Fast den einzigen hier, ließ mich das Diamantenfieber, das alle Welt befiel, ganz unberührt, und nach wie vor baute ich meinen Gemüsegarten, als ob die Fundstätte des Du Toits Pan, einen Büchsenschuß von meinem Haus, gar nicht entdeckt worden wäre.
Wie groß aber war eines Tages mein Erstaunen, als ich die nach Landessitte aus trockenen Steinen errichtete Mauer meines Kraals während einer Nacht zerstört und 300 Meter weiter nach der Ebene zu fortgeschafft sah. Anstelle der meinigen hatte John Watkins mit Hilfe von hundert Kaffern eine andere errichtet, die sich direkt an die seinige anschloß und seinem Grund und Boden das Stück sandige, rötliche Land hinzufügte, das bis zur Stunde mein unbestrittenes Eigentum gewesen war.
Ich beklagte mich gegen diesen Räuber . . . er lachte nur darüber. Ich drohte ihm, eine gerichtliche Klage anhängig zu machen . . . Er meinte, ich solle es nur tun!
3 Tage später erhielt ich die Erklärung dieses Rätsels. Die mir gehörende Bodenausbuchtung war eine Diamantenmine. Nachdem John Watkins diese Überzeugung gewonnen, hatte er sich beeilt, meine Mauer zu rücken. Dann war er nach Kimberley gegangen, um offiziell die Mine auf seinen Namen anzumelden.
Ich erhob Klage . . . Möchten Sie nie erfahren, Monsieur Mere, was es in englischem Land kostet, eine Klage zu führen ! Nach und nach verlor ich darüber meine Ochsen, meine Pferde, meine Schafe! Ich verkaufte das ganze Hausgerät, bis auf die Kleidermotten, um diese menschlichen Blutegel, die man Solicitors, Attorneys, Sheriffs und Gerichtsdiener nennt, zu mästen . . . Kurz, nach einem Jahr voller Winkelzüge, voller Erwartung, immer getäuschter Hoffnung, voll Angst und innerlicher Empörung wurde schließlich die Frage meines Eigentumsrechts endgültig geregelt, ohne daß ich dagegen Einspruch erheben oder die Entscheidung kassieren lassen konnte.
Ich verlor meinen Prozeß und zugrunde gerichtet war ich obendrein! Ein Urteil in aller Form erklärte meine Ansprüche als unbegründet, wies meine Klage ab und erklärte, daß es dem Gerichtshof unmöglich sei, die anteiligen Rechte der Parteien zu erkennen, daß es sich dagegen empfehle, für die Zukunft eine bestimmte Grenze festzustellen. So bestimmte man den 25. Grad östlicher Länge von Green-wich als die Linie, die beide Besitzungen trennen sollte. Das westlich von diesem Meridian gelegene Terrain sollte John Watkins verbleiben, das östlich davon befindliche Jacobus
Vandergaart gehören. Diese auf den ersten Blick eigentümliche Entscheidung war den Richtern durch den Umstand nahegelegt, daß jener 25. Grad über das Gebiet des Bezirks und quer durch den Grund und Boden verläuft, auf dem sich früher mein Kraal befunden hatte.
Die Mine lag aber leider mehr nach Westen. Sie ging damit natürlich in das Eigentum John Watkins' über.
Trotzdem, und wie um die Ansicht des Landes durch einen unauslöschlichen Flecken zu verewigen, wird sie im Gegensatz zu dem richterlichen Ausspruch noch heute die Vandergaart-Kopje genannt!
Nun sagen Sie, Monsieur Mere, hab' ich nicht das volle Recht zu sagen, daß die Engländer Spitzbuben sind?« fragte der alte Bure, als er seine nur zu wahrheitsgetreue Erzählung beendete.
6. KAPITEL Lagerbräuche
Man wird gern zugestehen, daß der Inhalt dieses Gesprächs für den jungen Ingenieur nicht besonders angenehm war. Er konnte einer solchen Bemäkelung der Ehrenhaftigkeit des Mannes, den er noch immer heimlich als zukünftigen Schwiegervater betrachtete, keinen Geschmack abgewinnen. Deshalb gewöhnte er sich auch bald, die Ansichten des Jacobus Vandergaart über die Angelegenheit mit der Kopje als einer fixen Idee entsprungen zu betrachten, von der man gewiß vieles abziehen müsse.
John Watkins, dem gegenüber er diese Sache einmal mit zwei Worten erwähnte, hatte erst statt jeder Antwort laut aufgelacht und dann den Zeigefinger unter Kopfschütteln an die Stirn gelegt, wie um auszudrücken, daß es mit dem Verstand des alten Vandergaart nicht mehr ganz richtig sei.
