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Mein Vater, sagte der junge Mann, ich habe die Ehre, Ihnen den Grafen von Monte Christo, den edelmütigen Freund, vorzustellen, den ich so glücklich war unter den Ihnenbekannten, schwierigen Umständen zu treffen.

Der Herr ist willkommen in unserer Mitte, sagte der Graf von Morcerf, Monte Christo mit einem Lächelnbegrüßend; er hat unserem Hause durch Erhaltung seines einzigen Erben einen Dienst geleistet, für den wir zu unauslöschlichem Danke verpflichtet sind.

Mit diesen Wortenbot Morcerf seinem Gaste einen Lehnstuhl, während er sich selbst vor das Fenster setzte. Monte Christo nahm den gebotenen Platz an, richtete es aber so ein, daß er im Schatten der großen Samtvorhänge verborgenblieb, wo es ihm gestattet war, in den Zügen des Grafen, die auffallende Spuren sorgenvoller Ermattung zeigten, eine ganze Geschichte geheimer Leiden zu lesen, die aus den tiefen Furchen sprach, womit ein frühzeitiges Alter sein Gesicht durchzogen hatte.

Graf Morcerf sagte hierauf: Die Frau Gräfin warbei der Toilette, als sie der Herr Vicomte von demBesuchebenachrichtigen ließ, den sie zu empfangen die Ehre haben sollte; sie wird in zehn Minuten hier sein.

Es ist viel Ehre für mich, erwiderte Monte Christo, daß ich schon am Tage meiner Ankunft in Paris mit einem Manne inBerührung treten kann, dessen Verdienst seinem Rufe gleichkommt, undbei dem das gerechte Schicksal keinen Irrtumbeging. Hatte es Ihnen aber nicht auf dem algerischen Kriegsschauplatze einen Marschallsstabanzubieten?

Ich habe den Dienst verlassen, sagte Morcerf, ein wenig errötend. Unter der Restauration zum Pair ernannt, nahm ich meinen Abschied, denn wenn man, wie ich, seine Epauletten auf dem Schlachtfelde gewonnen hat, so versteht man nicht auf dem schlüpfrigenBoden des Salons zu manövrieren. Ich habe den Degen niedergelegt und mich auf die Politik geworfen, widme mich der Industrie und studiere die nützlichen Künste. Während der zwanzig Jahre, die ich im Dienste geblieben, hatte ich wohl Lust hierzu, aber es gebrach mir an Zeit.

Auf diesen Ansichtenberuht die Überlegenheit Ihrer Nation über die anderen Länder, Herr Graf, versetzte Monte Christo. Von vornehmer Herkunft und imBesitz eines schönen Vermögens, haben Sie es doch nicht verschmäht, als gemeiner Soldat von der Pike auf zu dienen, und das ist etwas Seltenes. Zum General, Pair von Frankreich, Kommandeur der Ehrenlegion erhoben, geben Sie sich zu einer zweiten Lehrzeit her, ohne andere Hoffnung und andereBelohnung, als die, eines Tages Ihresgleichen nützlich zu sein. Ah! mein Herr, das ist in der Tat schön, ich sage noch mehr, es ist erhaben!

Albertbetrachtete und hörte Monte Christo mit Erstaunen; er war nicht gewohnt, ihn so enthusiastisch sich ausdrücken zu hören.

Ah! fuhr der Fremde fort, ohne Zweifel, um die unmerkliche Wolke zu verscheuchen, diebei seinen Worten über Morcerfs Stirn hinzog, ah! wir machen es in Italien nicht so, wir wachsen nach unserem Geschlecht und unserer Gattung, und wirbehalten dasselbeBlätterwerk, dieselbe Gestalt und leider oft dieselbe Nutzlosigkeit unser ganzes Leben hindurch.

Aber, entgegnete der Graf von Morcerf, für einen Mann von Ihrem Verdienste ist Italien kein Vaterland; Frankreich reicht Ihnen seine Arme. Entsprechen Sie dem Rufe, den es an Sie ergehen läßt! Frankreich ist nicht immer undankbar; esbehandelt manchmal seine Kinder schlecht, aber für die Fremden zeigt es sich gewöhnlich großherzig.

Ei! sagte Albert lächelnd, man sieht, daß Sie den Herrn Grafen von Monte Christo nicht kennen. SeineBefriedigung liegt außerhalbdieser Welt; er strebt nicht nach Auszeichnungen.

Sie sind Herr Ihrer Zukunft gewesen und haben denBlumenpfad gewählt, sagte der Graf von Morcerf mit einem Seufzer.

Allerdings, erwiderte Monte Christo mit einem Lächeln, das ein Maler schwerlich wiedergeben könnte.

Hätte ich nicht den Herrn Grafen zu ermüdenbefürchtet, sagte der General, offenbar entzückt über die Art seines Gastes, so würde ich ihn in die Kammer geführt haben, es ist heute eine interessante Sitzung.

Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, doch für heute hat man mir mit der Hoffnung, der Frau Gräfin vorgestellt zu werden, geschmeichelt, und ich will lieber hierauf warten.

Ah! da kommt meine Mutter, rief der Vicomte.

Rasch sich umwendend, erblickte Monte Christo wirklich Frau von Morcerf auf der Schwelle der gegenüberliegenden Tür; unbeweglich undbleich, stand sie hier seit einigen Sekunden und hatte die letzten Worte gehört.

Monte Christo erhobsich und machte eine tiefe Verbeugung vor der Gräfin, die sich stumm und zeremoniös verneigte.

Fehlt Ihnen etwas, teure Mutter? rief der junge Vicomte, Mercedes entgegeneilend.

Sie dankte mit einem Lächeln und sagte: Nein, ich fühle mich nur erschüttertbeim ersten Anblick des Herrn Grafen, ohne dessen Eingreifen wir heute in Tränen und Trauer wären. Mein Herr, fügte die Gräfin, mit der Majestät einer Königin vorschreitend, hinzu, ich verdanke Ihnen das Leben meines Sohnes und segne Sie für diese Wohltat. Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, welches Vergnügen es mirbereitet, daß Sie mir Gelegenheit verschafften, Ihnen aus dem Grunde meines Herzens zu danken, wie ich Sie aus dem Grunde meines Herzens gesegnet habe.

Der Graf verbeugte sich abermals, jedoch noch tiefer als das erste Mal; er warbleicher als Mercedes.

Gnädige Frau, sagte er, der Herr Graf und Siebelohnen mich zu großmütig für eine ganz einfache Handlung. Einen Menschen retten, dem Vater eine Qual ersparen, das empfindliche Herz einer Frau schonen, heißt nicht ein gutes Werk, sondern ein Gebot der Menschlichkeit ausführen.

Auf diese mit außerordentlicher Weichheit und Artigkeit gesprochenen Worte erwiderte die Gräfin mit gefühlvollerBetonung: Mein Herr, mein Sohn ist glücklich, Sie seinen Freund nennen zu dürfen, und ich danke Gott, der die Dinge so gelenkt hat.

Mercedes schlug ihre Augen mit grenzenloser Dankbarkeit zum Himmel auf, und Monte Christo glaubte sogar Tränen darin zittern zu sehen.

Herr Graf, fuhr sie fort, werden Sie uns die Ehre erweisen, den Rest des Tages mit uns zuzubringen?

Glauben Sie mir, gnädige Frau, ich weiß Ihnen den größten Dank für Ihr Anerbieten, aber ichbin heute morgen vor Ihrer Tür aus meinem Reisewagen gestiegen. Ich weiß noch gar nicht, wie ich in Paris eingerichtetbin; ich weiß kaum, wo ichbleibe.

So versprechen Sie uns wenigstens, daß wir das Vergnügen ein andermal haben werden, sagte die Gräfin.

Monte Christo verbeugte sich, ohne zu antworten.

Dann halte ich Sie nicht zurück, sagte die Gräfin, denn meine Dankbarkeit soll keine Last für Sie sein.

Lieber Graf, sagte Albert, wenn Sie gestatten, stelle ich Ihnen meinen Wagen zur Verfügung, wie Sie es mir gegenüber in Rom getan haben, bis Sie Zeit gehabt haben, Ihre Equipagen in gehörigen Stand zu setzen.

Ich danke Ihnen tausendmal für Ihre Zuvorkommenheit, Vicomte, aber ich denke, Bertuccio wird die fünf Stunden, die ich ihm gelassen, gut angewendet haben, und ich werde vor der Tür einen Wagen finden.

Albert war an diese Art und Weise des Grafen gewöhnt, er wußte, daß für ihn etwas Unmögliches so wenig zubestehen schien, wie für den Kaiser Nero; er wollte sich aber doch selbst überzeugen undbegleitete daher den Grafenbis an die Tür des Hauses. Monte Christo hatte sich nicht getäuscht; er fand wirklich einen Wagen, der auf ihn wartete. Es war ein prachtvolles Coupé und ein Gespann, das, wie man in der Pariser Gesellschaft wußte, noch am Tage zuvor nicht für achtzehntausend Franken feil gewesen war.

Mein Herr, sagte der Graf zu Albert, ich mache Ihnen nicht den Vorschlag, mich nach Hause zubegleiten, ich könnte Ihnen nur ein improvisiertes Haus zeigen, und ich habe, wie Sie wissen, inBezug auf Improvisationen einen Ruf zu wahren. Bewilligen Sie mir einen Tag und erlauben Sie mir dann, Sie einzuladen. Und er sprang in den Wagen, der sich hinter ihm schloß, und fuhr im Galopp von dem Hause weg, jedoch nicht so schnell, daß er nicht eine unmerklicheBewegung wahrgenommen hätte, welche den Vorhang des Salons zittern machte, wo er die Gräfin zurückgelassen hatte.