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«Melde mich zur Stelle, Sir», sagte ich keck.

Sir Eustace blieben die Worte im Mund stecken, und er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Miss Pettigrew musste trotz ihrer kräftigen Figur nervös sein, denn sie fuhr wie von einer Tarantel gestochen von ihrem Stuhl auf.

«Du meine Güte!», stieß Sir Eustace aus. «Hat Sie Ihr Liebhaber in Durban vielleicht versetzt?»

«Ich ziehe Sie vor, Sir Eustace», antwortete ich.

Miss Pettigrew hüstelte, und Sir Eustace räusperte sich. «Ja, Miss Pettigrew, wo sind wir gleich stehen geblieben? Oh, ich weiß; ‹Tylman Roos erklärte in einem Vortrag…› Was ist los, Miss Pettigrew? Warum schreiben Sie nicht?»

«Ich befürchte», sagte Colonel Race liebenswürdig, «Miss Pettigrews Bleistift ist abgebrochen.»

Er nahm den Bleistift aus ihrer Hand und spitzte ihn sorgfältig. Sir Eustace und ich starrten ihn an. In seiner Stimme schwang etwas mit, das mich stutzig machte.

22

Aus dem Tagebuch von Sir Eustace Pedler

Ich hätte die größte Lust, mein Tagebuch nicht weiterzuführen und stattdessen einen Artikel zu schreiben mit dem Titeclass="underline" «Meine Sekretäre». Was Sekretäre anbelangt, scheine ich vom Pech verfolgt zu sein. Einmal habe ich gar keinen Sekretär, im nächsten Moment wieder zu viele. Augenblicklich gondle ich mit einem ganzen Sack voll Frauenzimmern nach Rhodesien. Natürlich nimmt Race die beiden hübschen für sich in Anspruch und überlässt mir die Ausschussware. Und das, obgleich dies doch mein Wagen und nicht derjenige von Race ist. Aber so ergeht es mir immer.

Jetzt ist Anne Beddingfeld also doch noch zu uns gestoßen. Eigentlich sollte sie meine Sekretärin sein, aber den ganzen Nachmittag saß sie mit Race auf der Aussichtsplattform und bewunderte die Schönheiten der Landschaft. Vielleicht fürchtet sie sich vor Miss Pettigrew, was ich verstehen würde. Diese Frau mit ihren großen Plattfüßen ist geradezu abstoßend.

Es ist etwas Geheimnisvolles um diese Anne Beddingfeld. Sie ist im allerletzten Augenblick auf den Zug aufgesprungen – und dabei hatte Pagett doch behauptet, er habe sie am Vorabend zum Zug nach Durban gebracht und sie abfahren sehen. Entweder muss Pagett wieder betrunken gewesen sein, oder die Kleine kann hexen.

Ja, das Thema «Meine Sekretäre», wäre recht ergiebig. Nummer eins: Ein heimlicher Säufer, der in Italien irgendetwas verbrochen hat; Nummer zwei: Ein Mörder auf der Flucht vor der Gerechtigkeit; Nummer drei: Ein hübsches Mädchen, das die Fähigkeit besitzt, gleichzeitig an zwei Orten zu sein; Nummer vier schließlich: Miss Pettigrew, die ich für ein besonders gefährliches Exemplar halte. Wahrscheinlich ist sie sogar Pagetts Verbündete; ich würde mich gar nicht wundern, eines Tages zu erfahren, dass Pagett mich schmählich hintergeht. Alles in allem war Rayburn noch der Beste.

Soeben war ich auf der Plattform und hoffte auf eine begeisterte Begrüßung. Aber o nein! Beide Frauen lauschten fasziniert einer Reiseschilderung von Race. Ich werde meinen Wagen umtaufen müssen. Statt «Sir Eustace Pedler und Gesellschaft», müsste er «Colonel Race und sein Harem» heißen.

«Ich bin so froh, dass wir das alles bei Tageslicht sehen», rief Anne Beddingfeld. «Ich darf gar nicht daran denken, dass mir dies alles entgangen wäre, wenn ich jetzt im Zug nach Durban säße!»

«Ja», sagte Race lächelnd, «Sie wären morgen früh in der Karru aufgewacht, in einer heißen, dunstigen Einöde aus Stein und Fels.»

«Das ist wohl der beste Tageszug nach Rhodesien?», fragte Anne Beddingfeld naiv.

Race lachte. «Der beste Tageszug? Meine liebe Miss Anne, es fahren nicht mehr als drei Züge in der Woche: Montag, Mittwoch und Samstag. Können Sie sich vorstellen, dass wir erst am Samstag zu den großen Wasserfällen kommen?»

«Wie lange wollen Sie dort bleiben, Sir Eustace?», fragte Mrs Blair.

