DieseBörse gehört aber nicht dir! rief Morel.
Julie reichte dem Vater denBrief, den sie am Morgen empfangen hatte.
Und dubist allein in jenem Hause gewesen? sagte er, nachdem er gelesen hatte.
Emanuelbegleitete mich, Vater; er sollte an der Ecke der Rue du Musée auf mich warten, war aber seltsamerweisebei meiner Rückkehr nicht dort.
Herr Morel!.. rief man auf der Treppe, Herr Morel!
Zu gleicher Zeit trat Emanuel, das Gesicht vor Freude und Aufregung ganz verstört, ein.
Der Pharao! rief er, der Pharao!
Was, der Pharao? Sind Sie verrückt, Emanuel? Sie wissen, daß er zu Grunde gegangen ist!
Der Pharao! Herr, man signalisiert den Pharao! Der Pharao läuft in den Hafen ein!
Morel fiel in seinen Stuhl zurück; die Kräfte verließen ihn; sein Verstand weigerte sich, diese Folge unglaublicher, unerhörter, fabelhafter Ereignisse zu fassen. Aber Maximilian trat ebenfalls ein und rief: Vater, was sagten Sie denn, der Pharao sei zu Grunde gegangen? Die Wache hat ihn signalisiert, und er läuft, wie ich höre, in den Hafen ein.
Meine Freunde, sagte Morel, wenn dies der Fall wäre, so müßte man an ein Wunder des Himmels glauben. Unmöglich! Unmöglich!
Was aber wirklich war und nicht minder unglaublich erschien, das war dieBörse, die er in der Hand hielt, das war der quittierte Wechsel, das war der prachtvolle Diamant.
Oh, Herr, sagte Cocles, was soll dasbedeuten, der Pharao?
Auf, Kinder, sagte Morel sich erhebend, wir wollen sehen, und Gott sei unsbarmherzig, wenn es eine falsche Nachricht ist.
Sie gingen hinab; mitten auf der Treppe wartete Frau Morel; die arme Frau hatte es nicht gewagt, hinaufzugehen. In einem Augenblickbefanden sie sich auf der Cannebière. Es war eine Menge von Menschen versammelt. Alles Volk gabRaum für Morel.
Der Pharao! Der Pharao! riefen alle Stimmen.
Wunderbar, unerhört! Ein Schiff, an dessen Vorderteil in weißenBuchstaben die Worte: Der Pharao, Morel und Sohn in Marseille, geschrieben waren, und das ganz die Gestalt des Pharao hatte und wie dieser mit Indigo und Cochenillebeladen war, ging in der Tat vor dem Saint‑Jean‑Turme vor Anker. Aus dem Verdecke gabder Kapitän Gaumard seineBefehle, und Meister Penelon machte Herrn Morel Zeichen. Es ließ sich nicht mehr zweifeln, die Sinnebezeugten, und zehntausend Menschenbestätigten es. Als Morel und sein Sohn auf dem Hafendamm unter demBeifallsgeschrei der ganzen diesem Schauspielbeiwohnenden Stadt sich umarmten, murmelte ein Mann, dessen Kopf halbvon einem schwarzenBartebedeckt war, indem er, hinter einem Schilderhäuschen verborgen, voll Rührung diese Szenebetrachtete, die Worte: Sei glücklich, edles Herz; sei gesegnet für alles Gute, was du getan hast und noch tun wirst, und meine Dankbarkeitbleibe im Dunkeln, wie deine Wohltat. Und mit einem Lächeln, in dem sich Freude und Glück ausprägten, verließ er den Ort, an dem er sich verborgen gehalten hatte, stieg, ohne daß jemand darauf achtete, eine von den kleinen Treppen hinab, die zum Landenbenutzt werden, und rief dreimaclass="underline" Jacopo!
Eine Schaluppe kam auf ihn zu, nahm ihn anBord und führte ihn zu einer reich ausgerüsteten Jacht, auf deren Verdeck er mit der Gelenkigkeit eines Seemanns sprang; von hier ausbetrachtete er noch einmal Morel, der vor Freude weinend herzliche Händedrücke an alle Welt austeilte und mit suchendemBlicke dem unsichtbaren Wohltäter dankte, den er im Himmel zu vermuten schien.
Und nun, sagte der Unbekannte, fahret wohl, Güte, Menschlichkeit, Dankbarkeit… fahret wohl alle Gefühle, die das Herz schwellen lassen!.. Ich habe die Stelle der Vorsehung eingenommen, um die Guten zubelohnen… jetzt trete mir der rächende Gott seinen Platz ab, um dieBösen zubestrafen!
