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Nun fing der Kater an, nervös im Zimmer auf und ab zu gehen. »Ich habe seinen Turm gesehen«, erklärte er schließlich. »Dort herrscht völlige Finsternis. Es sei denn… Die Keller…«

»Was werden wir jetzt tun?«, unterbrach ich ihn.

»Diese Entscheidung musst du selbst treffen«, meinte der Kater, während er zu mir herüberschielte. »Ich verfüge jetzt über ein klein wenig Kraft. Damit könnte ich die Tür für dich wohl öffnen.«

»Wirklich?« Ich sprang auf. »Kehren wir nach Hause zurück?«

»Ich bringe dich nach Hause«, versprach der Kater.

»Und du?«

»Sonnenkater überlassen eine Welt ohne Sonne nicht ihrem Schicksal.«

»Und ich überlasse meine Freunde nicht ihrem Schicksal!«, fuhr ich ihn wütend an. »Aber nachher, wenn wir gewonnen haben, kannst du mich dann nach Hause bringen?«

»Selbstverständlich.«

Gert beobachtete uns nachdenklich und vergaß darüber ganz seine Pfeife, die langsam ausging. »Wenn ich euch richtig verstanden habe«, sagte er, »gibt es dort, wo ihr herkommt, Wahres Licht?«

»Mehr als genug!«, antwortete der Kater stolz. »Dort hat man es noch nicht verkauft! Hoffe ich zumindest.«

»Und ihr wollt uns helfen?«

»Wir werden es versuchen«, sagte der Kater und tat bescheiden. »Ich bringe das eine oder andere fertig – und auch unser Danka ist nicht der dümmste Junge der Welt.«

In diesem Moment kam Len aus der Küche zurück. Er war über und über mit Mehl bestäubt, versuchte, finster dreinzublicken, wirkte aber eigentlich ganz zufrieden.

»Ich habe mir ein Extrastück Kuchen verdient«, verkündete er stolz, während er sich an den Tisch setzte. »Oder gibt es da Einwände?«

Wir waren alle einverstanden. Vor allem weil der Kuchen, den er zusammen mit Keja gebacken hatte, riesig und extrem lecker und mit Erdbeermarmelade gefüllt war. Die Stücke zählten wir nicht. Als jedoch nur noch eines übrig war, wickelte Keja es vorsichtig in Papier ein und legte es beiseite.

»Das ist… für unseren Enkel«, erklärte Gert mit einem verlegenen Blick auf mich. »Danka, du wirst dich doch nicht rächen, oder? Das tust du doch nicht?«

Ich schwieg. Sie warteten beide auf meine Antwort, Gert und Keja, denn Len hatte ihr inzwischen erzählt, was sich eigentlich abgespielt hatte.

»Damit warte ich, bis wir erwachsen sind«, versprach ich. »Dann werde ich ihm allerdings die Fresse polieren… bei der erstbesten Gelegenheit.«

Der Kater blickte mich streng an.

»Natürlich nur, wenn er sich nicht vorher bei mir entschuldigt«, fügte ich widerwillig hinzu.

Gert streckte die Hand aus und verwuschelte mir das Haar. »Du bist ein guter Junge, Danka«, sagte er zärtlich. »Was auch immer passiert, dir kann die Finsternis nichts anhaben.«

Das Kompliment machte mich verlegen, sodass ich Len zum Aufbruch drängte. Vor der Tür hielt Gert mich zurück und gab mir ein schmales, schwarzes Band.

»Die Flügelträger sollten deine Augen nicht sehen«, erklärte er. »Sonst kommen sie vielleicht auf die Idee, die Strafe noch einmal an dir zu vollziehen. Wir machen kleine Löcher rein und…«

»Das wird nicht nötig sein«, unterbrach ich ihn, während ich das Band am Hinterkopf verknotete. »Das ist ja bloß Stoff. Vielen Dank, Gert. Vielen Dank, Keja, der Kuchen war echt lecker!«

Dann gingen wir zu uns nach Hause. Den Kater trug ich auf dem Arm, und Len führte mich am Oberarm, als wäre ich immer noch blind. Da viele Menschen unterwegs waren, konnte es noch nicht sehr spät sein. Ich betrachtete die Gesichter derjenigen, die uns entgegenkamen. Von den Senioren lächelte uns manchmal einer an. Na ja, oft kam das nicht vor. Aber ein paarmal eben doch.

7. Die Karawane

Shoky besuchte uns erst drei Tage später, bevor Len und ich den zweiten Patrouillenflug antraten. Diese Tage als aufregend zu bezeichnen wäre eine ziemliche Untertreibung. Ich las Unmengen Bücher, darunter auch einige superspannende, jeden Tag trainierten wir das Fliegen, ich brachte Len ein paar Aikido-Tricks bei und sah mir die Bilder an, die Lens Ex-Senior Kurt gemalt hatte.

