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Verschwunden, wie die Sonne verschwindet, um am andern Tage glänzender aufzugehen.

Sie hat also ebenfalls ihr Glück gemacht? fragte der Abbé mit ironischem Lächeln.

Mercedes ist in diesem Augenblicke eine der vornehmsten Damen von Paris, antwortete Caderousse.

Fahren Sie fort, sagte der Abbé; es ist mir, als hörte ich die Erzählung eines Traumes. Aber ich habe selbst so außerordentliche Dinge erlebt, daß mich die, welche Sie mir mitteilen, weniger in Erstaunen setzen.

Mercedes war anfangs in Verzweiflung über den Schlag, der ihr Edmond raubte. Ich sprachbereits von ihrenBittenbei dem Staatsanwalt und von ihrer Ergebenheit für Dantes' Vater. Mitten in ihrer Verzweiflung traf sie ein neuer Schmerz, das Scheiden Fernands, den sie, mit seinem Verbrechen nichtbekannt, als ihrenBruderbetrachtete. Fernand reiste als Konskribierter zum Heer, Mercedesblieballein.

Drei Monate verliefen für sie in Tränen; keine Kunde von Edmond, keine Nachricht von Fernand, nichts vor Augen, als einen Greis, der in seiner Verzweiflung hinstarb. Weder Geliebter, noch Freund war ihr geblieben. Plötzlich kam es ihr vor, als hörte sie einenbekannten Tritt; sie wandte sich ängstlich um, die Tür ging auf, und Fernand erschien in seiner Unterleutnants‑Uniform. Es war nicht die Hälfte dessen, was siebeweinte, aber es war doch ein Teil ihres vergangenen Lebens, was zu ihr zurückkehrte. Sie faßte Fernands Hände mit einem Entzücken, das dieser für Liebe hielt, während es nur die Freude war, nicht mehr allein auf der Welt zu sein und endlich nach langen Stunden einsamer Trauer einen Freund wiederzusehen. Auch muß ich sagen, Fernand war ihr nie verhaßt gewesen, nur hatte sie ihn nie geliebt. Ein andererbesaß ihr ganzes Herz; dieser andere aber war abwesend, verschwunden, vielleicht tot. Bei diesem letzten Gedankenbrach Mercedes in Schluchzen aus und rang die Hände vor Schmerz; aber der Gedanke, den sie verwarf, wenn er ihr von einem andern zugeflüstert wurde, kehrte jetzt von selbst in ihrembetrübten Geiste ein. Überdies sagte der alte Dantes unablässig zu ihr: Unser Edmond ist tot, denn wenn er nicht tot wäre, käme er zu uns zurück.

Der Greis starb, wie gesagt; hätte er gelebt, so würde Mercedes vielleicht nie die Frau eines andern geworden sein; denn er wäre da gewesen, um ihr ihre Untreue vorzuwerfen. Fernand sah dies ein. Als er daher den Tod des Greises erfuhr, kehrte er zurück. Diesmal war er Leutnant. Bei seiner ersten Reise hatte er Mercedes kein Wort von Liebe gesprochen, bei der zweiten erinnerte er sie an seine heiße Zuneigung. Ein Jahr war inzwischen vergangen; sie forderte noch sechs Monate, um Edmond zu erwarten und zubeweinen.

Das macht im ganzen achtzehn Monate, sagte der Abbé mitbitterem Lächeln. Was kann der angebetetste Geliebte mehr fordern? Dann murmelte er die Worte des englischen Dichters: Schwachheit, dein Name ist Weib.

Sechs Monate nachher, fuhr Caderousse fort, fand die Hochzeit in der Kirche des Accoules statt.

Es war dieselbe Kirche, in der sie Edmond heiraten sollte, murmelte der Abbé, nur war's ein andererBräutigam.

Mercedes heiratete also, sagte Caderousse; doch obgleich sie allen Augen ruhig erschien, wurde sie doch ohnmächtig, als sie vor der Reserve vorbeikam, wo achtzehn Monate vorher ihre Verlobung mit dem gefeiert worden war, den sie noch liebte, wenn sie in den Grund ihres Herzens zu sehen wagte. Glücklicher, aber nicht ruhiger, — denn ich sah ihn in jener Zeit, und er fürchtetebeständig die Rückkehr Edmonds, — war Fernand sogleich daraufbedacht, seine Frau aus der Gegend zu entfernen und sich selbst zu verbannen; er hatte zugleich zu viele Gefahren zubefürchten und zu viele Erinnerungen zubekämpfen, wenn erbei den Kataloniernblieb. Acht Tage nach der Hochzeit reisten sie ab.

Sahen Sie Mercedes wieder? fragte der Priester.

Ja, zur Zeit des spanischen Krieges, in Perpignan, wo Fernand sie zurückgelassen hatte; siebeschäftigte sich damals mit der Erziehung ihres Sohnes.

