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Ich habe euren Anführer Cucumetto getötet, dessen Nachlaß ihr an mir seht, und Feuer an die Villa San Felice gelegt, um meinerBraut ein Hochzeitskleid zu schenken.

Eine Stunde nachher war Luigi Vampa an Cucumettos Stelle zum Kapitän erwählt. –

Nun, mein lieber Albert, sagte Franz, sich an seinen Freund wendend, was denken Sie von Luigi Vampa?

Ich sage, es ist eine Mythe, und er hat gar nie existiert.

Was ist das, eine Mythe? fragte Pastrini.

Es wäre zu lang, Ihnen dies zu erklären, mein lieber Wirt, antwortete Franz. Und Sie sagen, Herr Vampa treibe sein Gewerbe in diesem Augenblick in der Gegend von Rom?

Ja, und zwar mit einer Kühnheit, von der nie einBandit vor ihm einBeispiel gegeben hat.

Die Polizei hat seiner also nicht habhaft werden können?

Was wollen Sie? Er ist zugleich mit den Hirten der Ebene, mit den Fischern des Tiber und den Schmugglern an der Küste im Einverständnis. Sucht man ihn auf dem Gebirge, so ist er auf dem Fluß; verfolgt man ihn auf dem Fluß, so erreicht er die offene See; und glaubt man, er habe sich auf die Isola del Giglio, del Gnanuti oder nach Monte Christo geflüchtet, so sieht man ihn plötzlich in Albano, in Tivoli oder la Riccia auftauchen.

Und wie verfährt er gegen die Reisenden?

Oh, mein Gott! Das ist ganz einfach. Je nach der Entfernung, in der man sich von der Stadtbefindet, gibt er ihnen acht Stunden, zwölf Stunden oder einen Tag, das Lösegeld zubezahlen; ist diese Zeit abgelaufen, so gewährt er noch eine Stunde Gnadenfrist. Hat er nach sechzig Minuten das Geld noch nicht, so schießt er dem Gefangenen eine Kugel vor den Kopf oder stößt ihm seinen Dolch ins Herz, und alles ist abgemacht.

Nun, Albert, fragte Franz seinen Gefährten, sind Sie immer noch geneigt, vor die Stadt zu fahren?

Allerdings, wenn der Weg malerisch ist.

In diesem Augenblick schlug es neun Uhr, die Tür ging auf, und der Kutscher erschien.

Exzellenz, sagte er, der Wagen erwartet Sie.

Wohl! rief Franz, also nur in das Kolosseum.

Ah! mein Lieber, versetzte Albert, ebenfalls aufstehend und eine Zigarre anzündend, ich hielt Sie in der Tat für mutiger.

Hierauf gingen die jungen Leute die Treppe hinabund stiegen in den Wagen.

Erscheinungen

Auf der Fahrt durch die dunkle Stadt sprach Franz kein Wort, sein Geistbeschäftigte sich mit dem, was er über Luigi Vampa gehört hatte, denn es war ihmbefremdlich erschienen, daß Pastrini dabei den Namen seines Gastgebers auf Monte Christo genannt und diese Insel als Schlupfwinkel derBanditenbezeichnet hatte. Dabei erinnerte er sich, daß erbei seiner Landung auf Monte Christobei den Matrosen auch zwei flüchtigeBanditen getroffen hatte. So sehr auch alles dies seinen Geistbeschäftigte, so war es doch völlig vergessen in dem Augenblick, wo er das düstere, riesige Gespenst des Kolosseums, auf das der Mond seine langen, bleichen Strahlen warf, vor sich sah. Der Wagen hielt, die jungen Leute sprangen heraus und standen vor einem Führer. Franz kannte das Kolosseum, denn er hatte esbereits mehr als zehnmalbesucht; aber auf seinen Gefährten, der das gewaltige Monument zum erstenmalbetrat, brachte der Anblick einen mächtigen Eindruck hervor. Man hat in der Tat, wenn man es nicht gesehen, keinenBegriff von der Majestät einer solchen Ruine, deren Verhältnisse in dieser geheimnisvollenBeleuchtung des südlichen Mondes verdoppelt erscheinen.

Kaum hatte Franz gedankenvoll hundert Schritt unter den inneren Säulengängen gemacht, als er, Albert seinem Führer überlassend, der ihm den Löwengraben, die Loge der Gladiatoren, das Podium der Cäsaren zeigen wollte, eine halbin Trümmer zerfallene Treppe hinaufstieg und sich im Schatten einer Säule vor einem Ausschnitte niederließ, der ihm den Granitriesen in seiner ganzen majestätischen Ausdehnung zu erfassen gestattete. Franz war ungefähr eine Viertelstunde hier undblickte jetzt nach Albert hinüber, der, begleitet von zwei Fackelträgern, aus einer Vertiefung am andern Ende des Kolosseums hervorkam. Die Führer stiegen eben wie Schatten, die einem Irrlichte folgen, von Stufe zu Stufe zu den den Vestalinnen vorbehaltenen Plätzen hinab, als es ihm schien, als hörte er in die Tiefen des Gebäudes einen von der gegenüberliegenden Treppe abgestürzten Stein rollen. Es kam ihm vor, als wäre der Stein unter dem Fuße eines Menschen gewichen, und als vernähme er ein Geräusch.

