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Ja, versetzte Morcerf, er erzählte mir davon, und erbewahrt eine sehr angenehme Erinnerung an diesen Genuß.

Sie führen also diese Droge stetsbei sich? fragteBeauchamp, der in seiner Eigenschaft als Journalist sehr ungläubig war.

Beständig, antwortete Monte Christo.

Wäre es unbescheiden, wenn ich Siebitte, diese Pillen sehen zu dürfen? fuhrBeauchamp fort, in der Hoffnung, den Fremden auf einerBlöße zu ertappen. Nein, mein Herr, erwiderte der Graf; und er zog aus seiner Tasche eine wundervolleBonbonniére, die aus einem einzigen Smaragd gearbeitet und mit einer Schraube verschlossen war, und die, wenn man sie ausschraubte, ein Kügelchen von grünlicher Farbe und von der Größe einer Erbse durchließ. Dieses Kügelchen hatte einen scharfen, durchdringenden Geruch; es waren vier oder fünf ähnliche in dem Smaragd, der ungefähr ein Dutzend fassen mochte. DieBonbonniére machte die Runde um die Tafel, doch die Gäste ließen sie mehr umhergehen, um den prachtvollen Smaragd zubewundern, als um die Pillen zuberiechen.

Und diese Speisebereitet Ihnen Ihr Koch? fragteBeauchamp.

Nein, erwiderte Monte Christo; ich überlasse meine reellen Genüsse nicht der Willkür unwürdiger Hände. Ichbin ein ziemlich guter Chemiker undbereite meine Pillen selbst.

Das ist einbewunderungswürdiger Smaragd… es ist der größte, den ich je gesehen habe, obgleich meine Mutter als Familienwertstücke verschiedene ziemlich merkwürdige Juwelenbesitzt, sagte Chateau‑Reuaud.

Ich hatte drei gleiche, versetzte Monte Christo; den einen gabich dem Großsultan, der ihn an seinen Säbel fassen ließ; den andern unserem heiligen Vater, dem Papst, auf dessen Geheiß er auf seine Tiara, als Gegenstück zu einem ähnlichen, aber doch minder schönen Smaragd, einer Gabe Napoleons an seinen Vorgänger Pius VII., eingesetzt wurde. Den drittenbehielt ich für mich; ich ließ ihn aushöhlen, was ihm ungefähr die Hälfte seines Wertesbenommen, aber für den Gebrauch, zu dem ich ihnbestimmte, bequemer gemacht hat.

Alle schauten Monte Christo erstaunt an; er sprach mit so viel Einfachheit, daß er offenbar die Wahrheit sagte oder verrückt sein mußte. Beim Anblick des Smaragds in seinen Händen aber neigte man natürlich zu der ersten Vermutung.

Und was haben Ihnen diesebeiden Herrscher dagegen gegeben? fragte Debray.

Der Großherr die Freiheit einer Frau, antwortete der Graf, unser heiliger Vater, der Papst, das Leben eines Mannes. So war ich einmal in meinem Dasein so mächtig, als hätte mich Gott auf den Stufen eines Thrones geboren werden lassen.

Es ist Peppino, den Siebefreit haben, nicht wahr? rief Morcef; für ihn haben Sie IhrBegnadigungsrecht angewendet?

Vielleicht, antwortete Monte Christo lächelnd.

Herr Graf, Sie machen sich keinenBegriff, welches Vergnügen es mirbereitet, Sie so sprechen zu hören, sagte Morcerf. Ich hatte Sie zum voraus meinen Freunden als einen fabelhaften Mann, als einen Zauberer aus Tausendundeiner Nacht, als einen Hexenmeister angekündigt; doch die Pariser sind so paradoxe Leute, daß sie die unbestreitbarsten Wahrheiten für Launen der Einbildungskraft halten, wenn diese Wahrheiten nicht in ihrer täglichen Existenz in Erscheinung treten, Nehmen Sie zumBeispiel hier Debray, der alle Tage liest, undBeauchamp, der täglich druckt, daß man auf demBoulevard ein verspätetes Mitglied des Jockeyklubs geplündert, daß man vier Personen in der Rue Saint‑Denis oder im Faubourg Saint‑Germain ermordet hat, daß zehn Diebe in einem Kaffeehause desBoulevard du Temple verhaftet worden sind, und dennochbestreiten sie das Vorhandensein vonBanditen in der römischen Campagna. Sagen Sie ihnen doch selbst, Herr Graf, daß michBanditen festgenommen, und daß ich ohne Ihre edelmütige Vermittelung aller Wahrscheinlichkeit nach heute die ewige Auferstehung in den Katakomben von San Sebastiano zu erwarten hätte, statt Ihnen in meinem unwürdigen Häuschen in der Rue du Helder ein Frühstück zu geben.

