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Captain Hosteen, der die Expedition in das Innere des Labyrinths leiten sollte, kam nach achtern, um Boardman zu begrüßen. Er war ein kleiner, schwergewichtiger Mann mit einer flachen Nase und sonnengebräunter Hautfarbe. Er trug seine Uniform so, als würde er glauben, sie könne jeden Moment von seiner linken Schulter rutschen. Aber Boardman wußte, was für ein fähiger Mann er war, bereit, ein ganzes Dutzend Leben, sein eigenes eingeschlossen, zu opfern, um in dieses Labyrinth zu kommen.

Hosteen warf rasch einen Blick auf den Schirm, sah dann zu Boardman und sagte: „Schon irgendwas herausgefunden?“

„Nein, nichts Neues. Uns steht ein hartes Stück Arbeit bevor.“

„Wollen Sie ins Lager zurück?“

„Es gibt im Moment hier eigentlich nichts mehr zu tun“, sagte Boardman. Er sah zu Rawlins. „Außer, Sie wollen noch irgend etwas überprüfen, Ned?“

„Ich? Äh, nein… nein. Doch, nun, ich frage mich, ob wir überhaupt selbst ins Labyrinth müssen? Ich meine, wenn wir Muller irgendwie herauslocken könnten, ihn dazu überreden, die Stadt zu verlassen…“

„Nein.“

„Besteht dazu keine Aussicht?“

„Nein“, antwortete Boardman nachdrücklich. „Punkt eins: Muller käme nicht heraus, wenn wir ihn darum bitten. Er ist ein Misantroph, wie Sie sicher bereits mitbekommen haben. Er hat sich hier irgendwo eingebuddelt, um möglichst weit von der Menschheit weg zu sein. Warum sollte er sich jetzt mit uns zusammentun wollen? Punkt zwei: Wir können ihn nicht nach draußen bitten, ohne ihn allzuviel von dem erfahren zu lassen, was wir mit ihm vorhaben. Bei diesem Job, Ned, müssen wir unsere Trümpfe zusammenhalten und dürfen sie nicht gleich alle zu Anfang ausspielen.“

„Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.“

Geduldig antwortete Boardman: „Angenommen, wir entscheiden uns für Ihre Taktik. Was würden Sie Muller denn erzählen, um ihn herauszulocken?“

„Nun, äh, daß wir von der Erde kommen und ihn bitten möchten, uns in der Zeit einer systemweiten Krise zu helfen. Daß wir auf eine fremde Rasse gestoßen sind, mit der keine Verständigung möglich scheint. Daß wir mit ihnen schnellstmöglich Kontakt aufnehmen müßten und nur er dazu der geeignete Mann ist. Wir…“ Rawlins hielt inne, so als sei ihm die Naivität seiner Worte gerade zu Bewußtsein gekommen. Seine Wangen liefen rot an. Mit krächzender Stimme sagte er nach einer Weile: „Muller wird sich einen Dreck um diese Argumente scheren, nicht wahr?“

„Ganz genau, Ned. Die Erde hat ihn schon einmal zu einer Gruppe Außerirdischer geschickt, und die haben ihn kaputtgemacht. Er wird kaum Lust verspüren, so etwas nochmal auf sich zu nehmen.“

„Aber wie wollen wir ihn dann dazu bringen, uns zu helfen?“

„Indem wir ihn an seiner Ehre kitzeln. Aber im Augenblick ist das noch nicht unser Problem. Im Moment ist für uns die Frage viel wichtiger, wie wir ihn aus seinem Bau herausbekommen. Sie haben also den Vorschlag gemacht, wir stellen einen großen Lautsprecher auf und erklären ihm genau, was wir wollen. Und danach brauchen wir nur zu warten, wie er vor Freude hüpfend herauskommt und inständig schwört, sein Bestes zu geben, wenn es nur der guten alten Erde nützt. Nicht wahr?“

„So ähnlich.“

„Aber das funktioniert nicht. Deshalb müssen wir uns persönlich ins Labyrinth bemühen, Mullers Vertrauen und ihn für eine Zusammenarbeit mit uns gewinnen. Und wenn wir Erfolg haben wollen, dürfen wir kein Sterbenswörtchen über die wahre Lage verlautbaren lassen — bis wir ihm sein Mißtrauen ausgeredet haben.“

Rawlins Gesicht drückte erneut aus, daß er auf der Hut sein wollte. „Und was werden wir ihm also erzählen, Charles?“

