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Und du hast unrecht gehabt, rief eine Stimme auf der Treppe; worein mischst du dich?

Die Männer wandten sich um und erblickten durch das Treppengeländer Carcontes fiebrigen Kopf; sie hatte sichbis hierher geschleppt undbelauschte, auf der letzten Stufe sitzend und den Kopf auf ihre Knie stützend, das Gespräch.

Worein mischst du dich, Frau? entgegnete Caderousse. Der Herr verlangt Auskunft, die Höflichkeit will, daß ich ihm entspreche.

Ja, aber die Klugheit will, daß du ihm die Auskunft weigerst. Wer sagt dir, in welcher Absicht man dich zum Sprechen veranlaßt, Dummkopf?

In einer vortrefflichen, Madame, dafür stehe ich Ihnen, versetzte der Abbé. Ihr Gatte hat nichts zubefürchten, falls er offenherzig antwortet!

Nichts zubefürchten… ja, man fängt mit schönen Versprechungen an, hernachbeschränkt man sich darauf, zu sagen, man habe nichts zubefürchten; dann geht man und hält nichts von dem, was man versprochen hat, und eines Morgensbricht das Unglück über die armen Leute herein, ohne daß man weiß, woher es kommt.

Seien Sie unbesorgt, gute Frau, erwiderte der Abbé, das Unglück wird von meiner Seite nicht über Sie kommen, dafür stehe ich.

Die Carcontebrummte ein paar Worte, die man nicht verstehen konnte, ließ ihren Kopf wieder auf die Knie sinken, zitterte, fortwährend vom Fieber geschüttelt, und stellte es ihrem Manne frei, das Gespräch fortzusetzen, jedoch nur so, daß sie kein Wort davon verlor.

Mittlerweile hatte der Abbé einige Schluck Wasser getrunken und sich etwas gesammelt.

Dieser unglückliche Greis, fuhr er fort, war also dergestalt von aller Welt verlassen, daß er eines solchen Todes starb?

Oh! Herr, antwortete Caderousse, nicht als hätten ihn Mercedes, die Katalonierin, oder Herr Morel verlassen, aber der unglückliche Greis hatte einen solchen Widerwillen gegen Fernand gefaßt, gerade gegen den, fügte Caderousse mit einem ironischen Lächelnbei, den Dantes Ihnen als einen seiner Freundebezeichnete.

Er war es also nicht? fragte der Abbé.

Kann man der Freund eines Menschen sein, dessen Frau manbegehrt? Dantes, der ein Goldherz war, nannte alle diese Leute seine Freunde. Armer Edmond!.. Es istbesser, daß er nichts erfahren hat;… es hätte ihn zu sehr gequält, ihnen im Augenblick des Todes verzeihen zu sollen. Und was man auch sagen mag, fuhr Caderousse in seinerbilderreichen Sprache fort, mir graut noch mehr vor dem Fluche der Toten, als vor dem Hasse der Lebendigen.

Schwachkopf, sagte die Carconte.

Sie wissen also, was dieser vermeintliche Freund gegen Dantes getan hat? fragte der Abbé.

Obich es weiß! Ich glaube wohl!

Gaspard, tu, was du willst, 's ist deine Sache, rief die Frau oben von der Treppe herab, doch wenn du mir Gehör schenktest, sagtest du nichts.

Diesmal glaube ich, daß du recht hast, Frau.

Sie wollen also nichts sagen? versetzte der Abbé.

Wozu soll es nützen? sagte Caderousse. Wenn der Kleine noch am Leben wäre und zu mir käme, um einmal alle seine Freunde und Feinde kennen zu lernen, dann wohl; aber er liegt unter der Erde, wie Sie mir sagen, er kann keinen Haß mehr haben, er kann sich nicht mehr rächen, folglich ausgelöscht die ganze Geschichte!

Ich soll also diesen Leuten, die Sie für unwürdige und falsche Freunde erklären, eine für die TreuebestimmteBelohnung geben?

Es ist wahr, Sie haben recht, erwiderte Caderousse. Was wäre überdies für sie jetzt das Legat des armen Edmond? Ein in das Meer fallender Tropfen Wasser.

Abgesehen davon, daß dich diese Leute mit einer Gebärde vernichten können, sagte die Fran.

Wieso? Diese Menschen sind also reich und mächtig geworden?

Sie kennen Ihre Geschichte nicht?

Nein; erzählen Sie!

Caderousse schien einen Augenblick nachzudenken und sprach sodann: Nein, es wäre in der Tat zu lang.