Nach diesen Worten machte er ein Signal, und die Jacht ging, als hätte sie nur auf dieses Signal gewartet, sogleich in See.
Simbad der Seefahrer
Am Anfang des Jahres 1838befanden sich in Florenz zwei junge Leute, die der elegantesten Gesellschaft von Paris angehörten. Der eine war der Vicomte Albert von Morcerf, der andere derBaron Franz d'Epinay. Sie hatten verabredet, den Karneval dieses Jahres in Rom zuzubringen, wo Franz, der seitbeinahe vier Jahren in Italien lebte, Albert als Cicerone dienen sollte. Albert wollte die Zeit, die er noch vor sich hatte, benutzen und reiste nach Neapel ab. Franzbliebin Florenz. Als er einige Zeit das Leben, das die Stadt der Medicibietet, genossen hatte, kam es ihm in den Kopf, da er Korsika, Bonapartes Wiege, bereitsbesucht hatte, auch Elba, dieseberühmte napoleonische Station, zu sehen.
Eines Abends machte er daher eineBarchetta von dem eisernen Ringe los, an dem sie im Hafen von Livornobefestigt war, legte sich, in seinen Mantel gehüllt, darin nieder und sagte zu den Schiffern nur die Worte: Nach Elba! DieBarke verließ den Hafen, wie der Meervogel sein Nest verläßt, und landete am andern Tage in Porto Ferrajo. Nachdem Franz allen Spuren gefolgt war, die der Tritt des korsischen Riesen auf der Insel zurückgelassen hatte, schiffte er sich in Marciana wieder ein. Zwei Stunden später stieg er in Pianosa, wo seiner, wie man ihm versicherte, zahllose Schwärme von Rothühnern warteten, abermals ans Land. Die Jagd war schlecht, Franz schoß nur ein paar magere Hühner und kehrte übler Laune in seineBarke zurück.
Oh! wenn Euere Exzellenz wollte, sagte der Patron zu ihm, könnte sie eine schöne Jagd machen.
Wo denn?
Sehen Sie jene Insel? sagte der Patron, den Finger nach Süden ausstreckend und auf eine kegelförmige Masse deutend, die in den schönsten Farben mitten aus dem Meere aufstieg.
Was für eine Insel ist denn das? fragte Franz.
Die Insel Monte Christo, antwortete der Livornese.
Was für Wildpret werde ich dort finden?
Tausende von wilden Ziegen.
Die davon leben, daß sie an den Steinen lecken? versetzte Franz mit ungläubigem Lächeln.
Nein, davon, daß sie Heidekraut, Myrten undBrombeerstauden abweiden.
Aber wo soll ich schlafen?
Auf der Erde, in den Grotten, oder anBord in Ihrem Mantel. Auch können wir, wenn es Eure Exzellenz so haben will, unmittelbar nach der Jagd wieder absegeln? sie weiß, daß wirbei Nacht wiebei Tag fahren können und neben den Segeln auch Ruder haben.
Da Franz noch Zeit genugblieb, um wieder zu seinem Gefährten zurückzukehren, nahm er den Vorschlag an und rief dem Patron zu: Also vorwärts nach Monte Christo!
Der Kapitän gabdie geeignetenBefehle; man legte sich gegen die Insel und näherte sich ihr rasch. Je näher man kam, desto mehr trat das Eiland wachsend aus dem Schoße des Meeres hervor, und durch die klare Atmosphäre der letzten Strahlen des Tages unterschied man die Masse der aufeinander gehäuften Felsen, in deren Zwischenräumen das rötliche Heidekraut und die grünendenBäume sichtbar wurden. Sie waren noch ungefähr fünfzehn Meilen von Monte Christo entfernt, als die Sonne hinter Korsika, dessenBerge rechts zum Vorschein kamen, unterzugehen anfing. Eine halbe Stunde nachher herrschte völlige Finsternis. Zum Glückbefanden sich die Schiffer in einer Gegend des toskanischen Archipels, die sie aufs genaueste kannten, denn inmitten der Dunkelheit, welche dieBarke umhüllte, wäre Franz sonst etwasbeunruhigt gewesen.
Es war ungefähr eine Stunde seit Sonnenuntergang vorüber, als Franz auf eine Viertelmeile links eine dunkle Masse zu erblicken glaubte; doch es ließ sich durchaus nicht unterscheiden, was es war, und er schwieg, weil er dachte, es seien vielleicht nur schwebende Wolken, und die Matrosen würden ihn auslachen. Nun wurde aber ein Heller Schimmer sichtbar, und Franz rief:
Wasbedeutet jenes Licht?