Выбрать главу

Und er lernte nicht nur durch Erfahrung, längst abgestumpfte Instinkte wurden wieder lebendig. Generationen gezähmter, friedlicher Haustiere fielen von ihm ab, und uralte Kenntnisse kamen ganz von selbst, ohne sein Zutun, zum Vorschein, verschwommene Erinnerungen an die Urzeit seiner Rasse, da wilde Hunde in Rudeln den Wald durchstreift und ihre Beute getötet hatten. Reißen, Aufschlitzen und schnelles Zuschnappen – die Kampfart eines Wolfes – lernte er ganz von selbst. So hatten seine längst vergessenen Vorfahren gekämpft. Und wenn er in den stillen, kalten Nächten wie ein Wolf einen Stern anheulte, so war es nicht seine eigene Stimme, sondern die seiner Ahnen. Buck fand zu sich selbst zurück, und er fand sich, weil die Menschen im Norden ein gelbes Metall entdeckt hatten und weil Manuel nur ein Hilfsgärtner war, der spielte und dessen Lohn dafür nicht ausreichte.

Das wilde Tier

Das Raubtier in Buck war lebendig geworden, und es wurde in der wilden, rauhen Umwelt immer stärker und stärker in ihm. Aber noch war es ein verborgenes, geheimes Wachsen. Instinkt und Klugheit verhinderten eine vorzeitige Entfaltung. Buck war sich auch über die Veränderung in ihm noch nicht im klaren, zuerst mußte er sich in die neuen Verhältnisse einleben. Er begann keinen Streit und ging jeder Gelegenheit eines Kampfes aus dem Weg. Selbst der Haß, den er gegen Spitz empfand, verleitete ihn nicht zu einem verfrühten Angriff.

Dagegen versäumte Spitz nie eine Gelegenheit, seine Stärke zu zeigen, vielleicht weil er in Buck einen gefährlichen Rivalen ahnte. Er fiel Buck ständig an und lauerte darauf, den entscheidenden, Kampf zu beginnen, der nur mit dem Tod des einen oder des anderen enden konnte. Dieser Kampf hätte schon ziemlich bald ausgetragen werden können, wenn ihn nicht ein ungewöhnlicher Vorfall verhindert hätte.

Eines Tages schlugen sie am Abend ein elendes, ödes Lager am Ufer des Le-Barge-Sees auf. Schneetreiben, ein Sturm, der wie mit weißglühenden Messern schnitt, und frühe Dunkelheit hatten sie gezwungen, den erstbesten Lagerplatz zu nehmen. Hinter ihrem Rücken stieg eine senkrechte Felsmauer auf. Perrault und François lagerten auf dem Eis des Sees, breiteten ihre Schlafsäcke aus und zündeten ein Feuer an. Das Zelt hatten sie in Dyea zurückgelassen, um die Ladung zu erleichtern. Sie warfen ein paar Treibhölzer auf das bescheidene Feuer, das sich in das Eis einfraß und bald wieder verlöschte. Sie aßen ihr kärgliches Abendbrot im Dunkeln.

Dicht unter dem schützenden Felsen grub sich Buck sein Nest. So gemütlich und warm war es dort, daß er es nur widerwillig verließ, als François die am Feuer aufgetauten Fische verteilte. Als Buck wieder zu seiner Schlafstätte zurückkam, fand er sie besetzt. Ein warnendes Knurren sagte ihm, daß Spitz der Eindringling war. Bis jetzt hatte Buck Zusammenstöße mit seinem Feind vermieden, doch dies war zuviel. Das Raubtier in ihm brüllte auf, und er sprang mit einer Wut auf den Leithund los, die ihn selbst überraschte und noch mehr Spitz, der bisher geglaubt hatte, daß sein Rivale ein furchtsamer Kerl sei, der sich nur durch seine Größe behaupten konnte.

Auch François wunderte sich, als die beiden Hunde plötzlich in einem Knäuel aus dem zerstörten Nest herausschossen. Er ahnte den Grund des Streites und feuerte Buck an. »Faß an«, rief er, »gib’s ihm, bei Gott, dem schmutzigen Dieb!«

Spitz hatte es nicht leicht. Buck ließ ihn nicht an sich herankommen. Sie umkreisten einander und suchten nach einer Blöße, um dann zum tödlichen Angriff überzugehen. Es wäre gewiß zu jenem Kampf auf Leben und Tod um die Vorherrschaft gekommen, wenn nicht ein unerwartetes Ereignis die Entscheidung auf lange Zeit hinausgeschoben hätte.

