Während der Arbeit wurde dann munter geplaudert. Oft schob Jacobus Vandergaart die Brille auf die Stirn und hielt kurze Zeit inne, um irgendeine Geschichte aus vergangener Zeit zu erzählen.
Von Südafrika, das er seit 40 Jahren bewohnte, wußte er sehr viel zu berichten. Daß seine Unterhaltung einen eigenen Reiz hatte, lag darin, daß sie die Überlieferungen des
Landes widerspiegelte, die noch heute frisch im Andenken sind.
Vor allem wurde der alte Steinschneider niemals müde, seinen patriotischen und persönlichen Kummer zu schildern. Die Engländer waren in seinen Augen die abscheulichsten Diebe, die die Erde je gesehen. Die Verantwortung für seine wohl etwas übertriebenen Anschauungen muß auf ihm ruhen bleiben, doch kann man sie ihm wohl einigermaßen verzeihen.
»Das ist nicht zu verwundern«, wiederholte er gern, »daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika sich für unabhängig erklärt haben, ebenso wie Indien und Australien bald dasselbe tun dürften. Welches Volk möchte eine solche Tyrannei ertragen? ... Oh, Monsieur Mere, wenn der Welt all die Ungerechtigkeiten bekannt wären, welche diese auf ihre Geldsäcke und ihre Macht zur See so stolzen Engländer verübt haben, dann hätte die menschliche Sprache nicht harte Ausdrücke genug, sie ihnen ins Gesicht zu schleudern. Soll ich Ihnen erzählen, was sie mir, der ich mit Ihnen spreche, angetan haben?« fuhr Jacobus Vandergaart fort. »Hören Sie mich an und dann werden Sie ja urteilen können, ob man darüber zweierlei Meinung sein kann.«
Da Cyprien ihm versicherte, daß ihm das große Freude machen werde, fuhr das Männchen fort wie folgt:
»Ich bin in Amsterdam im Jahr 1806 auf einer Reise, die meine Eltern dahin gemacht hatten, geboren. Später kam ich dahin zurück, um mein Geschäft zu erlernen; meine ganze Kindheit verlebte ich dagegen am Kap, wohin meine
Familie schon vor 50 Jahren ausgewandert war. Wir waren Holländer und stolz darauf, es zu sein, als Großbritannien sich plötzlich der Kolonie - provisorisch, wie es hieß - bemächtigte. John Bull läßt aber nicht wieder los, was er einmal gepackt, und 1815 wurden wir durch das auf einem Kongreß versammelte Europa feierlich für Untertanen des Vereinigten Königreichs erklärt.
Ich frage Sie, was hatte Europa sich in die Angelegenheiten unserer afrikanischen Provinzen einzumischen?
Ja, für englische Untertanen, aber wir wollten das nicht sein, Monsieur Mere! In der Überzeugung, daß Afrika groß genug sei, uns ein Vaterland zu geben, das uns, uns allein gehörte, verließen wir die Kapkolonie und wanderten nach den noch wilden Ländereien aus, die jenes Land im Norden begrenzen. Man nannte uns >Buren<, das heißt Bauern oder auch >Voortreckers<, das heißt etwa Pioniere oder Vorzügler.
Kaum hatten wir das neue Land gepflügt, kaum uns durch schwere Arbeit eine unabhängige Existenz geschaffen, da kam die britische Regierung und nahm uns als die ihrigen in Anspruch - immer unter dem Vorwand, daß wir englische Untertanen seien!
Das gab Anlaß zu unserem großen Auszug im Jahr 1833. Aufs neue verließen wir das Land in Masse. Nachdem wir auf die mit Ochsen bespannten Wagen unsere Hausgeräte, Werkzeuge und die Getreidevorräte verladen hatten, drangen wir noch weiter in die Wüstenei ein.
Zu jener Zeit war das Gebiet von Natal fast ganz entvöl-kert. Ein blutdürstiger Eroberer namens Tchaka, ein wirklicher Neger-Attila aus dem Zuluvolk, hatte hier von 1812 bis 1828 fast 1 Million Menschen hingeschlachtet. Auch sein Nachfolger Dingaan herrschte dort noch durch Schrecken. Dieser wilde König war es jedoch, der uns gestattete, in dem Land Niederlassungen zu gründen, da, wo sich heute die Städte Durban und Port Natal erheben.
Der schurkische Dingaan hatte dabei jedoch stets den Hintergedanken gehabt, uns zu überfallen, wenn unsere Gemeinde einigermaßen gediehen wäre. Deshalb bewaffnete sich jeder, um Widerstand zu leisten, und es war nur unter unerhörten Anstrengungen und, ich darf wohl sagen, durch wahre Wunder von Tapferkeit möglich, daß wir in über hundert Gefechten, in denen unsere Frauen und Kinder an unserer Seite kämpften, im Besitz des Landes bleiben konnten, das wir mit unserem Schweiß, mit unserem Blut gedüngt hatten.
