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»Wo ist das?«, fragte Bilbo.

»Unterbrich mich nicht!«, sagte Gandalf. »Du wirst in ein paar Tagen dort sein, wenn wir Glück haben, und dann erfährst du alles darüber. Wie gesagt, ich traf zwei von Elronds Leuten. Sie hatten es eilig, aus Angst vor den Trollen. Von ihnen hab ich erfahren, dass drei solche Kerle aus dem Gebirge gekommen sind und sich in den Wäldern unweit der Straße niedergelassen haben. Alle Bewohner der Gegend sind vor ihnen geflüchtet, und Reisenden haben sie aufgelauert.  

Da hatte ich gleich so ein Gefühl, dass ich bei euch gebraucht würde. Als ich in die Richtung blickte, aus der ich gekommen war, sah ich in der Ferne ein Feuer und hielt darauf zu. So, nun weißt du Bescheid. Bitte seid nächstes Mal etwas vorsichtiger, oder wir kommen nirgendwohin!«

»Danke!«, sagte Thorin.

III

Eine kurze Rast

Obwohl das Wetter besser wurde, sangen sie an diesem Tag keine Lieder und erzählten sich keine Geschichten; auch nicht am nächsten Tag und am übernächsten. Allmählich hatten sie das Gefühl bekommen, dass zu beiden Seiten des Weges Gefahr lauerte. Nachts lagerten sie unter den Sternen, und für ihre Pferde war besser gesorgt als für sie; denn Gras gab es genug, aber in ihren Proviantsäcken war nicht mehr viel, trotz allem, was sie aus der Trollhöhle mitgenommen hatten. Eines Vormittags durchquerten sie einen Fluss an einer flachen, breiten Furt, wo das Wasser laut und schäumend über Steine brauste. Das andere Ufer war steil und schlüpfrig. Als sie, die Ponys am Zügel führend, hinaufgelangten, sahen sie, dass ihnen die hohen Berge nun schon sehr nahe gerückt waren. Bis zum Fuß des nächstgelegenen schien es nur noch eine bequeme Tagesreise zu sein. Trüb und dunkel sah er aus, obwohl seine braunen Flanken vom Sonnenschein gefleckt waren und hinter seinen Schultern schneebedeckte Gipfel schimmerten.

»Ist er das, der Berg?«, fragte Bilbo in andächtigem Ton und machte große Augen. So ein großes Ding von einem Berg hatte er noch nie gesehen.

»Natürlich nicht!«, sagte Balin. »Das ist erst der Rand des Nebelgebirges, und da müssen wir irgendwie durch, drüber weg oder drunter, um nach Wilderland auf der andern Seite zu kommen. Und auch jenseits der Berge ist es noch ein Stück weit bis zum Einsamen Berg im Osten, wo Smaug auf unserem Schatz liegt.«

»Oh!«, sagte Bilbo. Er konnte sich nicht erinnern, schon einmal in seinem Leben so müde gewesen zu sein wie jetzt. Er musste wieder an seinen behaglichen Sessel vor dem Kaminfeuer denken, sein liebstes Plätzchen in seiner Hobbithöhle, und an den singenden Teekessel. Es sollte nicht das letzte Mal sein.

Gandalf ritt nun voran. »Wir dürfen den Weg nicht verlieren, oder es ist aus mit uns«, sagte er. »Wir brauchen Essvorräte, das ist das eine, und ein leidlich sicheres Quartier für eine Rast. Außerdem ist es unbedingt notwendig, ins Nebelgebirge auf dem richtigen Weg einzusteigen, sonst verirrt ihr euch dort und müsst umkehren und es von neuem versuchen, wenn ihr überhaupt zurückkommt.«

Sie fragten ihn, wo er denn hinwolle, und er antwortete: »Ihr seid jetzt ganz am Rande der Wildnis, wie manche von euch wohl wissen. Irgendwo vor uns liegt ein schönes, verborgenes Tal, Bruchtal, wo Elrond im Letzten Heimischen Haus wohnt. Ich habe ihm durch meine Freunde eine Nachricht geschickt, und wir werden erwartet.«

Das klang gut und beruhigend, aber noch waren sie nicht dort, und es erwies sich als gar nicht so leicht, das Letzte Heimische Haus westlich des Gebirges zu finden. Das Gelände vor ihnen schien nicht durch Bäume, Täler oder Hügel gegliedert, sondern ein einziger breiter Hang zu sein, der sachte zum Fuß des nächsten Berges hin anstieg, ein weites, heidekrautfarbenes Land voller Felsgeröll, mit Flecken und Streifen von Gras- oder Moosgrün, die vielleicht Wasser anzeigten.

