»Ja, ja, die einen ergötzen sich an der Komödie – während andere den Pausenclown mimen müssen«, maulte der Kater. »Wohin gehen wir?«
Erst zuckte Len mit den Schultern, dann ich.
»Also flanieren wir so lange durch die Straßen, bis wir auf etwas Interessantes stoßen«, entschied der Kater.
Während des Spaziergangs ließen wir unsere Blicke in alle Richtungen schweifen. Im Grunde gab es jedoch gar nichts zu sehen. Nur Häuser, Leute, die sich nicht im Geringsten für uns interessierten, und zahllose Laternen.
»Nun, Danka, meinst du immer noch, die Händler könnten hinter der ganzen Geschichte stecken?«, wollte der Kater wissen.
»Ich weiß es nicht«, gab ich zu. »Vermutlich sind sie für eine derartige Schweinerei doch zu dumm.«
»Stell dir einmal die wichtigste Frage!«, verlangte der Kater im Ton eines Oberlehrers von mir. »Die Frage, auf die es einzig ankommt. Wenn du die Frage richtig formulierst, ist darin die Antwort schon enthalten.«
»Du gehst mir auf die Nerven!«, fuhr ich ihn an. »Du weißt doch genau Bescheid – und uns sagst du nichts!«
Der Kater hüllte sich in Schweigen, und wir gingen wortlos weiter, bis ich schließlich hervorbrachte: »Die wichtigste Frage ist: Wem nützt das? Korrekt?«
»Annähernd«, bestätigte der Kater kühl.
»Es nützt den Händlern!«, stieß Len hervor. »Sie nehmen uns aus!« Er sah mich an. »Das stimmt doch, oder, Danka?«
»Unterbrich deinen Senior nicht!«, wies ihn der Kater zurecht. »Diese Jugend! Kennt keinen Anstand und keinen Respekt mehr. Also: Wer ist an allem schuld, Danka?«
»Ich weiß es nicht«, gab ich ehrlich zu. »Aber es nützt den Händlern…«
»Wenn du eine Frikadelle zum Fenster hinauswirfst und die Fliegen sich darauf stürzen, trifft die Fliegen dann irgendeine Schuld?«, bohrte der Kater weiter.
»Wenn sie sich auf die Bulette setzen und ich sie dann vor lauter Ekel nicht mehr essen mag, ja, dann sind sie schuld«, mischte sich Len wieder ein.
Der Kater mauzte verärgert. »Dreht mir nicht das Wort im Mund herum, Jungs! Und begriffen habt ihr bisher rein gar nichts!«
Wieder zogen wir schweigend weiter. Nach und nach veränderte sich die Straße. Die Häuser waren jetzt höher und es gab mehr Laternen. Auch immer mehr von innen beleuchtete Schaufenster mit allerlei Krimskrams.
»Geschäfte!«, rief der Kater, als hätte er schon lange davon geträumt, shoppen zu gehen. »Haben wir Geld, Danka?«
»Ja.«
»Dann komm.«
Er sprang von Lens Arm herunter und steuerte auf eine der Türen zu. Ich zuckte bloß mit den Schultern.
Im Geschäft war es hell, sogar zu hell. In dem Raum brannten fünf Lampen, doch an denen lag es nicht. Aber überall – an den Wänden und in den Regalen – funkelten Spiegel, die das Licht zurückwarfen.
»Kauf den, vor dem ich anfange, mich zu putzen«, trug mir der Kater, dieser alte Verschwörer, auf.
Der Besitzer des Ladens kam auf uns zu, ein hohlwangiger Mann mit schwarzen Haaren. Er erinnerte kaum an die Händler, die wir schon kennengelernt hatten, trat aber ganz mit der Souveränität eines Geschäftsinhabers auf.
»Wollen die jungen Leute etwas kaufen?«, fragte er höflich, wenn auch nicht allzu interessiert. »In unserer Stadt muss man dergleichen bezahlen…«
»Ich weiß«, sagte ich, wobei ich den Kater beobachtete, der langsam an der Wand entlangstolzierte und sich in jedem Spiegel betrachtete. »Wir können zahlen.«
Sofort änderte sich der Ausdruck im Gesicht des Mannes. »Was für ein herrlicher Tag! Meine Kundschaft ist ja durchaus zahlreich, aber Flügelträger – das Vergnügen hatte ich bislang noch nicht! Womit kann ich dienen?«
»Mit einem Spiegel«, sagte ich. Was eine ziemlich dämliche Antwort war.
»Sicher. Aber mit was für einem?« Der Mann fuchtelte theatralisch mit der Hand. »Mit einem kleinen oder einem großen, für zu Hause oder für die Reise, einem runden oder einem quadratischen, einem neuen oder einem alten, gerahmt oder ungerahmt, mit Edelsteinen besetzt oder…«
Inzwischen hatte sich der Sonnenkater vor einen kleinen, runden Spiegel in einem schlichten Holzrahmen gehockt und angefangen, sich zu putzen.