Der Abbébebte. Ihres Sohnes? sagte er.

Ja, antwortete Caderousse, des kleinen Albert.

Aber um den Sohn zu erziehen, sagte der Abbé, muß sie wohl selbst erst noch eine Ausbildung erhalten haben? Es ist mir, als hätte ich von Edmond gehört, sie sei die Tochter eines einfachen Fischers, schön, aber ungebildet gewesen?

Oh, kannte er denn seineBraut so schlecht? versetzte Caderousse. Mercedes hätte Königin werden können, wenn die Krone nur auf den schönsten und gescheitesten Köpfen getragen werden sollte. Als ihre Verhältnissebesser wurden, lernte sie wohl auch zeichnen, Musik und was weiß ich alles, aber ich glaube, unter uns gesagt, daß sie dies alles nur tat, um sich zu zerstreuen, um zu vergessen, und daß sie nur so viele Dinge in ihren Kopfbrachte, um das zubetäuben, was ihr Herz erfüllte. Nun scheint es jetzt, Vermögen und Ehre haben sie ohne Zweifel getröstet. Sie ist reich, sie ist Gräfin, und dennoch… — Caderousse schwieg.

Was dennoch?

Dennochbin ich überzeugt, daß sie nicht glücklich ist.

Warum glauben Sie das?

Als ich selbst gar sehr im Elend war, dachte ich, meine ehemaligen Freunde würden mich unterstützen. Ichbegabmich zu Danglars, der mich nicht einmal empfing. Ich ging zu Fernand, und dieser ließ mir hundert Franken durch seinen Kammerdiener zustellen.

Also sahen Sie weder den einen noch den andern?

Nein, aber Frau von Morcerf hat mich gesehen. — Während ich hinausging, fiel eineBörse zu meinen Füßen! Sie enthielt fünfundzwanzig Louisd'or. Ich schaute rasch empor und erblickte Mercedes, die den Laden wieder schloß.

Und der Staatsanwalt, Herr von Villefort? fragte der Abbé.

Oh! er war nicht mein Freund gewesen, ich kannte ihn nicht und hatte nichts von ihm zu fordern.

Doch wissen Sie nicht, was aus ihm geworden ist, und welchen Teil er an Edmonds Unglück gehabt hat?

Nein, ich weiß nur, daß er einige Zeit, nachdem er Edmond hatte verhaften lassen, Fräulein von Saint‑Meran heiratete undbald darauf Marseille verließ. Ohne Zweifel hat ihm das Glück gelächelt, wie den anderen, ohne Zweifel ist er reich wie Danglars, geachtet wie Fernand; ich alleinbin, wie Sie sehen, arm, elend und von Gott vergessen geblieben. Sie täuschen sich, mein Freund, sagte der Abbé, Gott kann zuweilen scheinbar vergessen, wenn seine Gerechtigkeit ruht, aber es kommt immer ein Augenblick, wo er sich erinnert, und hier ist derBeweis davon.

Bei diesen Worten zog der Abbé den Diamanten aus der Tasche, reichte ihn Caderousse und sagte: Nehmen Sie diesen Diamanten, er gehört Ihnen.

Wie, mir allein? rief Caderousse; oh! Herr, Sie scherzen?

Dieser Diamant sollte unter Edmonds Freunde verteilt werden! Edmond hatte nur einen Freund, die Verteilung wird also unnötig. Nehmen Sie den Stein und verkaufen sie ihn; ich wiederhole, er ist fünfzigtausend Franken wert, und diese Summe wird hoffentlich genügen, um Sie der Armut zu entziehen.

Oh! Herr, sagte Caderousse schüchtern, eine Hand ausstreckend und mit der andern den Schweiß abwischend, der auf seiner Stirn perlte, oh! Herr, treiben Sie nicht Spott mit dem Glück und der Verzweiflung eines Menschen.

Ich weiß, was Glück und was Verzweiflung ist, und werde nie damit Kurzweil treiben. Nehmen Sie; dagegen…

Caderousse, derbereits den Diamantenberührte, zog seine Hand zurück.

Dagegen, fuhr der Abbé lächelnd fort, geben Sie mir die rote seideneBörse, die Herr Morel auf dem Kamin des alten Dantes zurückließ.

Immer mehr erstaunt, ging Caderousse an einen großen Schrank von Eichenholz, öffnete ihn und reichte dem Abbé eine langeBörse von erbleichter roter Seide; der Abbé nahm sie und gabdafür Caderousse den Diamanten.

Oh! Sie sind ein Mann Gottes, rief Caderousse, denn es wußte in der Tat niemand, daß Edmond Ihnen den Diamanten übergeben hatte, und Sie konnten ihnbehalten.