«Das hängt ganz davon ab, wie sich die Dinge in Johannesburg entwickeln. Eigentlich wollte ich ein paar Tage bei den Victoriafällen bleiben, die ich noch nie gesehen habe, und dann nach Johannesburg weiterfahren, um an Ort und Stelle die Situation im Rand zu studieren. Aber nach allem, was ich höre, dürfte Johannesburg in der nächsten Zeit kein sehr gemütliches Pflaster sein. Ich habe keine Lust, politische Verhältnisse zu studieren, während rings um mich eine Revolte tobt.»

Race lächelte überheblich.

«Ich glaube, Ihre Befürchtungen sind übertrieben, Sir Eustace. Es wird keine große Gefahr für Sie in Johannesburg geben.»

Die Frauen blickten ihn schmachtend an. Das ärgerte mich maßlos. Ich bin mindestens so tapfer wie Race, wenn ich auch nicht danach aussehe.

«Ich darf wohl annehmen, dass Sie ebenfalls dort sein werden», sagte ich kühl.

«Höchstwahrscheinlich. Vielleicht fahren wir zusammen hin.»

«Vielleicht, aber es ist auch möglich, dass ich doch etwas länger bei den Fällen bleibe», entgegnete ich unverbindlich. Was geht es Race an, ob und wann ich nach Johannesburg fahre? Mir scheint, er ist hinter Anne her. «Was sind eigentlich Ihre Pläne, Miss Anne?»

«Das hängt ganz davon ab…», kopierte sie mich.

«Und ich dachte, Sie seien meine Sekretärin», warf ich ein.

«Oh, ich bin überflüssig geworden. Sie haben doch jetzt Miss Pettigrew!»

Donnerstagnacht

Wir haben soeben Kimberley verlassen. Race wurde bedrängt, die Geschichte von dem Diamantendiebstahl nochmals in allen Einzelheiten zu wiederholen. Warum sind Frauen eigentlich so interessiert an allem, was mit Diamanten zusammenhängt?

Endlich hat Anne Beddingfeld den Schleier ihres Geheimnisses gelüftet. Sie scheint eine Zeitungsreporterin zu sein. Heute früh hat sie ein ellenlanges Telegramm nach London gesandt. Nach all dem, was ich in der Nacht aus Mrs Blairs Abteil hörte, muss sie ihr eine ganze Artikelserie vorgetragen haben.

Anscheinend ist sie die ganze Zeit hinter dem «Mann im braunen Anzug», her gewesen. Aber auf der Kilmorden hat sie ihn dennoch nicht erkannt. Nun, ich muss zugeben, dass sie auch wenig Gelegenheit dazu hatte. Doch jetzt ist sie eifrig beschäftigt mit einem Bericht mit dem Titel «Meine Reise mit dem Mörder an Bord», und natürlich erfindet sie Märchen über Gespräche, die sie mit ihm geführt haben will. Ich weiß, wie so etwas vor sich geht.

Immerhin ist das Mädchen gescheit. Ganz auf eigene Faust hat sie herausgefunden, dass die Frau, die in meinem Haus ermordet wurde, eine russische Tänzerin namens Nadina ist. Ich habe Anne gefragt, ob sie ihrer Sache sicher sei. Sie meinte, es sei lediglich eine Schlussfolgerung. Doch der Zeitung hat sie es natürlich als feststehende Tatsache gekabelt. Frauen haben manchmal solche Intuitionen – ich zweifle nicht daran, dass Anne Beddingfeld völlig Recht hat –, aber es ist schon ein starkes Stück, das eine «Schlussfolgerung», zu nennen.

Langsam geht mir Verschiedenes auf. Race sprach davon, dass die Polizei glaube, Rayburn sei nach Rhodesien geflohen. Möglicherweise hat er sich im Montag-Zug versteckt. Er ist zwar telegrafisch avisiert worden, und man hat keinen Menschen entdeckt, der auf seine Beschreibung passt, aber das will natürlich nichts heißen. Er ist ein listiger Bursche, und er kennt Südafrika zur Genüge. Wahrscheinlich hat er sich als altes Kaffernweib verkleidet, während die einfältigen Polizisten nach einem hübschen jungen Mann Ausschau hielten.

Wie dem auch sei, Anne Beddingfeld ist hinter ihm her. Sie will ihm auf eigene Faust nachspüren und den Triumph für sich und das Daily Budget einheimsen. Die jungen Mädchen von heute sind sehr kaltblütig. Ich habe ihr zu verstehen gegeben, dass ich ihr Benehmen für unweiblich halte – sie lachte mich nur aus. Ihr Glück sei gemacht, wenn sie ihn zur Strecke bringe, erklärte sie. Race gefällt diese Art auch nicht, das konnte ich deutlich sehen. Vielleicht fährt Rayburn sogar in unserem Zug mit? Dann kann es uns passieren, dass wir alle in unseren Betten umgebracht werden. Das sagte ich auch zu Mrs Blair, aber sie fand den Gedanken sehr spaßhaft und meinte, es wäre ein fabelhafter Treffer für Anne, wenn sie als Erste meine Ermordung dem Daily Budget melden könnte. Frauen sind brutal.