»Ach, etwas ganz Einfaches«, sagte ich erleichtert. »Der da zum Beispiel würde absolut genügen.«
Der Händler drehte sich um und starrte den Kater an. »Woher kommt dieses Viech?«
Empört stellte der Kater die Putzerei ein und machte einen Buckel.
»Der gehört zu uns«, erklärte ich. »Keine Sorge, er wird nichts kaputt machen.«
»Wenn er etwas kaputt macht, werdet ihr es bezahlen«, erklärte der Mann unerschüttert. »Diesen also…«
Er nahm den Spiegel so behutsam von der Wand, als wäre es eine Kristallvase.
»Bei diesem Spiegel handelt es sich um die Arbeit eines alten Meisters. Er ist so alt, dass ich ihn nicht verkaufen möchte. Selbst zwanzig Taler wären nicht genug…«
»Gehen wir!« Ich zog Len am Arm fort.
»Wartet!«, rief der Verkäufer nervös. »Vielleicht finden wir ja einen Kompromiss!«
Eine Viertelstunde später waren wir um drei Taler ärmer, hielten jedoch den eingewickelten Spiegel in Händen und verließen den Laden.
»Aber eigentlich hat er uns doch übers Ohr gehauen, oder?«, meinte Len.
»Er glaubt, uns übers Ohr gehauen zu haben«, entgegnete der Kater vergnügt. »Im Grunde hat jedoch er das Nachsehen – und zwar gewaltig.«
»Das ist ein Wahrer Spiegel, stimmt’s?«, fragte ich.
»Stimmt«, bestätigte der Kater. »Meine Hochachtung, Danka.«
»Ich weiß sogar noch mehr«, sagte ich mit einem Augenzwinkern. »Ich weiß, wofür wir den brauchen. Wir machen noch einen Kater! Damit du einen Freund hast. Nicht wahr?«
Der Kater, der bis eben friedlich in Lens Armen gelegen hatte, sprang runter auf die Straße. »Was?«, kreischte er los. »Du Dummkopf! Sonnenkater macht man doch nicht einfach so! Und wozu bräuchtet ihr noch einen? Reiche ich euch nicht mehr?«
»Tut mir leid, es war nur Spaß«, stammelte ich. »Aber wozu willst du dann…«
»Wenn dieser Hohlkopf von Verkäufer keine Ahnung hatte, was für einen Spiegel er da anbot«, schimpfte der Kater weiter, »dann ist es sein Pech! Jetzt brauchen wir jedenfalls noch eine Waffe. Eine gute Waffe. Um die Freiflieger zu besiegen. Und eine gute Waffe kaufst du nicht für zehn Taler. Du dummer, dummer Junge…«
Er fing an, sich nervös zu putzen.
»Tut mir leid«, wiederholte ich.
»Wenn du so ein Schlaukopf bist, dann blick doch mal in den Spiegel«, schlug der Kater plötzlich vor. »Willst du?«
Verwirrt sah ich auf das Paket in meinen Händen. Hineinsehen? Und… mein eigenes Wesen erkennen?
»Nein«, antwortete ich leise. »Nein, das will ich nicht.«
»Eine kluge Entscheidung«, urteilte der Kater, der seine Empörung wieder im Griff hatte. »Es würde dir nicht gefallen, das kann ich dir versichern.«
Die Fußgänger verfolgten mit neugierigen Blicken die seltsame Szene: zwei Flügelträger, die vor einem Kater standen. Aber bestimmt sah es so aus, als ob es Len und ich waren, die sich miteinander unterhielten.
»Gehen wir weiter!«, sagte der Kater nach einer Weile. »Und haltet die Augen offen! Nach einem Schaufenster mit Waffen.«
Wir mussten lange suchen. Anscheinend erfreuten sich Waffen keiner sonderlichen Beliebtheit, und sicher kam es nicht oft vor, dass Gäste wie wir in der Stadt der Händler auftauchten. Irgendwann bemerkte Len eine Tür, über der ein Schild mit zwei gekreuzten Schwertern prangte. Ein Schaufenster gab es aber nicht.
»Versuchen wir unser Glück«, brummte der Kater. Wir betraten den Laden. Sobald wir durch die Tür waren, wussten wir, dass wir uns nicht geirrt hatten.
Der Raum war lang und schmal wie ein Korridor. Die Wände überzog ein enges Eisengitter, das die Waffen an die Steinmauer presste. Angesichts ihrer Vielfalt gingen mir die Augen über. Schwerter, Dolche, Armbrüste, Säbel, Lanzen, Äxte – und noch etliche andere scharfe und spitze Gegenstände, deren Namen ich nicht wusste.