Statt jeder Antwort reichte Miss Watkins dem jungen Mann die Hand hin, die dieser zärtlich zwischen den seinen drückte.
11. KAPITEL »Der Südstern«
Die Nachricht von der Rückkehr Jacobus Vandergaarts hatte sich natürlich schnell verbreitet. Alle Welt kam nun nach der Farm gelaufen, um das Wunder der Kopje wenigstens zu sehen. Man vernahm dabei auch sehr bald, daß der Diamant Miss Watkins gehöre, daß aber ihr Vater viel mehr als sie selbst sein Inhaber sei.
Die allgemeine Neugier wandte sich also diesem Diamanten zu, einem Werk der Menschenhand und nicht der schöpferischen Natur.
Es muß hier bemerkt werden, daß von dem künstlichen Ursprung des Diamanten noch nichts in die Öffentlichkeit gedrungen war. Einerseits wären die Steingräber des Gri-qualands nicht so unverständig gewesen, ein Geheimnis auszuplaudern, das ihren unmittelbaren Ruin herbeiführen mußte; andererseits hütete sich Cyprien, dem Zufall zu sehr zu vertrauen, hatte noch nichts in dieser Beziehung ausgesprochen und sich vorgenommen, seinen Bericht über den »Südstern« nicht eher abzusenden, als bis er den Erfolg seines Verfahrens durch einen zweiten Versuch bestätigt hatte. Was er ein erstes Mal vollbracht hatte, das wollte er auch ein zweites Mal imstande sein.
Die allgemeine Aufmerksamkeit war also außerordentlich erregt, und John Watkins hätte sich schon anstandshalber nicht weigern können, sie zu befriedigen, ganz abgesehen davon, daß sie ja seiner Eitelkeit schmeichelte. Er brachte den »Südstern« auf leichter weißer Unterlage auf einer kleinen weißen Marmorsäule an, die sich in der Mitte über dem Kamin seines Besuchszimmers erhob, und den ganzen Tag lang blieb er davor in seinem Lehnstuhl sitzen, wachte über das unvergleichliche Juwel und zeigte es jedem, der da kam.
James Hilton war der erste, der ihn darauf aufmerksam machte, wie unklug ein solches Benehmen war. Bedachte er wohl, welche Gefahren er über sein Haupt heraufbeschwor, wenn er so aller Augen den enormen Wert, den er unter seinem Dach barg, preisgab? Nach Hiltons Ansicht war es unumgänglich nötig, von Kimberley eine spezielle Polizeiwache zu erbitten, oder es könnte vielleicht schon die nächste Nacht nicht ohne ein Unglück verlaufen.
Erschrocken über diese Möglichkeit, beeilte sich Mr. Watkins, dem weisen Rat seines Gastes zu folgen, und atmete erst wieder auf, als er gegen Abend einen Trupp berittener Policemen ankommen sah. Diese 24 Mann wurden in den Nebengebäuden der Farm untergebracht.
Der Zufluß von Neugierigen nahm in den nächsten Tagen nur noch mehr zu, und der Ruhm des »Südsterns« hatte bald die Grenzen des Bezirks überschritten, um sich bis nach den entferntesten Städten zu verbreiten. Die Tageszeitungen der Kolonie widmeten spaltenlange Artikel der Beschreibung seiner Größe, seiner Form und Farbe sowie seines Glanzes. Das Telegraphenkabel von Durban übernahm es, diese Einzelheiten über Sansibar und Aden zuerst nach Europa und Asien und dann nach Nord- und Südamerika und nach Ozeanien zu übermitteln. Fotografen rissen sich um die Ehre, ein Bild des wunderbaren Diamanten aufzunehmen. Im Auftrag illustrierter Journale kamen Zeichner angereist, ihn für ihre Blätter darzustellen. Endlich wurde die Sache für die ganze Welt zu einem wirklichen Ereignis.
Jetzt mischte sich auch die Fabel mit hinein. Unter den Steingräbern zirkulierten fantastische Geschichten über die geheimnisvollen Eigenschaften, die ihm zugeschrieben wurden. Man raunte einander zu, daß ein schwarzer
Stein unbedingt »Unglück bringen müsse«. Erfahrene Leute schüttelten den Kopf und erklärten, daß sie diesen Feuerstein viel lieber bei Watkins als im eigenen Haus sähen. Kurz, üble Nachreden und selbst Verleumdungen, die von jeder Berühmtheit unzertrennlich sind, fehlten auch dem »Südstern« nicht - der sich ganz natürlich darum nicht im mindesten kümmerte, denn er goß wie zuvor
. . . Ströme von Licht Auf jeden finstern Bösewicht![6]
Mit John Watkins lag das freilich ganz anders, da diesen jenes Geschwätz bald zur Verzweiflung brachte. Es erschien ihm, als würde der Wert des Steins dadurch einigermaßen herabgesetzt, und er empfand das als eine Art persönliche Beleidigung. Nachdem der Gouverneur der Kolonie und die Offiziere der benachbarten Garnisonen, die Stadtkommandanten, die Beamten und alle Volksvertreter herbeigekommen waren, seinem Edelstein ihre Huldigungen darzubringen, erblickte er in den mehr als freimütigen Äußerungen, die man sich über seinen Besitz erlaubte, fast eine Gotteslästerung.
