Выбрать главу

Doch der Märchenhimmel über den drei Hausbesitzern, mit seinen goldenen, grünen, blauen und weißen Sternen, dieser uralte funkelnde Himmel übertraf auch diesmal die Welt der Glühbirnen, so schön sie sein kann.

»Ich bin ja nicht neugierig«, meinte Mäxchen, als er es sich in der alten Streichholzschachtel bequem machte, »aber wo ist eigentlich meine Wohnung geblieben?«

Professor Jokus von Pokus räkelte sich in dem breiten französischen Bett zurecht, das ihm seit heute gehörte, und fragte beiläufig: »Was denn für eine Wohnung?«

Mäxchen sagte: »Die Zweizimmerwohnung. Wer weiß, wo Rosa sie hingestellt hat.«

»Sie steht nirgends. Rosa hat uns, als wir ankamen, alle Zimmer gezeigt. Ich bin doch nicht blind.«

»Nein, das kann man dir nicht vorwerfen. Vielleicht hat sie beim Umzug vergessen, sie einzupacken?«

»Ihr zwei macht mir Spaß«, meinte Mäxchen verdrossen. »Eher hätte sie ihren Namen vergessen als meine niedliche Wohnung. Das weiß ich. Und ich weiß noch etwas: Ihr habt schon wieder Heimlichkeiten vor mir.«

»Das ist natürlich auch möglich«, sagte der Jokus. »Um Weihnachten herum kommt das vor. Weil du aber Heimlichkeiten nicht leiden kannst, werde ich dir jetzt klipp und klar erzählen, was wir dir bis zum Heiligabend verschweigen wollten. Also ...«

»Hör auf!«, rief Mäxchen. »Ich will es gar nicht mehr wissen. Ich bin ein kleiner Schafskopf.«

»Irrtum«, sagte der Jokus. »Du bist ein großer Schafskopf. Und man lösche das Licht aus, ja? Der Herr Zauberkünstler sind müde.«

»Der kleine Herr Schafskopf auch«, murmelte Mäxchen und drückte auf den Knopf der Nachttischlampe.

Am 24. Dezember nach dem Mittagessen fuhr ein Kombiwagen durchs Tor der Villa >Sorgenklein<. Drei Männer kletterten heraus, trugen Kisten und Kasten und allerlei Geräte in den Garten und machten sich, auf halbem Wege zwischen der Terrasse und der Villa, in der Wiese zu schaffen. Was sie dort trieben, war nicht zu sehen.

Außerdem musste Mäxchen die zwei Meter hohe Tanne schmücken, die im Wohnzimmer stand. Er hüpfte, leicht wie ein Vogel, von Zweig zu Zweig, steckte Kerzen fest, hängte Glaskugeln, Zuckerkringel und Engelshaar in den Baum. Der Jokus stand wie ein General daneben und sagte nur: »Die blaue Kugel etwas weiter rechts ... Die dritte Kerze am vierten Ast von unten steht schief ... Den Schokoladenring mehr in die Mitte ... Noch ein bisschen ... Das war zu viel .«

Rosa schaute zu ihnen ins Zimmer, erklärte: »So gut möchte ich’s auch mal haben«, und wollte wieder in die Küche zurück. »Kannst du nicht hier bleiben?«, fragte Mäxchen. »Wir könnten dich gut gebrauchen.«

»Wofür denn?«

»Als Marzipan am Christbaum!«

Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Du bist und bleibst das nichtschmutzigste, nein, das nichtsnutzigste Kind, das ich kenne.«

Aber Mäxchen, der sich in einem Zuckerkringel schaukelte, rief: »Warte nur ab, bis du selber welche hast.«

Da räumte sie das Feld, murmelte: »Ich glaube, der Gänsebraten verbrennt«, und fort war sie.

Als es hübsch dunkel geworden war, zündeten sie am Baum die Lichter an, ließen ein paar Wunderkerzen zischen und sprühen, sangen >O du fröhliche<, und jeder gab jedem einen Kuss. Das machte insgesamt sechs.

»Andere Geschenke gibt es nicht«, erklärte der Jokus energisch. »Wir haben einander die Villa geschenkt. Das ist Bescherung genug.«

»Ihr Schwindler«, meinte Mäxchen seelenruhig. »Wo ist denn meine Zweizimmerwohnung? Und was haben die Leute mittags im Garten gemacht?«

»Na schön«, sagte der Jokus. »Es ist zwar nicht üblich, am Heiligabend im Garten Ostereier zu suchen, aber wir können ja einmal nachschauen.« Er steckte den Jungen in die Brusttasche. Rosa nahm zwei Klappstühle. Und so spazierten sie ins Freie.

Zunächst zeigten ihnen die beiden Scheinwerfer am Dach der Villa den Weg. Dann wurde es für kurze Zeit finster. Doch ganz plötzlich begann es in der Wiese zu schimmern und zu leuchten und zu flimmern, als hielten, zu ihren Füßen, tausend Glühwürmchen ihre Weihnachtsfeier ab. Doch es waren keine tausend Glühwürmchen, sondern es war ein kleines Haus, kaum höher als zwanzig Zentimeter, und aus allen Fenstern zwinkerte Licht.

