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Am Nachmittag saßen die Großen, von all den festlichen Anstrengungen erschöpft, im Wohnzimmer der >Villa Sorgenklein< und tranken starken Kaffee. Mister Drinkwater berichtete über den Erfolg der Fernsehserie >Der kleine Mann< sowie über den für Ostern geplanten Start des Films in tausend Kinos. Und er erzählte auch, dass die Reportage über Senor Lopez großes Aufsehen erregt habe. Die Interpol sei ihm dicht auf den Fersen.

»Er wird wieder Fersengeld zahlen«, meinte Direktor Brausewetter, »reich genug ist er ja.« Nun war das zwar kein umwerfender Witz, doch weil er von ihm selbst war, lachte er, bis ihm der Magen wehtat. Vielleicht lag es aber auch an den Tischblumen. Wer kann das wissen? Es ist schwer, in das Innere eines Menschen zu blicken.

»Nun zu etwas Wichtigerem als Ihrem Magendrücken«, sagte Drinkwater. »Ich habe seit gestern einen Plan.«

»Lass ihn fallen«, erklärte der Jokus.

»Erlaube mal«, rief Drinkwater. »Du kennst doch meinen Plan gar nicht.«

»Selbstverständlich kenne ich ihn. Du willst mit Mielchen und Mäxchen einen Film drehen.«

»Du bist ein Gedankenleser. >Der kleine Mann und die kleine Miss< soll der Film heißen.«

»Das klingt hübsch«, meinte Mrs. Simpson und blickte den Filmonkel aus Amerika erwartungsvoll an.

Mister Drinkwater begann: »Zunächst möchte ich ...«

»Mir geht es genau wie dir«, unterbrach ihn der Professor. »Auch ich möchte noch eine Tasse Kaffee. Wie wäre es, wenn die Dame des Hauses und die Hausdame in die Küche marschierten und einen Mokka brauten, der alle Sprachen spricht? Vielleicht sogar Türkisch?«

»Sehr wohl, mein Gebieter«, flüsterte Rosa und verneigte sich orientalisch. Dann zwinkerte sie dem Gebieter zu und zog Mielchens Mutter aus dem Zimmer.

»Was soll denn das?«, fragte Mister Drinkwater gereizt. »Warum muss ich denn türkischen Mokka trinken?«

»Damit Mrs. Simpson nicht hört, was ich dir jetzt klipp und klar sagen werde«, erklärte der Jokus, und seine Stimme klang sehr energisch. »Diesen Film wirst du nicht drehen! Kaum haben sich Mielchen und ihre Mutter von ihrer Zeit in Alaska erholt, kommst du daher und willst sie, als Schauspieler, noch einmal in das gleiche Elend zurückjagen - was fällt dir eigentlich ein?«

»Im Allgemeinen ist er ja ein guter Kerl«, meinte Direktor Brausewetter. »Nur beim Topfschlagen oder wenn er Filmpläne hat, wird er roh wie ein Fleischerhund.«

Mister Drinkwater nagte eine Minute an der Unterlippe. Dann sagte er: »Okay, gentlemen.«

»Du gibst den Plan auf?«, fragte der Jokus erleichtert.

Drinkwater lächelte. »Darüber unterhalten wir uns in einem Jahr.«

Mielchen und Mäxchen saßen in ihrer >Villa Glühwürmchen< gemütlich am offenen Fenster und übten Faulsein. Es stand als Pflichtfach auf dem Stundenplan, der an der Wand hing. >Faul-sein, täglich 15 bis 16 Uhr, auch sonntags<, hatte der Jokus in Schönschrift eingetragen.

Mäxchen musterte die tickende Pendeluhr überm Sofa. »Noch vier Minuten«, stellte er fest. »Dann können wir wieder Krach machen. Was wollen wir spielen? >Frau Vogelbauer beim Friseur<? Oder >Der Opernsänger hat den Keuchhusten<?«

»Bis die Uhr schlägt, bin ich faul«, sagte Mielchen und betrachtete die Gänseblümchen vorm Fenster. Sie waren so groß wie Mielchen selbst. Und daneben wuchs ein Himmelschlüsselchen, das war sogar einen Kopf größer.

»Oder wir gehen in den Turnsaal«, schlug er vor. »Ich mache am Hochreck die Riesenwelle, und du fängst mich auf. Wie wäre das? Auch nicht?«

Sie legte den Finger vor die Lippen.