War es denn nicht wirklich möglich, daß der Greis unter dem Eindruck der Entdeckung der Diamantenmine sich ohne hinreichenden Grund nur in den Kopf gesetzt hatte, sie sei eigentlich sein Eigentum? Jedenfalls hatte doch das Gericht ihm allseitig Unrecht gegeben, und man durfte doch als unwahrscheinlich ausschließen, daß die Richter absichtlich Recht für Unrecht angesehen hatten. Das sagte sich der junge Ingenieur zur Selbstentschuldigung, wenn er noch weiter mit John Watkins Umgang pflog, nachdem er erfahren hatte, was Jacobus Vandergaart über diesen dachte.
Ein anderer Lagernachbar, bei dem Cyprien gelegentlich einmal gern vorsprach, weil er bei diesem das Leben des Buren in seiner ursprünglichen Färbung antraf, war ein Farmer namens Mathys Pretorius, der unter allen Diamantengräbern des Griqualands wohlbekannt war.
Obgleich erst 40 Jahre alt, war doch Mathys Pretorius schon lange am weiten Becken des Oranjeflusses umhergeirrt, ehe er sich in diesem Land ansiedelte. Das Nomadenleben hatte auf ihn aber nicht, wie auf Jacobus Vandergaart, die Wirkung, ihn magerer und reizbarer zu machen. Er war dabei vielmehr dick und fett und das in solchem Maß ge-worden, daß er sich kaum auf den Füßen bewegen konnte. Man hätte ihn mit einem Elefanten vergleichen können.
Fast stets in einem ungeheuren Holzlehnstuhl sitzend, der eigens für ihn gebaut worden war, um seine gewaltigen Körperformen aufzunehmen, verließ Mathys Pretorius das Haus nur im Wagen, in einer Art Preschwagen aus Weidengeflecht, vor den ein riesiger Strauß gespannt war. Die Leichtigkeit, mit welcher der Stelzfüßler die enorme Masse hinter sich herzog, lieferte einen sprechenden Beweis für die gewaltige Kraft seiner Muskeln.
Mathys Pretorius kam gewöhnlich nur nach dem Lager, um mit den Kantinenwirten einen Handel in Gemüse abzuschließen. Er war höchst populär, leider von wenig beneidenswerter Popularität, weil diese sich auf seine ganz außergewöhnliche Verzagtheit gründete. Die Steingräber machten sich's auch häufig zum Vergnügen, ihm durch Erzählungen von tausend Dummheiten einen entsetzlichen Schrecken einzujagen.
Bald wurde ihm ein bevorstehender Einfall von Bassutos oder Zulus gemeldet; bald wieder stellte man sich in seiner Gegenwart so, als lese man in einer Zeitung einen Gesetzvorschlag, wonach in den englischen Besitzungen jedes Individuum von über 300 Pfund Gewicht den Tod erleiden sollte. Oder man ließ ihn auch hören, daß sich ein toller Hund auf der Straße von Driesfontein gezeigt habe, und der arme Mathys Pretorius, der diesen Weg einschlagen mußte, um nach Hause zu gelangen, erfand dann tausend Ausflüchte, um im Lager zurückzubleiben. Seine eingebil-deten Befürchtungen verschwanden jedoch noch immer gegenüber der ernsthaften Angst, die ihn wegen etwaiger Entdeckung einer Diamantenmine auf seinem Grund und Boden plagte.
Er entwarf sich schon im voraus ein entsetzliches Gemälde von dem, was dann geschehen müsse, wenn die habgierigen Menschen über seinen Gemüsegarten herfielen, seine Beete umwühlten und ihn dann gar an die Luft setzten! Die Engländer würden schon Belege finden, um nachzuweisen, daß das Land eigentlich ihnen gehöre.
Wenn sich solche düstere Vorstellungen seines Gehirns bemächtigten, schnürten sie ihm fast die Kehle zu. Wenn er unglücklicherweise einen »Prospekteur«[5] sah, der um sein Gehöft irrte, so konnte er weder essen noch trinken! Und dennoch wurde der Mann alle Tage dicker.
Einer seiner hartnäckigsten Verfolger war jetzt Annibal Pantalacci. Der boshafte Neapolitaner - der nebenbei sehr gut zu gedeihen schien, denn er ließ drei Kaffern in seinem Claim arbeiten und trug einen sehr großen Diamanten im Brustlatze des Hemdes - hatte bald die Schwäche des unglücklichen Buren herausgefunden. So machte er sich wenigstens einmal jede Woche das ziemlich zweifelhafte Vergnügen, in der Umgebung der Farm Pretorius Boden-untersuchungen anzustellen oder wenigstens die Erde oberflächlich aufzugraben.
5
So nennt man die Leute, die zur Aufsuchung eines Lagers von Mineralien oder wertvollen Steinen ausziehen, indem sie sich entweder rein auf den Zufall verlassen, solche zu entdecken, oder auch in mehr systematischer Weise dabei zu Werke gehen.