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Was für Bekenntnisse erwartete er von mir? Ich hatte Angst. Doch mein Blick war offen, als ich ihn ansah. «Ich gebe die Frage zurück: Was tun Sie hier, Colonel Race?», entgegnete ich.

Erst glaubte ich, er würde nicht antworten; jedenfalls schien er verblüfft. Doch dann lag in seinen Worten ein grimmiges Vergnügen.

«Meinem Ehrgeiz nachjagen», sagte er. «Ja, das ist der richtige Ausdruck.»

«Man behauptet», fuhr ich langsam fort, «dass Sie mit dem Geheimdienst zu tun haben – ist das wahr?»

Bildete ich es mir nur ein, oder zögerte er wirklich?

«Ich kann Ihnen versichern, Miss Beddingfeld, dass ich ausschließlich als Privatperson hier bin und zu meinem eigenen Vergnügen reise.»

Als ich später über diese Worte nachdachte, erschienen sie mir ziemlich zweideutig. Vielleicht war das seine Absicht.

Wir sprachen nicht mehr, bis wir zum Wagen kamen, und schweigend verlief auch die erste Hälfte der Rückfahrt. Plötzlich ergriff er meine Hand.

«Anne», sagte er mit sanfter Stimme, «ich brauche Sie – wollen Sie mich heiraten?»

Ich war völlig bestürzt.

«O nein», stammelte ich, «nein, das kann ich nicht.»

«Weshalb nicht?»

«Weil… weil ich Sie nicht liebe.»

«Ich verstehe. Ist das der einzige Grund?»

Die Frage musste ehrlich beantwortet werden, mindestens das schuldete ich ihm.

«Nein», sagte ich. «Es ist nicht der einzige Grund. Ich liebe einen anderen Mann.»

«Ich verstehe», wiederholte er. «Und war das schon so, als ich Sie kennen lernte? Ganz zu Beginn, auf der Kilmorden?»

«Nein», flüsterte ich. «Es geschah… später.»

«Ich verstehe», sagte er zum drittenmal, doch jetzt war ein entschlossener Klang in seiner Stimme, der mich erschreckte. Sein Gesicht war grimmiger denn je.

«Was… wollen Sie… damit… sagen?», stammelte ich.

Er blickte mich an, rätselhaft, beherrscht.

«Nun, jetzt weiß ich wenigstens, was ich zu tun habe.»

Seine Worte ließen mich erschauern. Es lag eine Entschlossenheit darin, die ich nicht begriff und die mich ängstigte.

Wir sprachen kein Wort mehr, bis wir im Hotel waren. Ich ging sofort zu Suzanne. Sie lag auf ihrem Bett und las und sah nicht im Geringsten müde aus.

«Hier ruht die taktvolle Anstandsdame», begrüßte sie mich. «Aber Anne, was ist denn los mit dir?»

Ich war in Tränen ausgebrochen.

«Nichts, nichts, nur die Nerven», murmelte ich. Nein, über Colonel Race konnte ich nicht sprechen, das wäre nicht anständig ihm gegenüber. Aber Suzanne ist klug; sie fühlte natürlich sofort, dass ich ihr etwas verheimlichte.

«Du hast dich hoffentlich nicht erkältet, Anne? Das klingt zwar lächerlich bei dieser Hitze, aber du hast ja einen richtigen Schüttelfrost.»

Ich versuchte zu lachen. «Es sind wirklich nur die Nerven. Ich habe das Gefühl, dass etwas Furchtbares geschehen wird.»

«Das ist Unsinn, Anne», sagte Suzanne entschieden. «Wir wollen lieber über wirkliche Dinge reden, über diese Diamanten…»

«Was ist mit ihnen?»

«Sie sind bei mir nicht mehr in Sicherheit. Jetzt, da wir befreundet sind, verdächtigt man mich genauso wie dich.»

«Kein Mensch weiß, dass sie in dieser Filmkapsel sind», wandte ich ein. «Das ist ein ausgezeichnetes Versteck, ein besseres könnten wir niemals finden.»

Zögernd stimmte sie mir zu; doch dann meinte sie, wir müssten über die Sache noch einmal sprechen, sobald wir bei den Victoriafällen seien.

Unser Zug fuhr um neun Uhr. Sir Eustace befand sich noch immer in schlechter Laune, und Miss Pettigrew sah sehr bedrückt aus. Colonel Race verhielt sich wie immer, und ich hatte das Gefühl, ich müsse unsere Unterhaltung nur geträumt haben.

Ich schlief schlecht in dieser Nacht auf meiner harten Bank und träumte von drohenden Gefahren. Mit bösen Kopfschmerzen wachte ich auf und tastete mich zur Aussichtsplattform unseres Wagens. Die Luft war frisch und angenehm, und so weit der Blick reichte, erhoben sich wellige, bewaldete Hügel.

