Still! sagte der Patron, es ist ein Feuer.
Ich glaubte doch, die Insel sei unbewohnt?
Sie hat keine festeBevölkerung, doch dient sie manchmal als Aufenthaltsort für Schmuggler und für Seeräuber, fuhr Gaetano fort; deshalbhabe ichBefehl gegeben, daran vorbeizufahren, denn das Feuer ist, wie Sie sehen, nunmehr hinter uns.
Mir scheint, dieses Feuer muß uns eher Sicherheit gewähren, als Unruhe verursachen; Leute, die gesehen zu werdenbefürchten, zünden kein Feuer an.
Oh! das will nichts sagen, entgegnete Gaetano; wenn Ihnen die Lage der Insel genaubekannt wäre, würden Sie wissen, daß dieses Feuer weder von Korsika noch von Pianosa, sondern nur von der offenen See ausbemerkt werden kann.
Ihr fürchtet also, das Feuer kündige uns schlimme Gesellschaft an?
Darüber muß man sich Gewißheit verschaffen, erwiderte Gaetano, die Augenbeständig darauf heftend.
Hieraufberatschlagte Gaetano mit seinen Gefährten, und nach einer kurzen Unterredung wendete man stillschweigend das Schiff; nun war das Feuer nicht mehr sichtbar. Dann gabder Lotse dem kleinen Fahrzeug, dasbald nur noch fünfzig Schritte von der Insel entfernt war, eine neue Richtung. Gaetano zog das Segel ein, und dieBarkebliebstehen.
Dies alles war mit der größten Stille vor sich gegangen, und man hatte seit Änderung der Richtung keine Silbe anBord gesprochen. Gaetano, der die Expedition vorgeschlagen, hatte auch die ganze Verantwortlichkeit übernommen. Die drei andern Matrosen wandten kein Auge von ihm, während sie die Ruder richteten und sich offenbarbereit hielten, die Flucht zu ergreifen, wasbei der großen Dunkelheit nicht schwer sein konnte. Franz untersuchte seine Gewehre, zwei Doppelflinten und eineBüchse, mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit; dann wartete er, auf alles gefaßt.
Inzwischen zog der Patron seine Kleiderbis auf die Hosen aus und legte einen Finger auf die Lippen, um den andern Stillschweigen anzuempfehlen, ließ sich in das Meer hinabgleiten und schwamm mit solcher Vorsicht nach dem Ufer, daß es nicht möglich war, auch nur das geringste Geräusch zu hören. Man konnte seine Spur nur an der leuchtenden Furche verfolgen, die seineBewegungen verursachten. Bald verschwand auch diese Furche; Gaetano hatte offenbar das Land erreicht.
Eine halbe Stunde langblieben alle auf dem Schiffe unbeweglich; nach Verlauf dieser Zeit sah man dieselbe leuchtende Furche wiedererscheinen und sich derBarke nähern. Mit einigen Stößen war Gaetano wiederbei derBarke.
Nun? fragten gleichzeitig Franz und die drei Matrosen.
Es sind drei spanische Schmuggler, die zwei korsischeBanditenbei sich haben.
Gut, so viel sind wir auch gerade; unsere Kräfte sind, falls die Herren schlimme Absichten haben sollten, gleich. Also, auf nach Monte Christo!
Ja, Exzellenz; doch Sie werden mir ohne Zweifel erlauben, daß ich einige Vorsichtsmaßregeln nehme?
Freilich, mein Teurer. Seid weise wie Nestor und klug wie Ulysses! Ich erlaube es Euch nicht nur, sondern ich ermahne Euch dazu.
Still also! sagte Gaetano. Alle schwiegen.
Für einen Mann wie Franz, der alles vom richtigen Gesichtspunkte ausbetrachtete, ermangelte die Lage der Dinge, ohne gefährlich zu sein, doch nicht eines gewissen Ernstes. Erbefand sich in der tiefsten Finsternis mitten auf dem Meere mit Schiffern, die ihn nicht kannten und keinen Grund hatten, ihm ergeben zu sein, die wußten, daß in seinem Gürtel tausend Franken waren, und wenigstens zehnmal, wenn nicht mit Lüsternheit, doch mit Neugierde seine wirklich schönen Gewehre untersucht hatten. Sodann sollte er ohne anderes Geleit, als diese Menschen, auf einer Insel landen, auf der Schmuggler undBanditen ihr Wesen trieben. Zwischen diese doppelte, vielleicht eingebildete, vielleicht wirkliche Gefahr gestellt, ließ er seine Leute nicht aus den Augen, seine Flinte nicht aus der Hand.
Die Matrosen hatten indessen ihre Segel wieder gehißt, und dieBarke fuhr das Ufer entlang; bald erblickte man das Feuer deutlicher und fünf daran sitzende Personen. Der Wiederschein der Glut erstreckte sich auf etwa hundert Schritt ins Meer hinaus. Gaetano fuhr längs dem Feuer hin, wobei er jedoch dieBarke in dem nichtbeleuchteten Teile hielt; als er sich endlich gerade vor dem Feuerbefand, richtete er das Vorderteil seines Fahrzeugs auf dieses zu und fuhr mutig in denbeleuchteten Kreis, wobei er ein Fischerlied anstimmte, dessen Refrain seine Gefährten im Chor wiederholten.
