sagte ich zu ihm, meinBruder ist in den Straßen von Nimes ermordet worden, ich weiß nicht von wem, aber das ist Ihre Sache. Sie sind hier der Chef der Justiz, und der Justiz kommt es zu, die zu rächen, die sich nicht zu verteidigen vermochten. — Was war IhrBruder? fragte der Staatsanwalt. — Leutnant im korsischenBataillon. — Ein Soldat des Usurpators also? — Ein Soldat der französischen Armee. — Wohl! erwiderte er, er hat sich des Schwertesbedient und ist durch das Schwert umgekommen. — Sie täuschen sich, mein Herr, er ist durch den Dolch umgekommen. — Was soll ich dabei tun? — Ich habe es Ihnenbereits gesagt, Sie sollen ihn an seinen Mördern rächen. — Warum? IhrBruder wird Streit gehabt und sich duelliert haben. Diese alten Soldaten erlauben sich Übergriffe, die ihnen unter der Herrschaft des Kaisers durchgingen, jetzt aber nicht mehr, denn hier im Süden liebt man weder die Soldaten, noch die Übergriffe.