Mäxchens Zweizimmerwohnung mit Bad und Küche nahm den ersten Stock ein. Im Erdgeschoss lagen ein Arbeits- und ein Spielzimmer, sowie ein Turnsaal mit einem Duschraum. Eine Treppe war natürlich auch da. Sie führte bis ins Dachgeschoss, und auch hier oben, im schrägen Dach, glänzten drei Fenster.

Rosa und der Jokus saßen auf den Klappstühlen, schwiegen und lächelten zufrieden. Wisst ihr übrigens, was Mäxchen sagte? Er sagte gar nichts! Es gibt solche Kinder. Je mehr sie sich freuen, umso stiller werden sie. Mir ging es, als ich ein kleiner Junge war, ganz genauso. Und manche Erwachsene verstehen das falsch. Das ist schade, lässt sich aber nicht ändern.

Das Marzipanfräulein und der Professor gehörten glücklicherweise nicht zu der falschen Sorte. Sie konnten warten, und so warteten sie. Sie blieben auch still, als Mäxchen am Jokus hinunterkletterte, langsam zu dem Häuschen schlich und durch die Fenster blickte. Er konnte sich nicht satt sehen.

Schließlich räusperte sich der Jokus. »Willst du den Schlüssel haben und hineingehen?«

Der kleine Mann schüttelte den Kopf.

»Der Schlüssel ist entsetzlich klein. Vielleicht verlieren wir ihn«, meinte Rosa.

Mäxchen schüttelte wieder den Kopf, lief plötzlich auf das Paar zu, kletterte am Jokus hoch, kroch in die Brusttasche und sagte ein einziges Wort. »Morgen«, sagte er.

Am ersten Feiertag, also am 25. Dezember, war er munter und vorlaut wie immer. Der Jokus nahm eine Kamelhaardecke mit und setzte sich, weil das Wetter mild und sonnig war, vor dem Liliputhaus mitten in die Wiese. Mäxchen inspizierte inzwischen sein Eigenheim vom Keller bis zum Boden, und immer wieder einmal riss er ein Fenster auf und rief: »Hier steht ja das Hochreck aus Pichelstein!« und: »Auch meine Bibliothek ist da!« und: »Ist das ein richtiges Telefon?«

»Natürlich, mein Kleiner. Und wenn du die Nummer 01 wählst, meldet sich eine uns nicht ganz unbekannte Dame.«

Mäxchen hockte sich in den Lehnstuhl und wählte die Nummer 01. (So einen kleinen Apparat habt ihr noch nie gesehen.)

»Wer spricht?«, fragte er. »Mademoiselle Rosa? Sind Sie es höchstpersönlich? Mein Name ist Hausbesitzer Max Pichelsteiner. Ich begrüße Sie auf das Herzlichste ... Was tut Not? ...

Eile? . Wieso? Warum sollen wir denn schon jetzt zum Essen kommen? ... Waaas?« Der kleine Mann starrte zum Professor hinaus und legte auf. »Weißt du, was sie gefragt hat?«; rief er.

»Nein, mein Kleiner.«

»Ob wir zwei Spielmätze verschwitzt hätten, dass 15 Uhr 15 eine interessante Fernsehsendung gezeigt wird.«

Der Jokus blickte auf die Uhr und sprang hoch. »Wie die Zeit vergeht, wenn man nichts zu tun hat! Komm, mach die Fenster zu und schließ die Tür ab!«

Als sie dann schließlich durch die Wiese zurückmarschierten, hatte es Mäxchen wieder einmal mit dem Dichten. Er sang:

»Wohlauf zu frischen Taten! Es riecht nach Gänsebraten. Das merkt sogar ein Kind. Als Nachtisch gibt es Fernsehn. Da werden wir zwei Herrn sehn, die werden wir sehr gern sehn,  weil wir es selber sind!«

An diesem Nachmittag saßen viele Millionen Kinder mit ihren Eltern vorm Fernsehschirm und hatten eine halbe Stunde lang rote Ohren. Sie sahen Pichelstein und den Zirkus, den Zauberprofessor mit dem weißen Kaninchen und den beiden Tauben, die drei Schwestern Marzipan als Luftspringerinnen, und sie sahen, das war die Hauptsache, mit eignen Augen den fünf Zentimeter großen Jungen, der in einer Streichholzschachtel schlief. Sie sahen und hörten, wie er beim Jokus Lesen und Schreiben lernte. Sie erlebten, wie die beiden in einem Herrengeschäft die Schaufensterpuppe kauften und wie dann Mäxchen, im Hotelzimmer, auf dem Schönen Waldemar die Kunst des Kletterns übte. Die Sendung endete mit dem Lied vom >Leutnant Unsichtbar<, und die Ansagerin wies auf die Fortsetzung am Sonntag in vierzehn Tagen hin.