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Sie wußten nur zu gut, daß ein Mann in diesen Stromschnellen sich nur wenige Minuten an einem schlüpfrigen Felsen festhalten kann. Keuchend rannten sie am Ufer höher hinauf, banden das Tau, mit dem sie das Boot gezogen hatten, um Bucks Nacken und Schultern. Er warf sich ohne zu überlegen sofort wieder in das reißende Wasser und schwamm mit machtvollen Stößen auf seinen Herrn zu. Aber er verfehlte den Felsen. Hans zog die Leine sofort straff an, Buck wurde unter Wasser gerissen und kam nicht mehr an die Oberfläche, bis er neben den Männern am Ufer lag. Er war halb erstickt, taumelte auf und fiel sofort wieder nieder. Pete und Hans rieben und drückten seinen mächtigen Brustkorb, aber Buck hatte keine Kraft mehr. Doch ein schwacher Hilferuf seines Herrn wirkte auf das Tier wie ein elektrischer Schlag. Buck sprang auf und hetzte am Ufer entlang zu jener Stelle, wo er das erstemal Thorntons Rettung versucht hatte.

Wieder wurde das Seil um seinen Nacken gebunden, und wieder warf er sich in den Strom. Er hatte einmal die Entfernung schlecht berechnet, das zweite Mal machte er sich dessen nicht mehr schuldig. Pete hielt das Tau fest, und Hans rollte es auf. Buck schwamm genau auf seinen Herrn zu, Thornton sah ihn kommen, und als der Hund knapp neben ihm war, warf er beide Arme um den zottigen Nacken. Die Männer am Ufer zogen das Seil straff an, und Buck und Thornton wurden unter Wasser gerissen; halb erstickt, zerschlagen und zerschunden von den spitzen Felsriffen rollten sie ans Land.

Pete und Hans bearbeiteten Thornton, und als er wieder bei Bewußtsein war, galt sein erster Blick Buck. Nig stand neben dem schlaffen, wie leblosen Körper und heulte. Skeet leckte die triefendnasse Schnauze und die geschlossenen Augen. Thornton, der selbst am ganzen Körper zerschlagen war, beugte sich über Buck. Der Hund hatte drei Rippen gebrochen.

»Wir müssen hier bleiben«, entschied Thornton.

Und so geschah es. Sie lagerten an Ort und Stelle so lange, bis der Hund wieder vollständig hergestellt war.

Im Winter, als sie wieder in Dawson waren, vollbrachte Buck eine neue Heldentat, nicht so heroisch wie die Rettung aus dem Fluß, aber sie machte seinen Namen in ganz Alaska berühmt.

Thornton und seine Partner hatten schon lange vor, in den noch unberührten Osten zu ziehen, wo noch nicht jedes Fleckchen von Goldgräbern durchwühlt worden war, aber es fehlte ihnen an den nötigen Mitteln.

Eines Tages kam im Eldorado-Saloon die Rede auf Hunde. Jeder der Männer pries die Vorzüge seiner eigenen Hunde. Immer wieder wurde Buck, um den man Thornton beneidete, zum Vergleich herangezogen, und jeder wollte seinen eigenen Hund herausstreichen und Bucks Leistungen herabmindern. Einer der Männer behauptete, sein Hund könne eine Ladung von fünfhundert Pfund auf dem Schlitten ziehen, ein anderer übertrumpfte ihn um hundert Pfund, während ein dritter seinem Tier sogar siebenhundert Pfund zutraute.

»Was wollt ihr«, sagte Thornton wegwerfend, »Buck kann tausend ziehen.«

»Er kann allein starten und tausend Pfund hundert Yards weit ziehen?« forschte Matthewson, ein Bonanzakönig.

»Jawohl, starten und hundert Yards ziehen«, antwortete John Thornton unüberlegt.

»Well!« sagte Matthewson so langsam und bedächtig, daß es alle hören konnten. »Ich wette tausend Dollar, daß er es nicht kann. Da liegen sie.« Und großspurig warf er einen Sack mit Goldstaub auf den Schanktisch.

Niemand sprach ein Wort.

Thornton war herausgefordert worden, und er fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Seine Zunge war mit ihm durchgegangen, denn er wußte ja gar nicht, ob Buck tatsächlich tausend Pfund ziehen konnte. Eine halbe Tonne! Dieses gewaltige Gewicht erschreckte ihn. Er kannte die Kraft seines Hundes und traute ihm diese Leistung zu, aber niemals hatte er daran gedacht, ihn eine solche Last auch wirklich ziehen zu lassen. Thornton besaß keine tausend Dollar, ebensowenig seine Gefährten. Die Augen von einem Dutzend Männer waren auf ihn gerichtet, schweigend und gespannt, und zwangen ihn zu einer Entscheidung.