Bah! rief Monte Christo, Sie haben mir versprochen, von dieser Kleinigkeit nie zu sprechen. Nicht ich, Herr Graf, entgegnete Morcerf; Sie verwechseln mich mit einem andern, dem Sie wahrscheinlich denselben Dienst geleistet haben, wie mir. Sprechen wir im Gegenteil davon, ichbitte Sie! Denn wenn Sie sich entschließen, hiervon zu reden, so werden Sie mir vielleicht nicht nur das wiederholen, was ich weiß, sondern auch vieles sagen, was ich nicht weiß.

Es scheint mir aber, entgegnete der Graf lächelnd, Sie habenbei dieser ganzen Angelegenheit eine genügend wichtige Rolle gespielt, um ebensogut wie ich zu wissen, was vorgefallen ist.

Wollen Sie mir versprechen, wenn ich alles sage, was ich weiß, mir Ihrerseits zu sagen, was ich nicht weiß?

Das ist nurbillig, antwortete Monte Christo.

Gut, sagte Morcerf, und sollte es auch auf Kosten meiner Eitelkeit gehen. Ich hielt mich drei Tage lang für den Gegenstand der Liebesblicke einer Maske, die mir als neue Julia oder Poppäa erschien, während ich doch in Wahrheit von einerBäuerin geködert wurde. Ich weiß nur, daß ich Dummkopf einen jungenBanditen von fünfzehnbis sechzehn Jahren mitbartlosem Kinn und von schlankem Wuchse für dieseBäuerin hielt, der im Augenblick, wo ich mir die Freiheit nehmen wollte, einen Kuß auf seine keusche Schulter zu drücken, mir die Pistole vor dieBrust setzte und mich mit Hilfe von sieben oder acht Gefährten in die Katakomben von Sebastiano führte oder vielmehr schleppte. Hier fand ich einen wissenschaftlich gebildetenBanditenanführer, der Cäsars Kommentar las und sich nurbewogen fühlte, seine Lektüre zu unterbrechen, um mir zu sagen, daß ich, wenn ich am andern Morgen um sechs Uhr nicht viertausend Taler in seine Kasse entrichtet hätte, um Viertel auf sieben Uhr zu leben aufhören würde. DerBrief ist noch in Franzens Händen, von mir unterzeichnet und mit einer Nachschrift von Luigi Vampa versehen. Zweifeln Sie an meinen Worten, so schreibe ich an Franz und lasse die Echtheit der Unterschriftenbescheinigen. Das ist alles, was ich weiß. Was ich aber nicht weiß, ist der Umstand, wie es Ihnen gelungen ist, denBanditen so große Achtung einzuflößen. Ich gestehe Ihnen, daß Franz und ich vonBewunderung erfüllt waren.

Nichts ist einfacher, antwortete der Graf; ich kannte denberüchtigten Vampa seit mehr als zehn Jahren. Als er noch ganz jung und Hirte war, gaber mir eines Tages dafür, daß ich ihm irgend eine Goldmünze schenkte, weil er mir den Weg gezeigt hatte, einen von ihm selbst geschnitzten Dolch, den Sie wohl in meiner Waffensammlung gesehen haben. Später,… hatte er nun dieses Vorkommnis vergessen, oder hatte er mich nicht erkannt… wollte er mich einmal festnehmen; es gelang mir aber im Gegenteil, ihn mit einem Dutzend seiner Leute gefangen zu nehmen. Ich konnte Vampa der römischen Justiz ausliefern, die ziemlich rasch zu Werke geht und in seinem Fall sich noch mehr als gewöhnlichbeeilt haben würde, aber ich tat es nicht; ich entließ ihn und die Seinigen.

Unter derBedingung, daß sie nicht mehr sündigen würden, sagte der Journalist lachend. Ich sehe mit Vergnügen, daß sie ihr Wort gewissenhaft gehalten haben.

Nein, entgegnete Monte Christo, unter der einzigenBedingung, daß sie mir und den Meinen Achtung erweisen. Was ich Ihnen sage, kommt Ihnen vielleicht seltsam vor, meine Herren Sozialisten, Progressisten, Humanisten, aber ich kümmere mich nie um meinen Nächsten, ich suche nie die Gesellschaft zubeschützen, die mich nichtbeschützt und sich, ich darf es wohlbehaupten, im allgemeinen nur mit mirbeschäftigt, um mir zu schaden, und indem ich sie gering achte und ihnen gegenüber Neutralitätbeobachte, sind mir die Gesellschaft und mein Nächster das gleiche schuldig.

Das gefällt mir! rief Chateau‑Renaud; das ist der erste Mensch, den ich ehrlich und geradeheraus die Selbstsucht predigen höre. Sehr schön, bravo, Herr Graf!