Nach einen: Augenblick erschien wirklich ein Mensch; er trat allmählich aus dem Schatten hervor, während er die von dem Mondebeleuchtete Treppe hinaufstieg. Es konnte ein Reisender sein, wie er, der eine einsameBetrachtung dem Geschwätz seiner Führer vorzog, aber aus dem vorsichtigen Zögern, mit dem er die letzten Stufen erstieg, aus der Art und Weise, wie er, auf der Plattform angelangt, still stand und zu horchen schien, ging klar hervor, daß er zu einembesonderen Zwecke gekommen war und auf jemand wartete. Unwillkürlich verbarg sich Franz so viel als möglich hinter der Säule. Zehn Schritte davon war das Gewölbe ausgebrochen, und eine runde Öffnung ließ den mit Sternenbesäten Himmel hereinschauen. Um diese Öffnung her, die vielleicht schon seit Jahrhunderten den Mondstrahlen Durchgang gestattete, wuchsen Gesträuche, deren grüne Umrisse sich kräftig von dem matten Azur des Firmaments abhoben, während große Lianen und mächtige Efeuranken von der obern Terrasse herabhingen und sich, schwelgendem Tauwerk ähnlich, unter dem Gewölbe wiegten.

Der Mann, dessen geheimnisvolles Erscheinen Franzens Aufmerksamkeit erregt hatte, stand so im Halbdunkel, daß man seine Züge nicht zu unterscheiden vermochte, doch war die Tracht des Unbekannten zu erkennen: er war in einen großenbraunen Mantel gehüllt, dessen rechte Spitze, über die linke Schulter geworfen, den unteren Teil seines Gesichtes verbarg, während seinbreitkrempiger Hut seinen Kopfbedeckte. Nur das äußerste Ende seiner Kleidung wurde von dem schiefen Lichtebeleuchtet, das durch die Öffnung drang und ein schwarzes, einen Lackstiefel zierlich umschließendesBeinkleid gewahren ließ. Der Mann gehörte offenbar, wenn nicht der Aristokratie, doch wenigstens der guten Gesellschaft an. Er war ungefähr zehn Minuten anwesend und gabsichtbare Zeichen der Ungeduld von sich, als sich ein leichtes Geräusch auf der obern Terrasse hören ließ. In demselben Augenblick verdeckte ein Schatten den Lichtschein, ein Mann zeigte sich an der Öffnung, tauchte seinen durchdringendenBlick in die Finsternis und gewahrte den Mann im Mantel; sogleich ergriff er eine Handvoll herabhängender Lianen und Efeuranken, ließ sich hinabgleiten und sprang, sobald er nur noch drei Fuß vomBoden entfernt war, leicht zur Erde. Dieser Mann zeigte die vollständige Tracht eines Trasteveriners.

Entschuldigen Sie, Exzellenz, sagte er in römischem Dialekt, ich ließ Sie warten, doch nur ein paar Minuten, denn es hat soeben zehn Uhr geschlagen.

Ich kam zu früh und nicht Ihr zu spät, antwortete der Fremde, also keine Umstände; hättet Ihr mich übrigens auch warten lassen, so würde ich vermutet haben, ein von Eurem Willen unabhängigerBeweggrund halte Euch zurück.

Und Sie hätten recht gehabt, Exzellenz, ich komme vom Kastell St. Angelo, wo ich die größte Mühe hatte, bis es mir endlich gelang, mitBeppo zu sprechen.

Wer ist Beppo?

Beppo ist ein Angestellterbeim Gefängnis, dem ich eine kleine Rente dafür zukommen lasse, daß ich erfahre, was im Innern derBurg Seiner Heiligkeit vorgeht.

Ah! ah! ich sehe, Ihr seid ein vorsichtiger Mann, mein Lieber.

Man weiß nicht, was geschehen kann, Exzellenz; vielleicht werde ich auch eines Tages im Netze gefangen, wie der arme Peppino, undbedarf einer Ratte, um einige Maschen meines Gefängnisses zu durchnagen.

Sprecht, was habt Ihr in Erfahrung gebracht?

Dienstag um zwei Uhr sollen zwei Hinrichtungen stattfinden, wie dies in Rombei Eröffnung großer Feste gebräuchlich ist; einer von den Verurteilten wird durch Totschlag hingerichtet (mezzolato); er ist ein Elender, der einen Priester umgebracht hat, von dem er erzogen worden ist, und der keine Teilnahme verdient; der andere wird mit der Guillotine enthauptet, das ist der arme Peppino.