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Wir rannten zum Fluss.

Am Ufer sahen wir zu unserem Schrecken, dass die Leinen der beiden Boote gekappt waren. Sie trieben weit draußen auf dem Strom. Harry stieß einen leisen Pfiff aus.

«Wir sitzen bös in der Klemme, Liebes. Schlimm?»

«Nicht wenn du bei mir bist.»

Fast in der gleichen Sekunde schoss aus der Hütte eine hohe Flamme empor. Ihr Schein beleuchtete zwei zusammengekauerte Gestalten auf dem Dach.

«Meine alten Kleider, mit Decken ausgestopft. Es wird einige Zeit dauern, bis sie dahinter kommen. Los, Anne, jetzt müssen wir einen Ausweg suchen.»

Hand in Hand rannten wir quer über die Insel. Dort trennte sie nur ein schmaler Kanal vom Festland.

«Wir müssen hinüberschwimmen. Kannst du schwimmen?»

«Gibt es hier Krokodile?»

«Ja. Denk nicht dran – oder sprich ein Stoßgebet. Was du vorziehst.»

Wir warfen uns ins Wasser. Meine Gebete müssen wirksam gewesen sein, denn wir erreichten unversehrt das andere Ufer und zogen uns nass und tropfend zur Sandbank hinauf.

«Jetzt heißt es für uns auf nach Livingstone. Es ist ein langer Marsch, und unsere nassen Kleider erleichtern ihn nicht gerade. Aber es hilft nichts. Wir müssen es schaffen.»

Als wir in Livingstone ankamen, hing ich über Harrys Schulter wie ein nasser Sandsack. Gerade begann sich der Himmel zu lichten.

Wir suchten Zuflucht bei Harrys Freund Ned, der ein kleines Geschäft mit Eingeborenenarbeiten führte.

Er gab uns zu essen und brachte heißen Kaffee. Wir hüllten uns in Wolldecken, während er unsere nassen Kleider zum Trocknen aufhängte. In dem kleinen Hinterzimmer seiner Hütte waren wir vor neugierigen Blicken sicher, und er verließ uns, um Erkundigungen über Sir Eustace und die anderen sowie deren Verbleib einzuziehen.

Hier gestand ich Harry, dass nichts, absolut nichts mich veranlassen könnte, nach Beira zu fahren. Natürlich hatte ich nie die Absicht gehabt, aber jetzt waren auch seine Gründe hinfällig geworden. Meine Gegner wussten nun, dass ich lebte, also war auch meine Flucht sinnlos. Sie konnten mir mit Leichtigkeit nach Beira folgen und mich dort ermorden, wo mich niemand schützte.

Schließlich beschlossen wir, dass ich mich mit Suzanne – wo immer sie sich auch befinden mochte – treffen und mich nur noch um meine Sicherheit kümmern sollte. Ich versprach, keine Abenteuer mehr zu suchen und den ‹Colonel›, einzig und allein Harry zu überlassen. Die Diamanten sollten auf der Bank in Kimberley unter dem Namen Parker deponiert werden.

«Wir müssen ein geheimes Erkennungszeichen vereinbaren», sagte ich. «Es darf nicht wieder vorkommen, dass wir durch falsche Botschaften in eine Falle getrieben werden.»

«Das ist ganz einfach. Jede Botschaft, die wirklich von mir stammt, wird irgendwo ein durchgestrichenes und haben.»

«Ohne Erkennungszeichen – eine Falle», murmelte ich. «Und bei Telegrammen?»

«Ich unterzeichne jedes Telegramm mit dem Namen Andy.»

Ned steckte den Kopf herein. «Der Zug wird gleich eintreffen», verkündete er und zog sich rasch wieder zurück.

Ich stand auf.

«Und soll ich nun einen netten Mann heiraten, wenn ich einem begegne?», fragte ich geziert.

Harry kam auf mich zu.

«Großer Gott, Anne, wenn du jemals einen anderen Mann heiratest als mich, dann drehe ich ihm den Hals um. Und dich…»

«Ja?», fragte ich selig.

«Dich schleppe ich fort und schlage dich grün und blau!»

