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Sie mißbilligen also das Duell, Sie würden sich nicht auf einen Zweikampf einlassen? fragte Albert, erstaunt, eine so seltsame Theorie aussprechen zu hören.

Oh! doch wohl, erwiderte der Graf. Verstehen wir uns recht! Ich würde mich schlagen wegen einer Erbärmlichkeit, wegen einerBeleidigung, wegen einer Ohrfeige, wenn man mich einer Lügebezichtigen wollte, und dies mit um so mehr Kaltblütigkeit, als ich infolge der Gewandtheit, die ich in allen körperlichen Übungen erlangt habe, infolge langer Gewöhnung an die Gefahr so gut wie sicher wäre, meinen Mann zu töten. Aber für einen tiefen, endlosen, ewigen Schmerz würde ich, wenn es möglich wäre, einen ähnlichen Schmerz dembereiten wollen, der ihn mir verursacht hätte. Auge um Auge, Zahn um Zahn, wie die Orientalen sagen… unsere Meister in allen Dingen, diese Auserwählten der Schöpfung, die sich ein Leben der Träume und ein Paradies der Wirklichkeit zubereiten gewußt haben. — Aber auf Ehre, meine Herren, wir führen da ein sonderbares Gespräch für einen Karnevalstag; setzen wir uns vor allem zu Tische, denn man meldet, daß aufgetragen ist.

Ein Diener öffnete eine von den vier Türen des Salons. Die jungen Männer standen auf und gingen in den Speisesaal. Während des Frühstücks, das aus allen möglichen Leckerbissenbestand und mit dem feinsten Luxus serviert wurde, suchte Franz mit den Augen AlbertsBlick, um darin den Eindruck zu lesen, den die Worte ihres Wirtes, wie er nicht zweifelte, auf ihn hervorgebracht haben mußten. Er fand aber seinen Gefährten nicht im geringsten ergriffen; er erwies im Gegenteil dem Mahle die schuldige Ehre. Der Graf dagegen, den Alberts Person merkwürdig zubeunruhigen schien, berührte die Schüsseln kaum. Es war, als erfüllte er, wenn er sich mit seinen Gästen zu Tische setzte, nur eine einfache Pflicht der Höflichkeit, und als erwarte er ihr Fortgehen, um sich irgend einbesonderes Gericht vorsetzen zu lassen. Dies erinnerte Franz unwillkürlich an den Schrecken, den der Graf der Gräfin G*** eingeflößt, und an ihre Überzeugung, der Mann, den er ihr in der Loge gegenüber der ihrigen gezeigt, sei ein Vampir. Als das Frühstück zu Ende war, zog Franz seine Uhr.

Nun!.. sagte der Graf zu ihm, was machen Sie denn?

Sie werden uns entschuldigen, Herr Graf, erwiderte Franz, wir haben noch tausenderlei zubesorgen. Wirbesitzen zumBeispiel noch keine Maskenanzüge, und heute ist die Verkleidung strengstes Gebot.

Sorgen Sie nicht hierfür! Wir haben auf der Piazza del popolo einbesonderes Zimmer; ich lasse dahin die Kostümebringen, die Sie mir gefälligstbezeichnen wollen, und wir maskieren uns, während wir dort verweilen.

Nach der Hinrichtung? rief Franz.

Nachher, während derselben oder vorher, wie Sie wollen.

Im Angesicht des Schafotts?

Das Schafottbildet einen Teil des Festes.

Vorwärts also, da Sie es so wollen, sagte Franz; doch wünschte ichbeim Gange nach der Piazza del popolo über den Korso zu kommen.

Gut, über den Korso! Wir schicken den Wagen voraus mit demBefehl, uns auf der Piazza del popolo zu erwarten; überdies ist es nur auch nicht unangenehm, wenn wir den Korso passieren, denn ich kann michbei dieser Gelegenheit überzeugen, obmeineBefehle vollzogen worden sind.

In diesem Augenblick öffnete ein Diener die Tür und meldete: Exzellenz, ein Mensch in der Tracht einesBüßers wünscht Sie zu sprechen.

Ah ja, sagte der Graf, ich weiß. Meine Herren, wollen Sie in den Salon zurückkehren, Sie finden auf dem Tische einige Havanna; ich folge Ihnen sogleich.

Die jungen Männer standen auf und gingen zu einer Tür hinaus, während sich der Graf, nachdem er seine Entschuldigung wiederholt hatte, durch die andere entfernte.

Nun, sagte Franz zu Albert, was denken Sie von dem Grafen von Monte Christo?