»Ich habe einen Schlitten mit zwanzig Mehlsäcken draußen stehen. Jeder wiegt fünfzig Pfund. Wir können sofort anfangen!« sagte Matthewson mit brutaler Offenheit.

Thornton gab keine Antwort. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Seine Augen wanderten abwechselnd von einem zum anderen. Da traf sein Blick einen alten Kameraden, Jim O’Brien, einen der erfolgreichsten Männer von Klondike. Und plötzlich war John Thornton fest entschlossen, die Wette anzunehmen.

»Kannst du mir tausend Dollar leihen?« flüsterte er seinem Freund zu.

»Gewiß«, antwortete O’Brien und warf einen zweiten großen Sack neben dem ersten nieder, »wenn ich auch nicht glaube, daß dein Hund dieses Kunststück fertigbringt.«

Die ganze Gesellschaft strömte auf die Straße. Selbst die Spieler verließen ihre Tische, um zuzusehen und Wetten abzuschließen. Mehrere hundert mit Pelzen bekleidete Männer standen im Kreis um den Schlitten. Es herrschte bittere Kälte – sechzig Grad Fahrenheit unter Null –, und Matthewsons Schlitten hatte schon stundenlang im Schnee gestanden, und die Kufen waren fest angefroren. Ein Streit entstand über den Begriff »allein starten«. O’Brien behauptete, es wäre Thorntons Recht, die Kufen vom gefrorenen Schnee loszubrechen, während Matthewson auf dem Gegenteil bestand.

Da die Mehrheit der Anwesenden sich für Matthewson entschied, schnellte die Quote auf drei zu eins gegen Buck hinauf. Keiner glaubte, daß der Hund dieses Kunststück fertigbringen werde. Thornton war in die Wette hineingetrieben worden, ohne sicher zu sein, daß Bucks Kräfte ausreichen würden, jetzt, da er auf den Schlitten blickte und die zehn Hunde sah, die ihn gezogen hatten, erschien ihm seine Sache fast hoffnungslos.

Matthewson, der Thorntons Zögern bemerkte, rief:

»Drei zu eins! Ich setze noch weitere tausend Dollar gegen Sie, Thornton. Was sagen Sie dazu?«

Seine spöttische Prahlerei weckte in Thornton jenen Kampfgeist, der das Unmögliche für möglich hält und taub gegen alle Vernunftgründe macht. Er rief Hans und Pete zu sich. Aber sie waren arme Teufel, und nur mit Mühe und Not gelang es ihnen, zweihundert Dollar zusammenzukratzen. Es war ihr ganzes Kapital, aber sie setzten es ohne Zögern gegen den hohen Einsatz des Bonanzakönigs.

Die zehn Hunde wurden ausgespannt, und an ihre Stelle trat Buck. Er fühlte die Aufregung, er begriff, daß er auf irgendeine Weise etwas Besonderes für seinen Herrn tun mußte. Ein bewunderndes Gemurmel ging durch die Menge. Buck war vollendet in Form, besaß keine überflüssige Unze Fett, und sein Fell glänzte wie Seide. Seine Rückenhaare sträubten sich aufgeregt. Die mächtige Brust und die schweren Vorderbeine standen im richtigen Verhältnis zu den übrigen Teilen seines Körpers. Die Leute bestaunten seine stahlharten Muskeln, und die Quoten ermäßigten sich wieder auf zwei zu eins.

»Bei Gott, Herr!« rief einer der Ansiedler, den man wegen seines Reichtums den König von Skokum nannte. »Ich biete achthundert für ihn. Verstehen Sie, Herr, so wie er da steht.«

Thornton machte eine abweisende Geste und trat an Bucks Seite.

»Ihr dürft nicht an seiner Seite stehen!« protestierte Matthewson. »Freies Spiel!«

Die Menge wich zurück. Die Stille wurde nur noch durch die aufgeregten Stimmen jener, die noch Wetten abschließen wollten, unterbrochen. Fast niemand setzte auf Buck. Wenn er auch ein wundervolles Tier war – eine halbe Tonne Mehl, nein, das war zuviel!

Thornton kniete an Bucks Seite nieder, nahm seinen Kopf in beide Hände und flüsterte ihm ins Ohr: »Wenn du mich liebst, Buck, wenn du mich liebst!«

Buck verstand und winselte eifrig.

Die Menge schaute verwundert zu. Die leisen Worte Thorntons hörten sich wie eine Beschwörungsformel an. Als er sich erhob, faßte Buck seine Hand mit den Zähnen und ließ sie nur langsam, fast widerstrebend los. Das war seine Antwort.