Um halb drei riss mich Colonel Race aus meiner Versunkenheit und wies auf einen weißen Nebel, der über einem Hügel aufstieg.

«Der Wasserstaub der Victoriafälle», sagte er. «Bald werden wir dort sein.»

Noch immer hüllte mich das seltsame, erregende Traumgefühl ein, das mir einreden wollte, ich sei heimgekommen! Und doch hatte ich dieses Land noch nie gesehen.

Wir gingen zu Fuß vom Bahnhof zum Hotel, einem großen weißen Gebäude, dessen Fenster mit Moskitonetzen abgedichtet waren. Wir traten auf die Terrasse hinaus – und ich stieß einen Ausruf des Entzückens aus. Vor uns sprühten und brausten die Fälle, wenige hundert Meter entfernt. Noch nie hatte ich etwas so Großartiges, so Herrliches gesehen.

«Anne, du bist wie verzaubert», sagte Suzanne, als wir uns zu Tisch setzten.

Sie blickte mich verwundert an.

«Bin ich wirklich verzaubert?», fragte ich lachend, aber mein Lachen klang gezwungen. «Es ist so unaussprechlich herrlich.»

«Ja, das ist es.»

Ich war nicht nur glücklich – ich hatte auch das bestimmte Gefühl, dass sich hier bald etwas ereignen würde. Und ich wartete, unruhig, erregt, voller Spannung.

Nach dem Tee gingen wir zu den Fällen, überschritten die Brücke und folgten einem Pfad, der, beidseitig mit weißen Steinen markiert, die tiefe Kluft entlangführte. Schließlich erreichten wir eine Lichtung, von der links ein schmaler Weg zur Schlucht hinunter abbog.

Wir beschlossen jedoch, uns den Abstieg bis morgen aufzusparen, und unternahmen stattdessen noch einen Spaziergang bis zum Regenbogenwald.

Erst kurz vor dem Abendessen erreichten wir das Hotel. Sir Eustace schien eine geheime Abneigung gegen Colonel Race gefasst zu haben. Nach dem Essen zog er sich in sein Zimmer zurück und befahl Miss Pettigrew, ihm zu folgen. Wir anderen blieben noch eine Weile sitzen. Doch bald erklärte Suzanne gähnend, sie sei zum Umfallen müde und wolle schlafen gehen. Da ich keine Lust hatte, mit Colonel Race allein zu bleiben, schloss ich mich ihr an.

Zum Schlafen war ich jedoch viel zu aufgeregt; ich zog mich nicht einmal aus, sondern lehnte mich in meinen Sessel zurück und träumte. Und ständig hatte ich das Gefühl, dass etwas geschehen würde – bald – jetzt – gleich…

Ein Klopfen an meiner Tür ließ mich auffahren. Ich öffnete. Ein kleiner schwarzer Junge hielt mir einen Brief hin. Er war in einer mir unbekannten Handschrift an mich adressiert. Ich nahm ihn, kehrte ins Zimmer zurück und riss den Umschlag auf. Sein Inhalt war sehr kurz:

Ich muss Sie sehen, doch ich wage es nicht, ins Hotel zu kommen. Wollen Sie mich bei der Lichtung oberhalb der Fälle treffen? Bitte, kommen Sie in Erinnerung an Kabine siebzehn. Der Mann, den Sie als Harry Rayburn kennen.

Mein Herz hämmerte wild. Er war hier! Oh, ich hatte es ja geahnt!

Ich wand einen Schal um meinen Kopf und stahl mich hinaus. Es hieß vorsichtig sein, denn er wurde verfolgt, und man durfte mich nicht sehen.

Vor Suzannes Tür hielt ich kurz inne. Ich hörte ihr ruhiges, gleichmäßiges Atmen; sie schlief fest.

Sir Eustace? Er war immer noch beim Diktieren; wiederholte Miss Pettigrew seine letzten Worte: «Ich schlage daher vor, dass das Problem der schwarzen Arbeiter…» Sie wartete auf eine Fortsetzung, und gleich darauf brummte Sir Eustace ein paar undeutliche Sätze.

Ich stahl mich weiter. Colonel Race war nicht in Zimmer, und ich entdeckte ihn auch nicht in der Halle. Und er war der Mann, den ich am meisten fürchtete! Aber ich durfte keine Zeit mehr verlieren. Ungesehen schlüpfte ich aus dem Hotel und schlug den Weg zur Brücke ein.

Auf der anderen Seite blieb ich stehen und verharrte im Schatten. Wenn mir jemand gefolgt war, so musste ich ihn jetzt auf der Brücke sehen. Doch die Minuten verflossen, niemand näherte sich. Ich war also nicht beobachtet worden. Vorsichtig bewegte ich mich auf die Lichtung zu. Nach wenigen Schritten hörte ich ein Rascheln hinter mir; ich verhielt mich ganz ruhig. Vom Hotel war mir keiner gefolgt, doch jemand wartete bereits hier!