Ein Fluch Perraults, der hohle Schlag eines Stockes auf ein Knochengerüst und schrilles Schmerzensgekläff übertönten auf einmal den Lärm des Kampfes. Das Lager wimmelte plötzlich von schleichenden, struppigen Leibern – halb verhungerten Eskimohunden, die das Lager von irgendeinem Indianerdorf aus gewittert hatten. Während Buck und Spitz die Aufmerksamkeit der anderen auf sich gelenkt hatten, waren sie herangekrochen., und als die zwei Männer mit festen Knüppeln unter sie sprangen, zeigten sie ihre Zähne und wehrten sich. Durch den Geruch des Proviants waren die ausgehungerten Köter in Raserei geraten, sie fielen über eine umgestürzte Kiste her und ließen sich auch durch die hageldicht niedersausenden Hiebe nicht eher vertreiben, bis das letzte Stückchen Speck und die letzte Brotkrume aufgefressen waren.

Als die überraschten Zughunde aus ihren Nestern hervorstoben, stürzten sich die grimmigen Eindringlinge sofort auf sie. Niemals hatte Buck je zuvor solche Biester gesehen. So mager waren sie, daß ihre Knochen durch das Fell zu stechen schienen. Sie sahen aus wie mit schmutzigen Häuten behängte Skelette, ihre Augen brannten, und aus ihren Rachen troff Geifer. Ihr wahnsinniger Hunger machte sie schrecklich, unwiderstehlich.

Beim ersten Ansturm schon wurden die Schlittenhunde gegen die Klippe zurückgefegt. Buck allein wurde von drei Huskies umringt, und ehe er noch zur Besinnung kam, hatten sie ihm die Schulter aufgerissen und zerschlitzt. Billie bellte in hohen, schrillen Tönen. Dave und Solleks, denen das Blut aus vielen Wunden floß, kämpften vereint gegen die heillose Bande. Joe biß wie ein Teufel um sich und zermalmte einem Husky das Vorderbein. Pike machte es sich zunutze, sprang auf das verkrüppelte Tier und brach ihm mit einem blitzschnellen Ruck den Hals. Buck erwischte einen seiner Widersacher an der Kehle, und das Blut rann in sein Maul, als sich seine Zähne in die Gurgel gruben. Der fade Geschmack des Blutes stachelte ihn zu noch größerer Wildheit an. Er warf sich auf einen anderen, als er plötzlich Zähne an seinem Hals spürte. Es war Spitz, der ihn verräterisch von der Seite angegriffen hatte. Endlich gelang es Perrault und François, das Lager zu säubern, und sie eilten ihren Schlittenhunden zu Hilfe. Die wilde Woge halbverhungerter Kreaturen wich vor ihnen zurück, und Buck bekam wieder Luft. Aber nur für einen Augenblick. Die zwei Männer mußten zurücklaufen, denn die Huskies warfen sich wieder auf die Verpflegung. Billie sprang, toll in seiner Angst, über die gesamte Meute hinweg und floh, Pike und Dub folgten ihm auf dem Fuß, hinter ihnen die übrigen. Als Buck ihnen nachsetzen wollte, bemerkte er, wie Spitz von der Seite her auf ihn zusprang, um ihn niederzustoßen. Strauchelte Buck und kam er unter die Masse der Wolfshunde zu liegen, dann war er verloren. Aber es gelang ihm, den Stoß abzuwehren, und er stürmte den anderen nach, auf den See hinaus.

Später sammelten sich die neun Hunde des Gespanns und suchten Schutz im Wald. Obwohl sie nicht verfolgt wurden, befanden sie sich in einer traurigen Lage; es gab keinen, der nicht an vier oder fünf Stellen blutete, manche hatten sogar schwere Verletzungen erlitten. Dub hatte ein zerfetztes Hinterbein. Dolly, die jüngste des Gespanns, hatte eine schlimm aufgerissene Kehle, und Joe war einäugig geworden. Billie, der gutmütige, schrie und wimmerte mit seinem zerbissenen Ohr die ganze Nacht hindurch.

Bei Tagesanbruch schlichen sie in ihr Lager zurück. Die Plünderer waren fort, aber die Männer in einer sehr schlechten Laune, denn die Huskies hatten nicht nur fast die gesamten Vorräte vertilgt, sondern sogar ein Paar von Perraults Elchhaut-Mokassins hinuntergewürgt.

Mehr noch: Die Schlittenriemen waren angefressen, und François’ Peitsche war durchgebissen. Als dieser die erbärmlich zugerichteten Hunde erblickte, fing er zu klagen an: