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Als Buck wie ein gleitender Schatten dahineilte, nahm er plötzlich etwas wahr, das ihn im vollen Lauf stoppte. Er folgte der neuen Witterung ins Dickicht und fand Nig. Der schwarze Hund lag ausgestreckt am Boden, und aus seinem Körper ragte ein mit Federn verzierter Pfeil.

Hundert Schritte weiter stieß Buck auf einen der Schlittenhunde, die Thornton in Dawson gekauft hatte. Er wälzte sich noch im Todeskampf, und Buck umging ihn, ohne anzuhalten. Vom Lager drang ein schwacher, eintöniger Singsang, der bald anschwoll, bald wieder abebbte. Am Rande der Lichtung fand er Hans auf dem Gesicht liegend und mit Pfeilen bespickt wie ein Stachelschwein mit Stacheln. Buck aber starrte dorthin, wo die Hütte gewesen war, und was er sah, trieb seine Haare auf den Schultern senkrecht in die Höhe. Eine rasende Wut packte ihn. Er wußte nicht, daß er heulte, aber er heulte laut auf mit einer schrecklichen Wildheit. Zum letztenmal in seinem Leben trug die Leidenschaft den Sieg über die Klugheit und Vernunft davon, und es war um seiner großen Liebe zu John Thornton willen, daß er nicht mehr wußte, was er tat.

Es waren Yeehats-Indianer, die vor der niedergebrannten Hütte tanzten und sangen. Sie hörten das unheimliche Geheul und sahen ein Tier auf sich zuspringen, wie sie noch niemals eines gesehen hatten. Buck warf sich, gleich einem lebenden Hurrikan, in wahnsinniger Wut auf sie. Er sprang den vordersten Mann an – es war der Häuptling – und riß ihm die Kehle auf, und als aus der aufgeschlitzten Gurgel eine Blutfontäne hervorschoß, warf er sich auf den nächsten und dann wieder auf einen und noch einen. – – – Nichts konnte ihn aufhalten. Er tobte inmitten der Indianer, riß, zerfleischte und vernichtete. So schnell und rasend waren seine Bewegungen und so dicht standen seine Opfer, daß sie sich mit ihren Pfeilen nur gegenseitig trafen. Ein junger Krieger warf seinen Speer auf Buck, als ihn dieser anspringen wollte, und traf statt des Hundes einen Indianer mit solcher Gewalt, daß der Speer sich durch den ganzen Körper bohrte. Die Yeehats ergriff ein panischer Schrecken, halb gelähmt vor Angst flohen sie in die Wälder und glaubten, ein böser Geist sei auf ihren Fersen.

Und Buck sah wirklich wie ein Teufel aus; er riß sie auf ihrer Flucht wie Rehe nieder. Es war ein schwarzer Tag für die Yeehats. Sie zerstreuten sich weit und breit über das Land, und erst eine Woche später sammelten sich die letzten Überlebenden in einem niedriger gelegenen Tal.

Buck war der Verfolgung müde geworden. Als er in das verlassene Lager zurückkehrte, fand er Pete, der im ersten Augenblick der Überraschung schlafend in seinen Decken ermordet worden war. Thorntons Verzweiflungskampf las er aus den Fußspuren im Sand, die er bis zum Rand eines tiefen Tümpels verfolgte. Am Ufer lag Skeet, Kopf und Vorderfüße im Wasser, treu bis in den Tod. Was das trübe Wasser selbst enthielt, war nicht zu sehen, aber Buck wußte das Geheimnis, denn John Thorntons Spuren führten hinein, aber nicht mehr heraus.

Den ganzen Tag verbrachte Buck beim Tümpel oder streifte ruhelos im Lager umher. Der Tod war das Ende jeder Bewegung, jeden Lebens, er wußte es. Und er wußte, daß sein Herr tot war. Dieses Wissen hinterließ in ihm eine große Leere, es war wie Hunger, aber es war ein Hunger, der weh tat und der niemals mehr gestillt werden konnte. Wenn er stehenblieb und die Leichen der Yeehats betrachtete, vergaß er diesen Schmerz und ein unbändiger Stolz trat an seine Stelle, ein Stolz, wie er ihn noch nie gefühlt hatte. Er hatte Menschen getötet, das edelste Wild, und er hatte sie getötet nach dem Recht des Stärkeren. Neugierig beschnüffelte er die Toten. Sie waren so leicht zu töten gewesen, es war schwerer, einen Hund zu töten als sie. Ohne ihre Pfeile und Speere waren sie ihm nicht gewachsen. Er würde nie mehr vor ihnen Angst haben und sich nur mehr vor ihnen hüten, wenn sie Waffen in den Händen trugen.

Die Nacht kam. Der Vollmond stieg am Himmel auf und erhob sich hoch über die Bäume, er übergoß das Land mit Licht und tauchte es in einen geisterhaften Schimmer. Noch immer lag Buck trauernd beim Tümpel. Die Nacht war so still, und doch fühlte er, daß die Wälder um ihn nicht mehr verlassen waren. Aber es war nicht die Gegenwart der Yeehats, die er spürte. Lauschend und witternd stand er auf.