All das war mit meinem neuen Blick absolut spannend. Ich konnte zum Beispiel zehnmal schneller lesen und wusste oft schon nach den ersten paar Seiten, wie ein Buch endete. Solche Bücher las ich gar nicht erst weiter. Und während ich Len Aikido beibrachte, erkannte ich alle seine Fehler so klar, dass es total einfach war, ihn zu verbessern.

Die Krönung waren aber die Bilder. Ich sah nämlich die Wahren Bilder, und das war, als seien sie offene Fenster in der Wand und nicht bloß bemalte Leinwand. Kurt konnte toll malen, war aber meiner Meinung nach kein sehr guter Mensch. Es gab da zum Beispiel ein ganz rätselhaftes Bild, das Vor dem Kampf hieß. Über einem schwarzen, reglosen Meer und unter einer grauen Wolkendecke flogen Freiflieger und Flügelträger jeweils in einer Reihe. Am Horizont verschmolzen sie zu einer einzigen Kette, die ins Unendliche hineinflog. Obwohl das Bild Vor dem Kampf hieß, war mir klar, dass keine Schlacht stattfinden würde.

Auf einem anderen Bild stürzte ein getöteter Freiflieger über den Bergen ab. Über ihm schwebte ein Flügelträger, der, wenn ich Len glauben durfte, an Kurt erinnerte. Dieses Bild hieß Der Sieger. Der Freiflieger wirkte selbst im Tod stolz und schön. Dagegen war der Flügelträger recht ungelenk gemalt, als habe sich der Künstler geschämt, ihn überhaupt darzustellen.

Es gab noch ein anderes Bild, das mir richtig gut gefiel, das Len aber gar nicht mochte. Das Bild zeigte nämlich Len selbst, der im Schneidersitz in einem Sessel saß und mit gesenktem Kopf zur Seite schielte. Dort waren mit hellen, schönen Farben ein Mann und eine Frau gemalt, die mit einem Glas Wein anstießen. Als Len das Bild betrachtete, erklärte er mit wütender Miene, Kurt habe ständig die Freundinnen gewechselt, aber ihm, Len, habe das überhaupt nichts ausgemacht, weshalb es dumm sei, das Bild Eifersucht zu nennen.

Die ganze Zeit über wollte ich Len fragen, wie Kurt eigentlich gefangen genommen worden war, denn inzwischen hatte ich ja einiges über ihn gehört und machte mir so meine Gedanken. Doch vorläufig vertagte ich dieses Gespräch noch.

Unser zweiter Patrouillenflug war für den Abend angesetzt. Seit dem frühen Morgen futterten wir auf Vorrat und flatterten hin und wieder durchs Zimmer, um die Flügel zu lockern.

Als ich Shoky durch die geschlossene Tür erspähte, suchte ich hektisch nach meiner schwarzen Binde. Am Ende setzte ich mich aber bloß in einen Sessel und schloss die Augen. Len machte Shoky die Tür auf und stellte sich schweigend neben mich.

»Hallo«, begrüßte mich Shoky verlegen.

»Hallo. Wer ist da?«, fragte ich scheu, als wäre ich wirklich seit ein paar Tagen blind. Ich konnte mir diese kleine Rache nicht verkneifen. Währenddessen musterte ich Shoky durch meine fest zusammengepressten Lider. Er biss sich auf die Lippe und sah woanders hin.

»Ich bin’s: Shoky.«

»Weshalb bist du gekommen?«

»Also… eigentlich müsstet ihr ja heute Patrouille fliegen… beim Pfad der Karawane…«

»Das wissen wir, Senior Shoky«, sagte ich ungerührt. »Das geht in Ordnung.«

»Aber… wollt ihr denn wirklich losfliegen?« Die Verwunderung in seiner Stimme zu unterdrücken, das schaffte er. Es war sein Gesicht, das seine Verblüffung verriet.

»Selbstverständlich. Mir bleibt ja wohl keine andere Wahl, oder?«

Vermutlich hatte Shoky uns irgendeinen Vorschlag machen wollen, worauf er jetzt allerdings verzichtete. So erfuhr ich nie, wie er mir hätte helfen wollen.

»Was ist mit deinen Augen, Danka?«, fragte Shoky nach einer Weile. »Hat es sehr wehgetan?«

»Du kannst dir nicht ausmalen, wie sehr«, antwortete ich. »Möchtest du es vielleicht mal ausprobieren? Dann nimm deinen Dolch, der hat schon Erfahrung damit.«