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Gut, sagte der Abbé zu sich selbst, du hättest es getan, wie mir scheint.

Der Abbé stand auf, nahm seinen Hut und seine Handschuhe und sagte: Ist alles, was Sie gesagt haben, wahr, und kann ich Ihnen in allen Punkten glauben?

Sehen Sie, Herr Abbé, antwortete Caderousse, dort in jener Ecke ist ein Christus von geweihtem Holze, hier auf dieser Kiste liegt das Evangelienbuch meiner Frau, öffnen Sie diesesBuch, und ich will Ihnen darauf schwören, ich schwöre Ihnenbei dem Heile meiner Seele, bei meinem christlichen Glauben, daß ich Ihnen alles so gesagt habe, wie es vorgefallen ist.

Es ist gut, sagte der Abbé, überzeugt, daß Caderousse die Wahrheit gesagt habe, es ist gut; möge Ihnen dieses Geld Nutzenbringen! Leben Sie wohl, ich kehre zurück, um fern von den Menschen zu leben, die so vielBöses tun.

Und sich mit Mühe denbegeisterten Ergüssen Caderousses entziehend, verließ der Abbé das Zimmer, stieg zu Pferde, grüßte zum letztenmal den Wirt, der sich in geräuschvollen Abschiedsworten sozusagen verwickelte, und entfernte sich in der Richtung, in der er gekommen war.

Als sich Caderousse umwandte, sah er hinter sich die Carconte, bleicher und zitternder als je.

Ist es wahr, was ich gehört habe? sagte sie.

Was? Daß er uns den Diamanten für uns ganz allein gegeben hat? entgegnete Caderoussebeinahe närrisch vor Freude.

Und wenn er falsch wäre? sagte sie.

Falsch, murmelte er, falsch… Und warum sollte mir dieser Mann einen falschen Diamanten gegeben haben?

Um dein Geheimnis zubesitzen, ohne es zubezahlen, Schwachkopf!

Caderoussebliebeinen Augenblick wiebetäubt von dem Gewichte dieser Mutmaßung, bald aber nahm er seinen Hut, setzte ihn auf das rote um seinen Kopf gewickelte Taschentuch und rief: Oh! das werden wir wohl erfahren.

Auf welche Art?

Es ist Messe inBeaucaire, es sind Pariser Juweliere dort, ich will ihnen den Stein zeigen. Hüte das Haus, Frau, in zwei Stundenbin ich zurück.

Und er stürzte aus dem Hause und lief auf der Straße fort. Fünfzigtausend Franken, murmelte die Carconte, als sie allein war, das ist Geld… aber es ist kein Vermögen.

Die Gefängnisregister

Einen Tag, nachdem die Szene auf der Straße vonBellegarde nachBeaucaire vorgefallen war, erschien ein Mann von dreißig Jahren inblauem Frack, Nankingbeinkleidern und weißer Weste, mit der Haltung und der Aussprache eines Engländers, bei dem Maire von Marseille und sagte: Mein Herr, ichbin der erste Kommis des Hauses Thomson und French in Rom; wir stehen seit zehn Jahren in Verbindung mit dem Hause Morel und Sohn in Marseille, sein Kontobeläuft sichbei uns auf etwa l00 000 Franken, und wir sind einigermaßen in Unruhe, da manbehauptet, dieses Haus sei dem Ruin nahe. Ich komme daher ausdrücklich von Rom, um mir von Ihnen Auskunft über Morel und Sohn zu erbitten.

Mein Herr, antwortete der Maire, ich weißbestimmt, daß seit vierbis fünf Jahren das Unglück Herrn Morel zu verfolgen scheint; er hat hintereinander vier Schiffe verloren und durch dreiBankerotte Verluste erlitten; aber obgleich ich selbst mit einigen tausend Franken Gläubiger des Hausesbin, geziemt es mir doch nicht, irgend eine Auskunft über den Zustand seines Vermögens zu geben. Fragen Sie mich als Maire, was ich von Herrn Morel denke, so antworte ich Ihnen, er ist ein streng rechtlicher Mann und hatbis jetzt alle seine Verbindlichkeiten äußerst pünktlich erfüllt. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Wollen Sie mehr wissen, so wenden Sie sich an Herrn vonBoville, Inspektor der Gefängnisse, Rue Noailles Nr. 15; er hat, soviel ich weiß, 200 000 Frankenbeim Hause Morel angelegt, und wenn wirklich etwas zu fürchten wäre, so würden Sie ihn, da diese Summebeträchtlicher ist, als mein Guthaben, wahrscheinlich über diesen Punktbesser unterrichtet finden, als ich esbin.

