Der Mann, der Caderoussebegleitete, war offenbar fremd im südlichen Frankreich; er gehörte zu den Handelsleuten, die zur Messe vonBeaucaire kommen, um Juwelen zu verkaufen. Caderousse trat rasch und zuerst ein. Als er die untere Stube wie gewöhnlich leer sah, rief er seiner Frau zu: He! Carconte, der würdige Priester hat uns nicht getäuscht; der Stein war gut.
Ein freudiger Ausruf ließ sich vernehmen, und fast in demselben Augenblick kam ein schwacher Tritt die Treppe herunter. Was sagst du? fragte die Frau, bleicher als eine Tote.
Ich sage, daß der Diamant gut war, und daß dieser Herr, einer der ersten Juweliere von Paris, uns fünfzigtausend Franken dafür geben will. Nur verlangt er, um sicher zu sein, daß der Diamant uns gehört, du sollst ihm, wie ich's schon getan habe, erzählen, auf welche wunderbare Weise er in unsere Hände gekommen ist. Setzen Sie sich einstweilen, mein Herr, wenn es Ihnenbeliebt, ich will Ihnen eine Erfrischung holen. Der Juwelierbetrachtete mit großer Aufmerksamkeit das Innere der Herberge und die sichtbare Armut des Wirtes, der einen Diamanten, der aus dem Schmuckkästchen eines Fürsten zu kommen schien, an ihn verkaufen wollte.
Erzählen Sie, sagte der Fremde; ohne Zweifel wollte er die Abwesenheit des Mannesbenutzen und sehen, obdiebeiden Erzählungen übereinstimmten.
Ei! mein Gott, sagte die Frau mit großer Zungenfertigkeit, es ist ein Segen des Himmels, den wir entfernt nicht erwarteten. Denken Sie sich, lieber Herr, daß mein Mann im Jahre 1814 mit einem Seefahrer, namens Dantes, in Verbindung stand; der arme Junge, den Caderousse ganz vergessen hatte, hat ihn nicht vergessen und ihm, als er im Gefängnis starb, den Diamanten, den Sie hier sehen, hinterlassen.
Aber wie ist er in denBesitz dieses Diamanten gelangt? fragte der Juwelier. Erbesaß ihn also, ehe er in das Gefängnis kam?
Nein, mein Herr, erwiderte die Frau, sondern er machte, wie mir scheint, im Gefängnis dieBekanntschaft eines reichen Engländers; und da sein Stubengenosse im Kerker krank wurde und Dantes ihn pflegte, so schenkte der Engländer, als er aus der Haft entlassen wurde, diesen Diamanten dem armen Dantes, der, minder glücklich, im Gefängnis starbundbei seinem Tode uns den Stein vermachte, den uns heute früh ein würdiger Abbé in seinem Auftrag überbrachte.
Das ist ganz das gleiche, murmelte der Juwelier, und die Geschichte muß am Ende wahr sein, so unwahrscheinlich sie auch aussieht. Es handelt sich also nur um den Preis, über den wir noch nicht einig sind.
Wie! rief Caderousse, ich glaubte, Sie hätten eingewilligt, den von mir verlangten Preis dafür zu zahlen. — Das heißt, versetzte der Juwelier, ich habe vierzigtausend Franken geboten. — Vierzigtausend Franken! rief die Careonte, wir geben ihn dafür nicht her. Der Abbé hat uns gesagt, er sei ohne Fassung fünfzigtausend Franken wert. — Zeigen Sie mir den Diamanten, sagte der Juwelier, damit ich ihn noch einmalbetrachten kann; man irrt sichbei flüchtigemBetrachten leicht.
Caderousse zog aus seiner Tasche ein kleines Futteral, öffnete es und gabes dem Juwelier. Beim Anblick des Diamanten, der so groß war wie eine kleine Haselnuß, funkelten die Augen der Carconte vorBegierde.
Und was dachten Sie dabei, Herr Horcher? fragte Monte Christo. Kannten Sie den Edmond Dantes, von dem die Rede war?
Nein, Exzellenz, ich hattebis dahin nie von ihm sprechen hören und hörte auch seitdem nur ein einziges Mal den AbbéBusoni von ihm reden, als ich ihn im Gefängnis in Nimes sah.
Gut, fahren Sie fort!
Der Juwelier nahm den Ring aus Caderousses Händen, zog aus seiner Tasche ein stählernes Zänglein und eine kleine messingne Wage, öffnete die goldenen Krampen, die den Stein im Ringe hielten, zog den Diamanten heraus und wog ihn mit ängstlicher Sorgfalt. Dann sagte er: Ich gebe 45 000 Franken, aber keinen Sou mehr; es tut mir sogar leid, daß ich diese Summe geboten habe, insofern der Stein einen Mangel hat, den ich anfangs nichtbemerkte.