„Nicht wir. Sie.“

„Nun gut, was also soll ich ihm erzählen?“

Boardman seufzte leise. „Lügen, Ned, nichts als einen Haufen Lügen.“

3

Sie hatten jede erdenkliche Ausrüstung zur Lösung der Probleme mit dem Labyrinth nach Lemnos mitgebracht. Der Schiffscomputer war allein schon eine erstklassige Anlage und hatte alle Daten von jeder früheren irdischen Expedition gespeichert, die den Versuch unternommen hatte, in die Stadt einzudringen. Nur ein Versuch fehlte, unglücklicherweise der einzige, dem Erfolg beschieden gewesen war. Aber auch die Unterlagen über Fehlschläge aus der Vergangenheit haben ihren Nutzen. Das Schiff besaß weiterhin mehr als ausreichend mobiles Sondierungsinventar: fliegende und Landdrohnen, Spionaugen, Sensoren und vieles mehr. Bevor ein Menschenleben dem Labyrinth ausgesetzt würde, wollten Boardman und Hosteen das ganze mechanische Aufgebot ausprobieren. Maschinen konnten im Gegensatz zu einem Menschenleben geopfert werden. Das Schiff hatte auch eine Reihe von Anlagen, mit denen ohne großen Aufwand alle zerstörten Geräte nachproduziert werden konnten. Aber eines Tages würde der Moment kommen, wo Drohnen und Sonden nicht mehr ausreichten und die Menschen ihre Rolle übernehmen mußten. Ihre Aufgabe bestand hauptsächlich darin, für die Menschen so viele Informationen wie möglich zu sammeln, damit diese sich ihrer bedienen konnten.

Noch nie zuvor hatte jemand versucht, das Labyrinth auf diese Weise zu besiegen. Frühere Expeditionen waren, nichts Böses ahnend, einfach hineinmarschiert und dabei ums Leben gekommen. Ihre Nachfolger hatten genug aus ihrem Scheitern gelernt, um die Hauptfallen zu meiden. Und in gewissem Umfang hatten sie sich auch mit ausgeklügelten Sonden weitergeholfen. Aber hier handelte es sich um den ersten Versuch einer konzentrierten Voraberforschung mit mechanischen Hilfsmitteln, bevor die Menschen es selbst wagen wollten. Niemand im Lager war übermäßig zuversichtlich, daß sie mit dieser neuen Methode ungeschoren eindringen konnten, aber es war der beste denkbare Weg, das Problem zu lösen.

Die Erkundungsflüge am ersten Tag hatten jedermann einen guten visuellen Eindruck von den Ausmaßen des Labyrinths vermittelt. Im Grunde genommen hätten sie gar nicht den Boden zu verlassen brauchen. Sie hätten sich in aller Ruhe im Lager die Bilder auf den großen Schirmen ansehen können und trotzdem eine genaue Vorstellung von der Anordnung und Zusammensetzung der Stadt gewinnen können, indem sie den fliegenden Drohnen die ganze Arbeit überlassen hätten. Aber Boardman war anderer Ansicht gewesen und hatte sie auch hartnäckig vertreten. Der menschliche Verstand registriert auf gewisse Weise Informationen von einem Bildschirm, aber es ist etwas ganz anderes, wenn er diese Eindrücke aus erster Hand, durch die eigenen Sinne erhält. Und jetzt hatten alle mitbekommen, wie die Stadt von der Luft aus aussah und was die Anlagen des Labyrinths mit einem Spionauge anstellen konnten, das sich zu nahe an das Schutzfeld heranwagte, das die ganze Stadt überspannte.

Rawlins hatte auf die Möglichkeit eines Nullpunkts oder einer neutralen Stelle im Schutzschirm aufmerksam gemacht. Am späten Nachmittag untersuchten sie diese Theorie: Eine Flugdrohne wurde mit Metallkugeln beladen und fünfzig Meter über dem höchsten Punkt des Labyrinths stationiert. Auf den Bildschirmen wurde übertragen, wie die Drohne sich langsam drehte und dabei einzelne Kugeln auf ausgesuchte Stellen von einem Quadratmeter Größe verschoß. Jede einzelne wurde von der Energie des Schirms im Flug vernichtet. Aber die Menschen erfuhren dabei, daß die Dicke des Schutzfelds variierte: Vom Rand zum Zentrum wurde es immer dünner. Über den innersten Zonen betrug die Dicke nur noch zwei Meter, während sie am Außenrand ein Vielfaches davon aufwies — und so eine unsichtbare Schüssel über der Stadt bildete. Aber nirgendwo gab es eine Lücke oder einen Nullpunkt. Das Feld war dicht. Hosteen probierte danach die Möglichkeit aus, ob der Schirm überlastet werden konnte. Er belud die Drohne erneut mit Metallkugeln, die nun simultan auf die einzelnen Testvierecke verschossen wurden. Das Feld wurde mit allen mühelos fertig. Einen Moment lang vereinigten sich die Flammen und bildeten eine Feuerschicht über der Stadt.