Der Vormittag verging, der Nachmittag kam, doch in der stillen Einöde war noch immer kein Anzeichen einer Behausung zu sehen. Sie wurden immer unsicherer, denn sie erkannten nun, dass das Haus fast überall zwischen ihnen und den Bergen versteckt liegen konnte. Sie kamen zu Tälern, schmal und mit steilen Hängen, die ganz plötzlich vor ihren Füßen abfielen, und sie blickten überrascht auf Baumwipfel und einen Wasserlauf am Talgrund hinab. Es gab Rinnen im Boden, die sie fast überspringen konnten, aber sehr tief und mit Wasserfällen auf dem Grund. Sie sahen dunkle Schluchten, die man weder überspringen noch durchklettern konnte. Es gab Sumpflöcher, manche davon grün und ein freundlicher Anblick mit leuchtenden, hoch aufgewachsenen Blumen, aber wäre ein Pony mit seiner Last auf dem Rücken da hineingeraten, wäre es nicht wieder herausgekommen.

Der Landstreifen zwischen der Furt und den Bergen war überhaupt viel breiter, als sie gedacht hatten. Bilbo war erstaunt. Der einzige Weg war mit weißen Steinen markiert, von denen manche ziemlich klein und manche halb von Moos oder Heidekraut überwachsen waren. Obwohl Gandalf sie führte, der sich halbwegs auszukennen schien, war diese Spur schwer zu verfolgen, und sie kamen nur langsam voran.

Gandalfs Kopf und Bart zuckten hin und her, wenn er nach den Steinen suchte, und sie ritten ihm nach, aber als es zu dämmern begann, schienen sie ihrem Ziel nicht näher gekommen zu sein. Die Teestunde war längst vorüber, und die Abendbrotzeit wäre es wohl auch bald. Motten umflatterten sie, und das Licht wurde sehr trüb, denn der Mond war noch nicht aufgegangen. Bilbos Pony begann über Wurzeln und Steine zu stolpern. Sie kamen an einen steilen Hang, wo der Boden so plötzlich vor ihnen abfiel, dass Gandalfs Pferd beinah hinunterrutschte.

»Endlich, hier ist es!«, rief er, und die anderen drängten sich heran und blickten hinab. Tief unten sahen sie ein Tal liegen. Auf dem Grunde rauschte ein schnellfließendes Wasser in einem steinigen Bett; Geruch von Bäumen erfüllte die Luft, und vom andern Ufer des Baches auf der entfernteren Talseite schimmerte ein Licht herüber.

Niemals vergaß Bilbo, wie sie in der Dämmerung rutschend und schlitternd den steilen Zickzackpfad in das verborgene Tal hinuntergelangten. Die Luft wurde wärmer, je weiter sie hinabkamen, und der Kiefernduft machte ihn schläfrig, so dass er einige Mal einnickte und beinah vom Pony gefallen wäre oder mit der Nase an den Hals des Tieres stieß. Während des Abstiegs hob sich ihre Stimmung. Die Kiefern wurden von Buchen und Eichen abgelöst, und das Zwielicht schien eine behagliche Nachtruhe zu versprechen. Das Grün des Grases war fast zu einer Ahnung verblichen, als sie schließlich auf eine Lichtung nicht weit oberhalb des Bachufers hinauskamen.

»Hmhm, das riecht schon nach Elben!«, dachte Bilbo und blickte auf zu den Sternen. Sie schimmerten hell und bläulich. Zwischen den Bäumen am Rand der Lichtung brach plötzlich ein Gesang hervor, der wie Gelächter klang:

Was sehen wir da denn, Wer kommt da zu Pferde Mit wehenden Bärten Herab bis zur Erde? Die Kurzen und Breiten! Ja, könnt ihr denn reiten?
Wohin denn so eilig, Und was wollt ihr suchen? Es riecht schon erfreulich Nach Braten und Kuchen. Eure Ponys sind müde, Nun lauscht unserm Liede! Haha!
Was gibt’s zu berichten An Dichtung und Wahrheit? Erzählt uns Geschichten, Dass sich das Haar sträubt! Ihr könnt heut nicht weiter, Drum steigt ab, ihr Reiter! Ihr kühnen Streiter! Haha!
Nun lasst euer Eilen, Bleibt hier zum Verweilen, Esst tüchtig, singt munter, Der Tag geht schon unter. Das Ziehn wär betrüblich, Das Bleiben gemütlich. So lauscht unserem Sang, Der hat guten Klang Die ganze Nacht lang Haha!

So sangen und alberten sie in den Bäumen – reines Geblödel, werdet ihr sagen? Das würde sie nicht kümmern; sie würden nur umso lauter lachen, wenn ihr es ihnen sagtet. Es waren eben Elben. Bald, als es dunkler wurde, bekam Bilbo auch hier und da etwas von ihnen zu sehen. Er mochte die Elben, obwohl er nur selten einem begegnet war; aber ganz ohne Furcht vor ihnen war er auch nicht. Die Zwerge stehen sich mit den Elben nicht gut. Sogar ganz vernünftige Zwerge wie Thorin und seine Freunde finden die Elben allzu närrisch (was wiederum von den Zwergen nicht so ganz vernünftig ist) und sind schnell gereizt, wenn sie von ihnen veralbert werden, meistens wegen ihrer langen Bärte.