Von weither drang ein schwaches, scharfes Kläffen zu ihm, dem ein Chor gleicher Stimmen antwortete. Sie kamen näher und wurden lauter und lauter. Diese Stimmen gehörten jener anderen Welt an, die so hartnäckig in seiner Vorstellung lebte. Er schritt bis in die Mitte der Lichtung und lauschte. Es war der alte, geheimnisvolle Ruf, er klang verlockender und zwingender als jemals. Noch nie vorher war er so bereit gewesen, ihm zu folgen. John Thornton war tot. Das letzte Band war zerrissen. Die Menschen und ihre Forderungen hielten ihn nicht länger.

Auf seinen Jagdzügen war das Wolfsrudel vom Land der Ströme und Wälder in Bucks Tal herübergewechselt. Vom Mondlicht übergossen stand Buck bewegungslos auf der Lichtung wie eine Statue und erwartete sein Kommen. So still und so groß stand er vor ihnen, daß die Wölfe zuerst scheu vor ihm zurückwichen. Nach einer kleinen Weile sprang ihn der Kühnste an. Wie ein Blitz biß Buck zu und brach ihm das Genick. Der besiegte Wolf wälzte sich im Todeskampf, Buck stand wieder regungslos wie vorher. Drei andere griffen ihn hintereinander an, aber jeder von ihnen mußte sich mit blutender Kehle oder zerfetzter Schulter zurückziehen.

Plötzlich ging das ganze Rudel auf ihn los. Sie fielen blindlings über ihn her. Buck erwartete sie. Ohne seine wunderbare Geschicklichkeit und seine Kraft hätte er diesen Kampf verloren, aber er raste umher, hieb zu und war überall zugleich. Er gab sich keine Blöße, so schnell wirbelte er von einem Angreifer zum anderen. Langsam zog er sich zurück, damit die Wölfe ihn nicht von rückwärts anfallen konnten, vorbei am Tümpel und hinein in das Flußbett, bis er auf eine ziemlich hohe Sandbank stieß. Beim Goldwaschen hatten die Männer dort einen scharfen, rechten Winkel ausgehoben und hier, geschützt von drei Seiten, stellte sich Buck wieder den Wölfen.

Und so gut verstand er es, diesen Platz zu halten, daß sich die Wölfe nach einer halben Stunde entmutigt zurückzogen. Die Zungen hingen ihnen aus den Mäulern, im fahlen Mondlicht blitzten ihre Zähne grausam weiß. Einige legten sich nieder, hoben die Köpfe und hielten die Ohren gespitzt, andere blieben stehen und beobachteten Buck. Der Rest des Rudels ging zum Tümpel und leckte gierig Wasser.

Nur einer der Wölfe kam näher, ein magerer, grauer Geselle. Er winselte freundlich, und Buck erkannte in ihm den wilden Bruder wieder, mit dem er eine Nacht und einen Tag gelaufen war. Er antwortete dem leisen Winseln, und sie rieben die Nasen aneinander.

Nun trat ein anderer, alter, hagerer, narbenbedeckter Wolf vor. Buck zog die Lefzen hoch, als wollte er zu knurren anfangen, aber dann beschnüffelten sie sich. Der alte Wolf ließ sich nieder, richtete die Schnauze gegen den Mond und brach in das lange Wolfsgeheul aus. Die anderen Wölfe folgten seinem Beispiel und heulten mit. Buck horchte auf. Das war der Ruf, das war der geheimnisvolle Ruf! Und er setzte sich nieder zu ihnen und sang mit ihnen. Sie hörten auf zu singen, drängten sich an ihn und beschnupperten ihn. Als die Leitwölfe den Lockruf des Rudels begannen, antworteten die Wölfe im Chor und folgten ihren Führern in die Wälder. Und neben seinem wilden Bruder rannte Buck, und er sang wie er das wilde Lied der Wölfe.

Und damit endet die Geschichte von Buck. Es dauerte nur wenige Jahre, da stellten die Yeehats eine merkwürdige Veränderung im Aussehen der Wölfe fest, manche hatten braune Flecken auf den Köpfen und ein weißes Mal auf der Brust.

Aber noch seltsamer ist die Geschichte von einem Geisterhund, der an der Spitze des Rudels laufen soll. Die Yeehats fürchten sich vor ihm, denn er ist schlauer als sie alle. Er bestiehlt ihre Lager, beraubt ihre Fallen und tötet ihre Hunde.

Doch Schrecklicheres erzählt man sich: von Jägern, die nicht mehr zum Lager zurückkommen, von Jägern, die man mit aufgerissener Kehle findet, umgeben von Wolfsspuren, die größer sind als die eines Wolfes. Jeden Herbst, wenn die Yeehats dem Zug der Elche folgen, vermeiden sie eines der Täler. Und die Frauen am Feuer werden traurig, wenn erzählt wird, wie jener böse Geist zum erstenmal dorthin kam.