Was ich denke? erwiderte dieser, sichtbar erstaunt, daß Franz eine solche Frage an ihn richtete. Ich denke, er ist ein sehr angenehmer Mann, der vortrefflich die Honneurs seines Hauses macht, viel gesehen, viel nachgedacht, viel studiert hat, der einemBrutus der stoischen Schule gleicht, und der, fügte er hinzu, indem er eine Rauchwolke ausstieß, die in einer Schneckenlinie zum Plafond aufstieg, und der ausgezeichnete Zigarrenbesitzt.

Dies war die Ansicht, die Albert über den Grafen äußerte. Da Franz aber wußte, sein Freund urteile nur nach eigener Überzeugung, erbilde seine Ansicht über Menschen und Dinge erst nach reiflicher Erwägung, sobemerkte er nichts dagegen und fragte nur: Doch haben Sie die Aufmerksamkeitbemerkt, mit der er Siebetrachtete?

Albert dachte nach.

Ah! rief er, einen Seufzer ausstoßend, darüber darf man sich nicht wundern. Ichbin fast ein Jahr von Paris abwesend und muß Kleider wie ein Hinterwäldler haben. Der Graf wird mich für einen Menschen aus der Provinz halten; ichbitte Sie, klären Sie ihn darüberbei der nächsten Gelegenheit auf.

Franz lächelte; einen Augenblick nachher kehrte der Graf zurück.

Hierbin ich, meine Herren, sagte er, und ich stehe nun ganz zu Ihren Diensten. Nehmen Sie von diesen Zigarren, Herr von Morcerf, fügte er hinzu, indem er einen seltsamen Nachdruck auf diesen Namen legte, den er zum erstenmal aussprach.

Mit großem Vergnügen; wenn Sie nach Paris kommen, werde ich es Ihnen vergelten.

Ich weise das nicht von mir ab, denn ich gedenke eines Tages dorthin zu gehen und werde dann, wenn Sie es mir erlauben, an Ihre Tür klopfen.

Alle drei gingen hinabund schlugen den Weg über die Piazza di Spagna nach der Via Frattina ein, die sie gerade an den Palast Rospoli führte. Franz schaute nach diesem Palaste; er hatte das im Kolosseum zwischen dem Manne mit dem Mantel und dem Trasteveriner verabredete Signal nicht vergessen.

Welche Fenster gehören Ihnen? fragte er den Grafen mit dem natürlichsten Tone, den er anzunehmen vermochte.

Die drei letzten, erwiderte der Graf mit einer Nachlässigkeit, die nichts Geheucheltes hatte.

Franzens Augen richteten sich rasch nach den drei Fenstern. An denbeiden Seitenfenstern erblickte er Vorhänge von gelbem Damast, an dem mittleren einen Vorhang von weißem Damast mit rotem Kreuz. Der Mann mit dem Mantel hatte dem Trasteveriner Wort gehalten; es unterlag keinem Zweifel mehr, der Mann mit dem Mantel war der Graf. Die drei Fenster waren noch leer. Man traf übrigens auf allen Seiten Vorbereitungen, man stellte Stühle, schlug Gerüste auf undbehing die Fenster. Erst mit dem Klange der Glocke durften die Masken erscheinen und die Wagen fahren.

Franz, Albert und der Graf setzten ihren Weg auf dem Korso fort. Je mehr sie sich der Piazza del popolo näherten, desto dichter wurde die Menge, und schon sah man über den Häuptern des Volkes zwei Gegenstände emporragen: im Mittelpunkt des Platzes den Obelisken, überragt von einem Kreuze, und davor diebeiden oberstenBalken des Schafotts, zwischen denen das runde Eisen glänzte.

An der Ecke der Straße fand man den Intendanten des Grafen, der seinen Herrn erwartete. Das gemietete Fenster gehörte zu dem zweiten Stocke des zwischen der Strada delBabuino und dem Monte Pincio liegenden großen Palastes. Es lag in einem Ankleidekabinett, das in ein Schlafzimmer ging; schloß man die Tür des Schlafzimmers, so waren die Mieter des Kabinetts für sich allein; auf den Stühlen lagen die zierlichstenBajazzo‑Anzüge von weiß‑blauem Atlas.

Da Sie mir die Wahl der Tracht überließen, so wählte ich diese, sagte der Graf. Einmal wird sie in diesem Jahre am meisten Mode sein, und dann ist sie dasBequemste für die Konfetti, da man das Mehl nicht daraufbemerkt.

Franz hörte kaum die Worte des Grafen, denn seine ganze Aufmerksamkeit war von dem Schauspiel, das die Piazza del popolobot, und von dem furchtbaren Werkzeuge gefesselt, das zu dieser Stunde ihren Hauptzierratbildete. Er sah zum erstenmal eine Guillotine.