Der Engländer schien diese Rücksicht zu würdigen, grüßte, verließ den Maire und wanderte mit dem den Söhnen Großbritanniens eigentümlichen Gange nach derbezeichneten Straße. Herr vonBoville war in seinem Kabinett; als ihn der Engländer erblickte, machte er eineBewegung des Erstaunens, die anzudeuten schien, daß er nicht zum erstenmal diesem Manne gegenüber stand. Herr vonBoville aber war so verzweiflungsvoll, gleichsam verschlungen von dem Gedanken, der ihn in diesem Augenblickbeschäftigte, daß er nichts für alte Erinnerungen übrig hatte. Der Engländer legte ihm mit dem seiner Nation eigenen Phlegma fast in denselben Ausdrücken dieselbe Frage vor wie dem Maire.

Oh! Herr, rief Herr vonBoville, IhreBefürchtungen sind leider nur zu sehrbegründet, und Sie sehen einen verzweifelnden Mann vor sich. Ich hatte 200 000 Frankenbei dem Hause Morel angelegt. — Es war dies die Mitgift meiner Tochter, die ich in vierzehn Tagen zu verheiraten gedachte. Ich hatte Herrn Morel von meinem Wunsche, das Geldbis zum 15. nächsten Monats zu erheben, benachrichtigt, und nun ist er vor einer halben Stunde zu mir gekommen, um mir zu sagen, wenn sein Schiff Pharaobis zum 15. nicht einlaufe, sei er außer stande, seine Verbindlichkeit zu erfüllen.

Da handelt sich's doch wohl nur um Fristverlängerung, sagte der Engländer.

Es handelt sich um einenBankerott, rief Herr vonBoville.

Der Engländer schien einen Augenblick nachzudenken und sagte sodann: Diese Schuldforderung scheint Ihnen also gefährdet?

Das heißt, ichbetrachte sie als verloren.

Gut, ich kaufe sie Ihnen ab.

Sie? Ja, ich.

Aber sicher nur mit ungeheurem Rabatt?

Nein, um 200 000 Franken; unser Haus, fügte der Engländer lachendbei, macht keine solchen Geschäfte.

Und Siebezahlenbar?

Der Engländer zog, ohne ein Wort zu sagen, ein PäckchenBanknoten aus seiner Tasche, die das Doppelte der Summebetragen mochten, die Herr vonBoville zu verlieren fürchtete. EinBlitz der Freude zog über das Gesicht des Herrn vonBoville; doch suchte er sich zubemeistern und sagte: Mein Herr, ich muß Ihnenbemerken, daß Sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sechs Prozent von dieser Summe zurückerhalten.

Das geht mich nichts an, erwiderte der Engländer, das geht das Haus Thomson und French an, in dessen Namen ich handle. Es liegt vielleicht in seinem Interesse, einen Nebenbuhler zu Grunde zu richten. Ich weiß nur, daß ich Ihnen diese Summe gegen Übertragung zubezahlen habe, wobei ich mir indessen einen Maklerlohn erbitten werde.

Das ist nicht mehr alsbillig! rief Herr vonBoville. Die Kommissionbeträgt gewöhnlich anderthalb; wollen Sie zwei? Wollen Sie drei? Wollen Sie fünf, wollen Sie noch mehr? Sprechen Sie!

Mein Herr, antwortete der Engländer lachend, ichbin wie mein Haus, ich mache keine solchen Geschäfte; mein Maklerlohn ist ganz anderer Natur. Sie sind Inspektor der Gefängnisse?

Seit vierzehn Jahren.

Führen Sie Eintritts- und Abgangsverzeichnisse, die Noten inBezug auf die Gefangenen enthalten.

Jeder Gefangene hat sein Aktenheft.

Nun wohl, ichbin in Rom von einem armen Teufel von Abbé erzogen worden, der plötzlich von dort verschwunden ist. Seitdem habe ich erfahren, daß man ihn im Kastell If gefangen gehalten hat, und ich möchte gern etwas Näheres über seinen Tod wissen; er hieß Abbé Faria.

Oh! ich erinnere mich seiner ganz genau, rief Herr vonBoville, er war ein Narr.

Es ist möglich. Welcher Art war seine Narrheit?

Erbehauptete, Kenntnis von einem unermeßlichen Schatze zu haben, undbot der Regierung tolle Summen, wenn man ihn in Freiheit setzen wollte.

Armer Teufel! Und er ist tot?

Ja, er starbungefähr vor fünf oder sechs Monaten, im vergangenen Februar. Ich erinnere mich dieser Geschichte deshalbso genau, weil der Tod des armen Teufels von einem seltsamen Ereignisbegleitet war.

Was war denn das für ein Ereignis? fragte der Engländer mit dem Ausdruck großer Neugierde.

Das Gefängnis des Abbés war ungefähr fünfzig Fuß vom dem eines ehemaligenbonapartistischen Agenten entfernt, eines sehr entschlossenen und gefährlichen Menschen aus der Zahl derer, die am meisten zur Rückkehr des Usurpators im Jahre 1815beigetragen haben.