Bei dem ersten Worte des Liedes erhoben sich die um das Feuer sitzenden Männer und näherten sich dem Strand, ihre Augen auf dieBarke heftend, derenBesatzung zu erkennen und deren Absicht zu erraten sie sich sichtbar anstrengten. Sobald sie sich genügend überzeugt hatten, setzten sie sich, einen Mann ausgenommen, der am Ufer stehenblieb, wieder um das Feuer, an dem man eine junge Ziegebriet.
Als das Schiffbis auf zwanzig Schritte zum Land gelangt war, rief der Mann am Ufer in sardinischer Mundart: Wer da?
Franz spannte kaltblütig seine Doppelflinte.
Gaetano wechselte mit dem Manne am Ufer ein paar Worte, von denen der Reisende nichts verstand, die aber offenbar seine Personbetrafen.
Will Eure Exzellenz sich nennen oder ihr Inkognitobeibehalten? fragte der Patron.
Mein Name muß diesen Leuten völlig unbekanntbleiben, antwortete Franz; sagt ihnen ganz einfach, ich sei ein Franzose, der zu seinem Vergnügen reise.
Als Gaetano diese Worte wiederholt hatte, gabdie Schildwache einem von den am Feuer sitzenden Männern einenBefehl; dieser stand sogleich auf und verschwand in den Felsen. Es herrschte tiefe Stille. Jeder schien mit seinen Angelegenheitenbeschäftigt, Franz mit dem Ausschiffen, die Matrosen mit ihren Segeln, die Schmuggler mit ihrer jungen Ziege. Dochbei aller scheinbaren Sorglosigkeitbeobachtete man sich gegenseitig scharf.
Der Mann, der sich durch die Felsen entfernt hatte, erschien plötzlich wieder von der entgegengesetzten Seite; er machte der Schildwache mit dem Kopfe ein Zeichen, diese wandte sich um und sprach nur die Worte: s'accommodi.
Das italienische s'accommodi läßt sich nicht übersetzen. Esbedeutet zugleich: Kommt, tretet ein, seid willkommen. tut, als obIhr zu Hause wäret, Ihr habt zu gebieten. Die Matrosen ließen sich das nicht zweimal sagen; mit vier Ruderschlägenberührte dieBarke das Land. Gaetano sprang ans Ufer, wechselte leise noch ein paar Worte mit der Schildwache, seine Gefährten stiegen ebenfalls nacheinander aus, und die Reihe kam an Franz.
Er trug selbst eine von seinen Flinten, Gaetano hatte die andere, einer von den Matrosen hielt seineBüchse. Seine Tracht hielt die Mitte zwischen der eines Künstlers und der eines Stutzers, was den Leuten auf der Insel keinen Verdacht und folglich keine Unruhe einflößte. Manband dieBarke am Ufer an und ging einige Schritte vorwärts, um einbequemesBiwak zu suchen; aber ohne Zweifel paßte die Stelle, wo man suchte, dem Schmuggler, der Wache stand, nicht, denn er rief Gaetano zu: Nein, nicht dort!
Gaetano stammelte eine Entschuldigung und schritt ohne Widerspruch in entgegengesetzter Richtung fort, während zwei Matrosen, um den Weg zubeleuchten, Fackeln am Feuer anzündeten. Man machte ungefähr dreißig Schritte und hielt auf einem freien Platze an, der ganz von Felsen umgeben war.
Sobald Franz einmal den Fuß auf die Erde gesetzt und die, wenn nicht gerade freundschaftliche, doch wenigstens gleichgültige Stimmung seiner Wirte wahrgenommen hatte, verschwandbei ihm jede Unruhe, und der Geruch der an dem nahenBiwakbratenden Ziege verwandelte seine Unruhe sogar in Appetit.
Er erwähnte dies gegen Gaetano, der ihm erwiderte, es gebe nichts Einfacheres, als ein Abendbrot, wenn man, wie sie, in derBarkeBrot, Wein, sechs Feldhühner und ein gutes Feuer zumBratenbesäße.
Überdies, fügte erbei, wenn Eure Exzellenz den Geruch der Ziege so verführerisch findet, so kann ich hingehen und unsern Nachbarn zwei von unsern Vögeln für eine Schnitte von ihrem Vierfüßigenbieten.
Tut das, Gaetano, antwortete Franz. Während dieser Zeit hatten die Matrosen Arme voll Heidekraut ausgerissen undBündel von Myrten und grünen Eichen gemacht, woran sie Feuer legten, wasbald einen sehr ansehnlichenBrand gab. Franz erwartete, beständig den Geruch der jungen Ziege einatmend, die Rückkehr des Patrons. Dieser erschien und ging mit sehr unruhiger Miene auf ihn zu.