Ebenso um diesen Alfanzereien ein Ende zu machen, wie seinen von jeher etwas lüsternen Gaumen einmal wieder zufriedenzustellen, beschloß er, einen großen Schmaus zu geben, zu Ehren des ihm so ans Herz gewachsenen Diamanten, den er noch immer in klingende Münze umzusetzen hoffte, was Cyprien auch dagegen sagen und so sehr seine Tochter wünschen mochte, ihn wie er war zu behalten.
So stark ist der Einfluß des Magens auf eine große Zahl Menschen, daß schon die Anzeige von diesem Essen reichte, von diesem Tag zum anderen die öffentliche Meinung im Vandergaart-Lager völlig umzuwandeln. Da hörte man die Leute, die sich früher am mißliebigsten über den »Südstern« ausgesprochen hatten, plötzlich einen anderen Ton anschlagen und aussprechen, daß dieser Stein doch an der ihm zugeschriebenen schlechten Wirkung ganz unschuldig sei, und darauf nahmen sie die Einladung zu John Watkins mit großem Vergnügen an.
Von diesem Fest im Becken des Vaal sollte sehr lange die Rede sein. An dem betreffenden Tag fanden sich 80 Gäste zur Tafel unter einem großen Zelt ein, das an die Wand des Empfangszimmers, die man gleich entfernt hatte, angebaut wurde.
Ein »Baron royal«, ein gewaltiger Braten, bestehend aus einem ganzen Ochsenrücken, nahm die Mitte des Tisches ein und wurde von ganzen Lämmern und Vertretern aller Arten Wild des Landes umringt. Berge von Gemüse und Früchten, zahlreiche Biertonnen und Weinfässer, die an verschiedenen Stellen übereinandergelagert und schon mit Zapfhähnen versehen waren, vervollständigten die Anordnung dieser wahrhaft üppigen Tafel.
Auf seinem Sockel und umgeben von brennenden Kerzen stand der »Südstern« gleich hinter dem Rücken John Watkins' bei dem Festmahl, das ja zu seiner Ehre gegeben wurde.
Die Bedienung bildeten zwanzig, für diese Gelegenheit engagierte Kaffern unter der Anführung Matakits, der sich erboten hatte, diese - mit Erlaubnis seines Herrn - zu kommandieren.
Hier befanden sich außer der Polizeimannschaft, der Mr. Watkins auf diese Weise seinen Dank abstatten wollte, alle hervorragenden Persönlichkeiten des Lagers und der Umgebung, Mathys Pretorius, Nathan, James Hilton, Annibal Pantalacci, Friedel, Thomas Steel und fünfzig andere.
Selbst die Tiere der Farm, die Büffel, Hunde und besonders die Strauße von Miss Watkins erhielten ihren Teil von dem Fest, indem sie herankamen, einige Brosamen von der Tafel zu erbetteln.
Alice saß ihrem Vater gegenüber am anderen Ende des Tisches und machte mit der ihr angeborenen Grazie die Honneurs, doch nicht ohne einen geheimen Kummer, obgleich sie völlig den Grund der Abwesenheit von zwei gewissen Personen begriff; weder Cyprien Mere noch Jacobus Vandergaart nahmen an dem Festgelage teil.
Der junge Ingenieur hatte immer soviel wie möglich die Gesellschaft Friedels, Pantalaccis und der Genossen dieser Leute gemieden. Außerdem kannte er seit seiner Entdeckung deren wenig wohlwollende Gesinnung gegen ihn und sogar ihre Drohung gegen den Erfinder der künstlichen
Herstellung von Diamanten, wodurch sie vollständig zugrunde gerichtet zu werden fürchten mußten. Er hatte sich also zurückgehalten und war der Einladung zur Tafel nicht gefolgt. Jacobus Vandergaart, dem gegenüber John Watkins nichts unversucht ließ, ihn gegen sich freundlich zu stimmen, hatte alles von Anfang her glatt zurückgewiesen.
Das Bankett ging allmählich zu Ende. Wenn es in guter Ordnung verlief, kam das daher, daß die Anwesenheit von Miss Watkins selbst den rohesten Gästen einen gewissen Zwang zu äußerlicher Anständigkeit auferlegte, obwohl Mathys Pretorius wie immer als Zielscheibe für schlechte Witze Annibal Pantalaccis dienen mußte, indem dieser dem unglücklichen Buren die unsinnigsten Bären aufband. So sollte unter dem Tisch plötzlich ein Feuerwerk abgebrannt werden! ... Man erwarte nur, daß Miss Watkins sich zurückziehe, um den dicksten Mann der Gesellschaft zu verurteilen, 12 Flaschen Gin in einem Zug zu trinken! . . . Oder es sei beabsichtigt, das Gelage mit einem großen Faustkampf und einem allgemeinen Gefecht mit Revolvern zu beschließen.
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Jean-Jacques Lefranc de Pompignan,