Bringen Sie den Stein wenigstens wieder in den Ring, sagte Caderousse spitzig. — Sie haben recht, versetzte der Juwelier, undbrachte den Diamanten wieder in seinen Kasten. — Gut, sagte Caderousse, ich verkaufe ihn an einen anderen.
Ja, entgegnete der Juwelier, aber ein anderer wird sich nicht so leicht mit der Auskunftbegnügen, die Sie mir gegeben haben. Er wird sagen: Es geht nicht mit rechten Dingen zu, daß ein Mensch wie Sie einen Diamanten von fünfzigtausend Frankenbesitzt, er wird dieBehörden darauf aufmerksam machen, dann sucht man den AbbéBusoni, und die Abbés, die Diamanten von zweitausend Louisd'or verschenken, sind selten. Die Justizbemächtigt sich der Sache, man schickt Sie ins Gefängnis, — und werden Sie auch als unschuldig erkannt, setzt man Sie nach einer Haft von dreibis vier Monaten wieder in Freiheit, so hat sich der Ring in der Gerichtskanzlei verloren, oder man gibt Ihnen einen falschen Stein, der drei Franken wert ist, statt eines Steines von fünfzigtausend Franken. Also ganz nach Ihrem Gutdünken; ich habe übrigens, wie Sie sehen, schönes Geld mitgebracht.
Und er zog aus einer von seinen Taschen eine Handvoll Gold, die er vor den geblendeten Augen des Wirtes funkeln ließ, und aus der andern ein Päckchen mitBanknoten. In Caderousses Innern entspann sich offenbar ein harter Kampf, und das kleine Futteral von Saffianleder, das er in seiner Hand hin und her drehte, schien ihm als Wert offenbar nicht der ungeheuren Summe zu entsprechen, die seine Augenblendete. Er wandte sich zu seiner Frau und sagte leise: Was meinst du dazu?
Gib, gib, antwortete sie; wenn er ohne den Diamanten nachBeaucaire zurückkehrt, zeigt er uns an, und wer weiß, obwir je wieder des AbbésBusoni habhaft werden können.
Gut, sagte Caderousse, nehmen Sie den Diamanten für 45 000 Franken; meine Frau will aber noch eine goldene Kette haben und ich silberne Schnallen.
Nun, so geben Sie doch her! Was für ein schrecklicher Mensch! versetzte der Juwelier, ihm den Ring aus der Hand ziehend; ich zahle ihm 45 000 Franken, das heißt ein Vermögen, wie ich wohl eines haben möchte, und er ist noch nicht zufrieden!
Warten Sie, bis ich die Lampe angezündet habe, entgegnete die Carconte, es ist nicht mehr hell, und man könnte sich irren.
Während dieser Verhandlung war es wirklich Nacht geworden, und mit der Nacht war der Sturm gekommen, der seit einer halben Stunde loszubrechen drohte. Man hörte den Donner dumpf in der Ferne grollen; aber ganz und gar vom Dämon des Gewinnesbesessen, schienen sich weder der Juwelier noch die Carconte darum zubekümmern. Ich selbst fühlte mich ganz geblendetbei dem Anblick von all diesem Gold und all denBanknoten. Es kam mir vor, als träumte ich.
Caderousse zählte wiederholt das Gold und die Scheine, die der Juwelier auf den Tisch gezählt hatte, und gabdannbeides seiner Frau, die ebenfalls alles durchzählte. Mittlerweile ließ der Juwelier den Diamanten unter dem Strahle der Lampe spiegeln.
Nun, ist die Rechnung richtig? fragte der Händler.
Ja, antwortete Caderousse, und nun, obgleich Sie uns vielleicht zehntausend Livres zu wenig gezahlt haben, wollen Sie mit uns zu Nacht speisen? Es kommt von gutem Herzen.
Ich danke, erwiderte der Juwelier. Es istbereits spät, und ich muß nachBeaucaire zurück, sonst wird meine Frau unruhig. Bei Gott, es istbald neun Uhr, ich werde vor Mitternacht nicht inBeaucaire sein. Gottbefohlen, Kinder.
Ein Donnerschlag erdröhnte, begleitet von einem so grellenBlitze, daßbeinahe die Lampe verdunkelt wurde.
Oh! sagte Caderousse, bei diesem Wetter wollen Sie fort? — Ich fürchte mich nicht vor dem Donner, versetzte der Juwelier. — Und vor den Räubern? fragte die Carconte. Die Straße ist während der Messe nie sicher. — Oh! was die Räuberbetrifft, entgegnete der Händler, da ist etwas für sie. Und er zog ein paar kleine, bis an die Mündung geladene Pistolen aus der Tasche. Das sind Hunde, die zugleichbellen undbeißen, sie sind für diebeiden erstenbestimmt, die es nach Eurem Diamanten gelüsten sollte, Vater Caderousse.