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»Ah, ihr braven Burschen«, sagte er weich, »wer weiß, ob diese verdammten Biester nicht toll waren. Und ihr alle werdet dann auch toll. Sacredam! Was glaubst du, eh, Perrault?«

Der Kurier schüttelte verstimmt seinen Kopf. Noch vierhundert Meilen waren es bis Dawson, und er konnte sich keine größere Katastrophe vorstellen als tollwütige Hunde im Gespann. Nach zwei Stunden Fluchen und harter Arbeit war das Geschirr wieder in Ordnung, und die Hunde zogen mühselig los. Es war der gefährlichste Teil der Fahrt nach Dawson. Der Dreißigmeilenfluß war auf weite Strecken offen. Seine wilde Strömung verhinderte das Zufrieren, und nur an einigen Stellen hatte sich Eis ansetzen können. Sechs Tage furchtbarer Plackerei bedurfte es, jene schrecklichen dreißig Meilen zurückzulegen. Jeder unbedachte Schritt konnte Hunden und Menschen das Leben kosten. Wohl ein dutzendmal brach Perrault beim Aufspüren des Weges durch die dünne Eisschicht und rettete sich vor dem Versinken nur mit Hilfe einer langen Stange, die er geschickt quer über die Einbruchstelle hielt. Zu allem Unglück waren sie gerade mitten in eine Kältewelle geraten – das Thermometer zeigte fünfzig Grad Fahrenheit unter Null – und jedesmal wenn er einbrach, mußte ein Feuer angemacht werden. Es hätte ihm das Leben gekostet, wenn er seinen vor Kälte erstarrten Körper nicht erwärmt und die steifgefrorenen Kleider nicht wieder aufgetaut hätte. Perrault hatte vor nichts Angst, er war geschickt und mutig, und diese Eigenschaften befähigten ihn, seinen wichtigen und gefahrvollen Beruf auszuüben. Er nahm jedes Risiko auf sich, streckte entschlossen sein verwittertes dürres Gesicht der schneidenden Kälte entgegen und kämpfte unermüdlich vom fahlen Morgengrauen bis in die dunkle Nacht hinein. Sie führten ihren Schlitten hart am Rand des Ufers, das Eis schwankte und krachte verdächtig, und sie wagten nicht anzuhalten, um nicht einzubrechen. Aber einmal geschah es doch, und als man Buck und Dave halb erfroren herauszog, mußte sofort ein Feuer angezündet werden. Eine feste Eisschicht bedeckte die beiden Hunde, und die zwei Männer jagten sie so lange um das Feuer herum, bis das Eis auftaute und sie wieder trocken waren. Sie versengten sich dabei ihr Fell, aber blieben am Leben.

Etwas später versank Spitz und riß die anderen Hunde nach bis auf Buck, der sich mit seinen Vorderpfoten aus Leibeskräften nach rückwärts stemmte. Das Eis ringsum zitterte und krachte und brach berstend. Aber hinter Buck hielt Dave stand und am Schlittenende zog François und brach sich fast die Knöchel. Aber er konnte das Gespann halten.

Ein anderes Mal zerbrach das Eis vor und hinter ihnen. Es war ein Wunder, daß es Perrault gelang, sich auf einen Felsen zu retten. Peitschen und Riemen wurden aneinandergeknotet und Perrault zog die Hunde und den Schlitten einzeln zum Kamm der Klippe empor. Als letzter folgte François. Der Abstieg gestaltete sich fast noch schlimmer, und die Nacht war schon hereingebrochen, als sie wieder an einer sicheren Stelle des Flusses landeten. An diesem Tag hatten sie nur eine Viertelmeile zurückgelegt.

Als sie endlich zum Hootalinqua kamen, der eine sichere Eisdecke hatte, war Buck völlig ausgepumpt. Die übrigen Hunde waren in einer ähnlichen Verfassung. Perrault aber trieb sie von früh bis spät vorwärts, um die verlorene Zeit einzubringen. Am ersten Tag schon legten sie fünfunddreißig Meilen bis zum Großen Lachsfluß zurück; noch weitere fünfunddreißig Meilen, und sie waren beim Kleinen Lachsfluß. Der dritte Tag mit vierzig Meilen brachte sie hinauf zum Fünffingergebirge.

Bucks Sohlen waren nicht so fest und hart wie die der Eskimohunde oder wie die seiner Ahnen, die die Höhlenmenschen auf ihren Wanderungen begleitet hatten. Den ganzen Tag über hinkte er unter rasenden Schmerzen, und wenn abends Rast gemacht wurde, fiel er wie tot hin. Er rührte sich nicht einmal vom Fleck, um seine Fischration zu holen, und François mußte sie ihm bringen. Jeden Abend massierte der Hundeführer eine halbe Stunde lang Bucks Beine, und Perrault opferte sogar das Oberteil seiner eigenen Mokassins und stellte für Buck vier kleine Schuhe her. Das war für den abgerackerten Hund eine große Erleichterung. Eines Morgens verzog sich sogar das sonst so ernste Gesicht Perraults zu einem Grinsen, als François vergaß, Buck seine Schuhe anzuziehen. Buck lag auf dem Rücken und streckte flehend alle vier Beine in die Luft und weigerte sich, ohne seine Mokassins an die Arbeit zu gehen. Später wurden seine Sohlen hart, und die zerfetzten Hundemokassins konnten weggeworfen werden.

Eines Morgens, gerade beim Anschirren, zeigte Dolly, die damals von den Wolfshunden in die Kehle gebissen worden war, ein ganz merkwürdiges Benehmen. Sie brach in ein langgezogenes, schreckliches Wolfsgeheul aus, so daß sich jedem Hund vor Furcht die Haare sträubten, und sprang dann pfeilgerade auf Buck los. Buck hatte noch nie einen tollen Hund gesehen, aber ein panisches Entsetzen jagte ihn fort. Er floh blindlings, und hinter ihm raste die keuchende und schäumende Dolly. Er rannte über den bewaldeten Hügel der Insel, überquerte einen Kanal, den Eisblöcke bedeckten, wechselte auf eine andere Insel hinüber, auf eine dritte, drehte zum Hauptarm des Flusses zurück und schoß in seiner Verzweiflung gerade aus, fort vom Lager. Und immer spürte er dicht hinter sich das Hecheln der tollgewordenen Hündin und hörte ihr fauchendes Knurren. Plötzlich hörte er François mit gellender Stimme seinen Namen rufen, warf sich herum und rannte auf ihn zu. Als er an ihm vorbeigesaust war, ließ der Hundeführer seine Axt auf den Schädel des tollen Köters niederfallen. Buck taumelte, erschöpft und hilflos rang er nach Atem und blieb halb bewußtlos neben dem Schlitten liegen.

Jetzt sah Spitz seine Stunde gekommen. Er sprang auf Buck los, und zweimal gruben sich seine Zähne in das Fell des wehrlosen Hundes. Sie rissen und schlitzten das Fleisch bis auf die Knochen auf. Doch François’ Peitsche sauste nieder, und Buck erlebte zu seiner Genugtuung, wie Spitz die ärgsten Prügel erhielt, die der Hundeführer jemals ausgeteilt hatte.

»Dieser Spitz ist ein verdammter Teufel«, bemerkte Perrault. »Er wird einmal umbringen diesen Buck.«

»Dieses Buck zwei Teufeln in sich«, erwiderte François. »Ick beobachten dieses Buck ganze Zeit, ick weiß sicker. Eines ssonnen Tag’ er wird verzweifelt wild werden, und dann er werden zerkauen dies Spitz und spucken auf den Schnee. Ssicher. Ick weiß.«

Seither lebten die Hunde in offener Feindschaft. Spitz als Leithund und anerkannter Herr des Gespannes fühlte seine Vorrangstellung durch diesen merkwürdigen Südländer gefährdet. Für ihn war jeder Südländer ein minderwertiges Geschöpf, er hatte noch keinen gefunden, der lange vor dem Schlitten gegangen wäre; früher oder später war jeder von ihnen bei der Plackerei, der beißenden Kälte und dem Hunger eingegangen. Buck war eine Ausnahme. Er allein hielt durch, gedieh und war den Huskies an Kraft, Wildheit und Schlauheit ebenbürtig. Er war ein herrischer Hund, aber das wilde Draufgängertum hatte ihm der Stock des roten Mannes herausgeschlagen. In zäher Geduld konnte er seine Zeit abwarten.

Der Kampf um die Vorherrschaft im Gespann mußte kommen. Buck war dazu bereit, denn Stolz und Ehrgeiz hatten ihn gepackt, jener Stolz, der den Hund bis zum letzten Atemzug anhält, der ihn bereit macht, mit Freuden im Geschirr zu verrecken. Es war der Stolz, der Dave bei der Stange hielt, der Solleks mit aller Kraft ziehen ließ, der Stolz, der sie alle ergriff, wenn das Lager abgebrochen wurde, und der aus verdrießlichen, schläfrigen Tieren angespannte, eifrige und ehrgeizige Geschöpfe machte; der Stolz, der sie den ganzen Tag anspornte und der erst nachließ, wenn sie sich abends müde und noch voller Unruhe in ihren Schneenestern verkrochen. Dieser Stolz war es, der Spitz in Wut brachte, wenn die Schlittenhunde unterwegs Fehler machten, sich drückten oder sich morgens zur Zeit des Anspannens versteckten. Und um dieses Stolzes willen fürchtete Spitz den Südländer, in dem er den zukünftigen Leithund ahnte. Buck zeigte immer offener, daß er diese Vorherrschaft anstrebte.