Kaum war jedoch der schwarze Despot überwunden und seine Macht zertrümmert, als der Gouverneur des Kaps britische Truppen sandte mit dem Auftrag, das Gebiet von Natal im Namen Ihrer Majestät der Königin von England zu besetzen! . . . Sie sehen, wir waren noch immer englische Untertanen! Das geschah im Jahr 1842.
Andere ausgewanderte Landsleute hatten inzwischen den Transvaal erobert und auf dem Oranjeflusse die Macht des Tyrannen Moselikatse gebrochen. Auch sie mußten sich gefallen lassen, durch einfachen Tagesbefehl das neue Va-terland konfisziert zu sehen, das sie mit so viel Leid und Ungemach erworben hatten.
Ich übergehe alle Einzelheiten. Der Kampf währte 20 Jahre lang. Wir zogen immer weiter, und immer streckte Großbritannien seine gierige Hand nach uns aus, wie über ebensoviele Leibeigene, die noch immer der Scholle angehörten, selbst wenn sie diese verlassen hatten.
Endlich, nach unendlicher Mühe und blutigen Kämpfen, gelang es, die Anerkennung unserer Unabhängigkeit im Oranje-Freistaat durchzusetzen. Eine von der Königin Victoria unterzeichnete und vom 8. April 1854 datierte Proklamation sicherte uns den freien Besitz des Landes und das Recht beliebiger Selbstregierung zu. Wir bildeten uns endgültig zur Republik um, und niemand könnte behaupten, daß unser auf peinliche Beobachtung der Gesetze begründeter Staat, in dem jedes individuelle Vermögen sich nach Gutdünken entwickeln kann und wo allen Klassen ein möglichst gründlicher Unterricht zugänglich gemacht ist, nicht vielen anderen Nationen, die sich vielleicht für weit zivilisierter halten als unser kleiner Staat in Südafrika, als Muster dienen könnte.
Das Griqualand war ein Teil davon. Hier hatte ich mich niedergelassen, und zwar in demselben Häuschen, in dem wir uns augenblicklich befinden, hier wohnte ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern. Meinen Kraal oder das Gehege errichtete ich an der Stelle der Mine, wo Sie jetzt arbeiten. 10 Jahre später kam John Watkins ins Land und erbaute hier seine erste Hütte. Damals wußte man noch nicht, daß diese Terrains Diamanten enthielten, und was mich angeht, hatte ich seit mehr als 20 Jahren so wenig Gelegenheit gehabt, mein altes Gewerbe zu betreiben, daß ich mich kaum des Vorhandenseins jener kostbaren Steine entsann.
Plötzlich, gegen 1867, verbreitete sich das Gerücht, daß unser Gebiet Diamanten enthalte. Ein Bure von den Ufern des Haart hatte Diamanten selbst im Kot von Straußen und sogar in den Lehmmauern seiner Farm gefunden.[4]
Treu ihrem Raubsystem und alle Verträge und Rechte mißachtend, erklärte die englische Regierung gleich darauf, daß das Griqualand ihr gehöre.
Vergeblich erhob unsere Republik Einspruch. Vergeblich erbot sie sich, die Meinungsverschiedenheiten dem Schiedsspruch eines europäischen Fürsten zu unterbreiten ... England wies eine solche Entscheidung zurück und besetzte einfach unser Gebiet.
Nun hätte man wenigstens noch erwarten sollen, daß von unseren ungerechten Herren die Rechte der Privatpersonen geachtet werden würden! Ich, der ich Witwer geworden war und bei der furchtbaren Epidemie des Jahres 1870 meine Kinder verloren hatte, fühlte nicht mehr den Mut, noch einmal eine neue Heimat zu suchen und mir noch einmal einen Herd zu gründen, den sechsten oder siebten während meiner langen Lebensbahn. Ich blieb also im Gri-qualand.
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Dieser Bure hieß Jacobs. Ein gewisser Niekirk, ein holländischer Händler, der hier in Gesellschaft eines Straußjägers namens O'Reilly hindurchkam, erkannte in den Händen der Kinder des Buren als Spielzeug einen Diamanten, den er für wenige Sous kaufte und für 12.500 Francs an Sir Philipp Wordehouse, den Gouverneur der Kapkolonie, wieder veräußerte. Der betreffende Stein wurde sofort kunstgerecht bearbeitet und nach Paris geschickt, wo er in der Weltausstellung auf dem Marsfeld im Jahr 1867 eine Stelle fand. Seit dieser Zeit ist dem Boden im Griqualand alljährlich an Diamanten ein Wert von 32 Millionen Mark entnommen worden. Als merkwürdiger Umstand verdient angeführt zu werden, daß das Vorkommen von Diamantlagerstätten in diesem Land früher einmal bekannt gewesen und später wieder vergessen worden ist. Alte Landkarten aus dem 15. Jahrhundert tragen an solchen Stellen die Bemerkung: »Here Diamonds« - »Hier gibt es Diamanten.«