»Na schön«, brummte er. »Faul, fauler, am faulsten.« Und dann blickten sie in die Wiese, bis die Wanduhr viermal geschlagen hatte. »So«, rief er tatendurstig, »jetzt geht’s los! Aber was?«

Mielchen lachte ihn an. »Ich weiß was. Wir spielen >Das kleinste Ehepaar der Welt<. Das ist ein Spiel ganz für uns allein, weil andere Kinder dafür viel zu groß sind.«

Mäxchen war Feuer und Flamme. »Jawohl«, rief er. »Womit fangen wir an? Mit dem Polterabend?«

»Bloß nicht«, sagte sie entsetzt. »Geschirr zerschlagen, das könnte dir so passen!«

»Oder: Wir sind schon ein paar Jahre verheiratet, und ich komme von einer Reise zurück. Wir fallen uns um die Hälse, freuen uns, dass wir gesund geblieben sind .«

». und dann fragst du, wo die Kinder stecken«, meinte Mielchen. »Das ist gut.«

»Was denn für Kinder?«, fragte Mäxchen.

»Na hör mal«, sagte sie. »Unsere eignen! Wir sind doch verheiratet und haben zwei. Einen kleinen Jungen und ein kleines Mädchen. Er heißt Fridolin, und sie heißt vielleicht Kunigunde. Ist dir das recht?«

»Fridolin und Kunigunde? Schön. Dann also los!« Und schon flitzte er aus dem Zimmer. Mielchen strich ihr Kleid glatt und stellte sich erwartungsvoll auf den Teppich.

Dann hörte sie im Flur schwere Schritte, und eine Stimme rief: »Hallo! Wo ist denn meine liebe Frau?«

»Hier, mein lieber Mann«, rief sie laut zurück. »Hier ist deine liebe Gemahlin.« Sie breitete die Arme aus, so weit sie konnte.

Mäxchen riss die Tür auf, strahlte und sagte: »Da bin ich wieder.«

»Blühend siehst du aus«, sagte er auch noch. Dann stolperte er versehentlich über den Teppichrand und fiel ihr nicht um den Hals, sondern auf seine Nase. Darüber gerieten sie ins Kichern. Doch das ging vorbei.

Als sie, Hand in Hand, auf dem Sofa saßen, fragte sie zärtlich: »Was macht dein Husten? Wie waren die Geschäfte? Hast du großen Hunger? Wie war der Flug? Ist mein Liebling sehr müde? Soll ich dir den Schlafrock holen? Willst du einen Whisky? Oder einen Tom Collins? Warum sagst du denn gar nichts, mein Schatz?«

Mäxchen räkelte sich genüsslich. »Endlich wieder daheim«, meinte er. »Endlich wieder diese himmlische Ruhe in den eignen vier Wänden .«

Sie stieß ihn an und flüsterte: »Jetzt musst du nach den Kindern fragen.«

Er nickte kurz. Dann fragte er laut: »Hatten wir, bevor ich verreiste, nicht ein paar Kinder? Zwei oder drei?«

»Zwei, mein lieber Mann. Den goldigen Fridolin und Kunigunde, unser Zuckerpüppchen.«

»Richtig, meine liebe Frau! Sind sie, während ich fort war, tüchtig gewachsen?«

»Leider nein. Ich habe sie gestern mit dem Lineal nachgemessen. Fridolin und auch Kunigündchen sind nach wie vor nur fünf Millimeter groß. Viel ist das nicht. Dabei essen sie wie die Scheunendrescher.«

»Fünf Millimeter sind ein halber Zentimeter.«

»Gewiss, mein kluger Mann.«

»Und wo stecken sie jetzt, statt an ihrem Vater hochzuklettern?«

»Schimpfe nicht«, bat Mielchen. »Aber ich musste sie in die Schnellwäscherei bringen. Dort hängen sie zum Trocknen auf der Leine.«

Mäxchen schien entsetzt zu sein. »Ist das dein Ernst?«

»Nein«, rief sie. »Das ist nicht mein Ernst, sondern unser Fridolin! Und nach Kunigündchen fragst du gar nicht erst. Es ist ja nur ein Mädchen!«

»Erzähle, was passiert ist, oder ich zerhacke die Kommode«, knurrte er.

»Sie waren plötzlich beide weg. Ich rief und suchte und kroch durchs ganze Haus. Nichts. Endlich fiel mir der Staubsauger ein! Ich hatte alle Zimmer geputzt .«

». und der Staubsauger hatte die Kinder verschluckt?«

»Ja. Sie saßen bis über die Ohren im Dreck, als ich den Beutel aufmachte. Staub und Teppichhaare und Zigarettenasche und Blumenerde - und dazwischen unsere beiden Lieblinge! Nicht zum Wiedererkennen. Verschmiert, verklebt, hustend, mit Rotznasen, und wie sie heulten!«

»Die lieben Kleinen«, meinte Mäxchen ergriffen.

»Ich stopfte sie in eine Tragtüte und sauste zur Schnellwäscherei.«