Sie mögen nach IhremBelieben schweigen, mein Freund, versetzte der Abbé mit dem Tone der größten Gleichgültigkeit, und ich ehre IhreBedenklichkeiten; sprechen wir nicht mehr davon! Womit wurde ichbeauftragt? Mit einer einfachen Förmlichkeit. Ich werde also diesen Diamanten verkaufen.

Und er zog den Edelstein aus der Tasche, öffnete das Futteral und ließ ihn abermals vor Caderousses geblendeten Augen glänzen.

Sieh doch, Fran, sagte dieser mit heiserer Stimme.

Ein Diamant? sagte die Carconte, aufstehend und mit ziemlich festem Schritte die Treppe herabsteigend. Was ist's mit diesem Diamanten?

Hast du denn nicht gehört, Frau? Es ist ein Diamant, den uns der Kleine vermacht hat, zuerst seinem Vater, sodann Fernand, Danglars, mir und Mercedes, seinerBraut. Dieser Diamant ist fünfzigtausend Franken wert.

Oh, der schöne Juwel! rief sie.

Also gehört der fünfte Teil dieser Summe uns? fragte Caderousse.

Ja, antwortete der Abbé, nebst dem Teile des Vaters von Dantes, den ich unter euch vier zu verteilen michberechtigt glaube.

Und warum unter uns vier? fragte Caderousse.

Weil ihr Edmonds vier Freunde seid.

Verräter sind keine Freunde, murmelte dumpf die Frau.

Ja, ja, sagte Caderousse, das sagte ich auch. Es ist eine Entheiligung, ein Frevel, den Verrat, vielleicht das Verbrechen zubelohnen.

Sie wollen es so haben, erwiderte der Abbé und steckte ruhig den Diamanten in die Tasche seiner Soutane. Nun geben Sie mir die Adresse von Edmonds Freunden, damit ich seinen letzten Willen vollstrecken kann.

Der Schweiß floß in schweren Tropfen über Caderousses Stirn; er sah den Abbé aufstehen, sich nach der Tür wenden, als wollte er seinem Pferde einenBlick zuwerfen, und zurückkommen. Caderousse und seine Frau schauten sich mit einem unbeschreiblichen Ausdruck an.

Der Diamant wäre ganz unser! sagte Caderousse.

Glaubst du? erwiderte seine Frau.

Ein Geistlicher wird uns gewiß nicht täuschen wollen.

Tu, was du willst. Ich wenigstens mische mich nicht drein.

Und sie ging fieberschauernd wieder die Treppe hinauf. Ihre Zähne klapperten trotz der Glühhitze. Auf der letzten Stufebliebsie einen Augenblick stehen und rief: Bedenke wohl, Gaspard.

Ichbin entschlossen, antwortete Caderousse.

Die Carconte ging, einen Seufzer ausstoßend, in ihre Stube zurück; man hörte die Decke unter ihren Tritten krachen, bis sie ihren Lehnstuhl wieder erreicht hatte, in dem sie sich schwerfällig niederließ.

Ich glaube in der Tat, es ist dasbeste, was Sie tun können, mir alles zu sagen, sagte der Priester; nicht als obmir viel daran gelegen wäre, die Dinge zu erfahren, die Sie mir verbergen wollen; aber es wirdbesser sein, wenn Sie mich in den Stand setzen, das Vermächtnis nach dem Willen des Erblassers zu verteilen.

Ich hoffe dies, antwortete Caderousse mit von Hoffnung und Gier geröteten Wangen. Er ging an die Tür seines Wirtshauses, verschloß sie und schobzu größerer Sicherheit den Nachtriegel vor. Mittlerweile hatte der Abbé seinen Platz gewählt, um mitBequemlichkeit zu hören; er saß so in einer Ecke, daß er im Schattenblieb, während das volle Licht auf Caderousses Gesicht fiel. Das Haupt geneigt, die Hände zusammengelegt oder vielmehr krampfhaft zusammengepreßt, schickte er sich an, mit der größten Aufmerksamkeit auf jedes Wort zu lauschen. Caderousse rückte einen Schemel vor und setzte sich ihm gegenüber.

Vergiß nicht, daß du's gegen meinen Willen tust, sagte die zitternde Stimme der Carconte, als hätte sie durch denBoden die Szene unten sehen können.

Gut, gut! rief Caderousse; genug, ich nehme alles auf mich.

Und er fing an.

Die Erzählung

Vor allem, Herr, sagte Caderousse, vor allem muß ich Siebitten, mir zu versprechen, daß Sie, wenn Sie von den Umständen Gebrauch machen, die ich Ihnen mitteilen werde, nie sagen, von wem diese Mitteilung herrührt; denn die Leute, von denen ich zu sprechen habe, sind reich und mächtig, und wenn sie mich nur mit dem Fingerberührten, würden sie mich wie Glas zerbrechen.