28

Aus dem Tagebuch von Sir Eustace Pedler

Ich habe schon einmal bemerkt, dass ich in erster Linie ein Mann der Ruhe bin. Ich sehne mich nach einem friedlichen Leben – und anscheinend ist gerade dies das einzige Ziel, das ich nie erreiche. Immer ist Trubel und Aufregung um mich herum. Es war eine wahre Erlösung für mich, Pagett mit seiner ewigen Schnüffelei und Suche nach Intrigen los zu sein. Und Miss Pettigrew ist eine recht brauchbare Kreatur. Sie ist zwar keine Schönheit, aber sie besitzt ein paar unschätzbare Vorzüge. Leider hatte ich in Bulawajo eine Leberattacke. Auch wurde meine Nachtruhe im Zug gründlich gestört. Um drei Uhr früh kam ein schneidig gekleideter junger Mann in mein Abteil, der sich erkundigte, wohin ich führe. Mein gemurmeltes «Tee, und zwar mit Zucker», beachtete er gar nicht, sondern wiederholte seine Frage und betonte, er sei von der Einwanderungsbehörde und wünsche Auskunft über mein Woher und Wohin. Schließlich gelang es mir, ihn zufrieden zu stellen durch meine Angaben, dass ich an keinen ansteckenden Krankheiten leide, Rhodesien nur aus den reinsten Motiven besuche, und indem ich ihm meinen vollen Namen sowie meinen Geburtsort nannte.

Dann versuchte ich ein wenig zu schlafen, doch um halb sechs erschien so ein uniformierter Kerl mit einer Tasse heißem Zuckerwasser, das er großartig als Tee bezeichnete. Ich hatte große Lust, es ihm an den Kopf zu schütten. Um sechs Uhr brachte er mir ungezuckerten Tee, der eiskalt war. Völlig erschöpft fiel ich wieder in Schlaf und erwachte kurz vor Bulawajo, wo man mir eine scheußliche Holzgiraffe in den Arm legte.

Doch außer diesen Zwischenfällen verlief die Reise ruhig, bis eine neue Kalamität auftauchte.

Es geschah an dem Abend, als wir bei den Victoriafällen eintrafen. Ich diktierte Miss Pettigrew in meinem Hotelzimmer, als plötzlich Mrs Blair ohne ein Wort der Entschuldigung hereinplatzte.

«Wo ist Anne?», schrie sie aufgeregt.

Nette Frage, das! Als ob ich für das Mädchen verantwortlich wäre. Was soll Miss Pettigrew davon halten? Dass ich die Gewohnheit habe, Anne Beddingfeld um Mitternacht herum einfach aus meiner Tasche zu ziehen? Sehr kompromittierend für einen Mann in meiner Position.

«Ich darf wohl annehmen», sagte ich kalt, «dass sie in ihrem Bett liegt.»

Dabei räusperte ich mich und blickte Miss Pettigrew an, um zu zeigen, dass ich weiterdiktieren wollte. Aber Mrs Blair verstand den Wink nicht. Sie sank auf einen Stuhl und wippte aufgeregt mit dem Fuß.

«Sie ist nicht in ihrem Zimmer, ich habe nachgesehen. Ich habe einen fürchterlichen Traum gehabt und stand auf, nur um mich zu vergewissern, dass ihr nichts fehlt. Sie war nicht im Zimmer, ihr Bett ist noch unberührt.»

Flehend blickte sie mich an.

«Was soll ich nur tun, Sir Eustace?»

Ich unterdrückte die Antwort, die ich ihr gern gegeben hätte: Zu Bett gehen und sich um nichts kümmern. Ein so energisches Geschöpf wie Anne Beddingfeld wird wohl imstande sein, auf sich selbst aufzupassen. Statt dessen runzelte ich die Stirn und fragte: «Was meint Race dazu?»

«Ich kann ihn nirgends finden.»

Ich seufzte und setzte mich. «Ich verstehe den Grund Ihrer Aufregung nicht», sagte ich geduldig.

«Mein Traum…»

«Sie haben zu schwer gegessen.»

«Oh, Sir Eustace!»

Sie war ganz entrüstet. Und doch weiß jedermann, dass Alpdrücken von schwerem Essen herrührt.

«Schließlich ist es doch kein Verbrechen», sagte ich, «wenn Anne Beddingfeld und Race noch einen kleinen Mondscheinspaziergang unternehmen, ohne es gleich dem ganzen Hotel mitzuteilen.»

«Glauben Sie, dass dies möglich wäre? Es ist doch bereits nach Mitternacht.»

«Wenn man jung ist, begeht man leicht eine solche Narretei», antwortete ich. «Allerdings hätte ich Race für vernünftiger gehalten.»

«Meinen Sie das wirklich im Ernst?»

«Wahrscheinlich sind sie durchgebrannt, um rasch zu heiraten», fuhr ich lächelnd fort, obgleich ich mir völlig klar darüber war, was für einen Unsinn ich redete. Denn wohin sollten sie von einem Ort wie diesem schon durchbrennen?

Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch hätte zusammennehmen müssen, aber in diesem Moment erschien Race. Es erwies sich, dass ich zum Teil Recht hatte: Er hatte einen Spaziergang gemacht, allerdings allein, ohne Anne. Dagegen war es falsch von mir, die Situation auf die leichte Schulter zu nehmen. Das erwies sich schon bald. Race stellte in drei Minuten das Hotel auf den Kopf. Ich habe noch nie einen Menschen so aufgeregt gesehen.