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Sein Dokument wolle er aber auf keinen Fall einbüßen, erklärte er bestimmt, wenn es sich im Magen des Tieres nicht fände, müsse es eben weitergesucht werden. Er brauche es um jeden Preis.

Die Operation war immerhin nicht so leicht auszuführen, wie man auf den ersten Blick, unter Berücksichtigung der resignierten Haltung Dadas, hätte glauben können. Ein Strauß, selbst ein solcher von mäßiger Größe, ist mit furchtbarer Körperkraft ausgerüstet. Kaum durch das Messer eines Gelegenheitschirurgen ihrer Federdecke beraubt, war es nur zu gewiß, daß die Patientin sich auflehnen, wütend werden und rücksichtslos um sich herum schlagen würde. So wurden also Li und Bardik hinzugerufen, um als Gehilfen zu dienen.

Zuerst kam man dahin überein, den Strauß gehörig zu fesseln. Dazu wurden die Leinen verwendet, von denen Li in seinem Zimmer stets einen Vorrat aufbewahrte. Bald hatte ein ganzes Netz von Schlingen und Knoten die Beine und den Schnabel der unglücklichen Dada umsponnen, der es dadurch unmöglich gemacht wurde, irgendwie Widerstand zu leisten.

Cyprien begnügte sich hiermit aber noch nicht. Um die Empfindlichkeit von Miss Watkins zu schonen, wollte er ihrem Strauß überhaupt jeden Schmerz ersparen, deshalb umwickelte er dessen Kopf mit einem chloroformgetränkten, zusammengelegten Leinentuch.

Erst nachdem das geschehen war, schritt er, nicht ohne einige Besorgnis über den Ausgang, zu der immerhin gewagten Operation.

Schon erregt durch jene Vorbereitungen, hatte sich Alice, bleich wie der Tod selbst, nach dem Nebenzimmer zurückgezogen.

Cyprien begann damit, seine Hand längs des Halses des Tieres herabgleiten zu lassen, um sich über die Lage des Kropfs zu vergewissern. Das war nicht schwierig, denn der Kropf bildete am oberen Vorderteil des Brustkastens eine ziemlich beträchtliche, harte, widerstandsfähige Masse, die seine Finger mitten unter den benachbarten Weichteilen leicht herausfühlten.

Mit Hilfe eines scharfen Messers wurde nun die Haut am Hals sorgsam eingeschnitten. Diese erwies sich als dick und schlaff, wie bei einem Truthahn, und war mit feinem grauen Flaum bedeckt, der sich leicht entfernen ließ. Der Einschnitt veranlaßte kaum eine Blutung und wurde mit angefeuchtetem Leinen vorsichtig ausgetupft.

Cyprien sah nun zunächst zwei oder drei ziemlich starke Pulsadern vor sich liegen, die er durch kleine eiserne Haken, die Bardik zu halten bekam, an die Seite schob. Dann öffnete er ein weißes, perlmutterartiges Gewebe, das eine weite Höhlung unterhalb der Schlüsselbeine umgab, und hatte bald den Kropf des Straußes bloßgelegt.

Man stelle sich den Kropf einer Henne, aber dem Umfang, der Dicke und dem Gewicht nach hundertmal vergrößert vor, und man wird eine ziemlich zutreffende Vorstellung von dem Anblick gewonnen haben, den der vorliegende Behälter darbot.

Der Kropfmagen Dadas zeigte sich in Gestalt einer bräunlichen Tasche, die sowohl durch das Futter als auch durch die unverdaulichen Fremdkörper, die das gefräßige Tier im Laufe des Tages oder wohl auch schon früher verschlungen hatte, stark ausgedehnt erschien. Der erste Blick auf das mächtige, gesunde, fleischige Organ genügte schon, um sich zu überzeugen, daß ein mechanischer Eingriff gefahrlos zu wagen war.

Mit dem großen Jagdmesser, das Li bis dahin verborgen gehalten, nachdem er es vorher sorgsam geschliffen hatte, machte Cyprien einen tiefen Einschnitt in den Kropfmagen des Tieres.

Jetzt war es leicht, die Hand bis zu seinem Grund einzuführen.

Sofort wurde das von Mr. Watkins so schmerzlich vermißte Schriftstück erkannt und herausbefördert. Es war fast zu einer Kugel zusammengerollt, etwas zerknittert, aber sonst in unverletztem Zustand.

»Da stecken auch noch andere Dinge drin«, sagte Cyp-rien, der die Hand wieder in die Höhlung eingeführt hatte, aus der er diesmal eine Elfenbeinkugel hervorzog.

»Miss Watkins' Stopfkugel!« rief er. »Wenn man bedenkt, daß das Tier sie vor 5 Monaten verschlungen hat! . . . Offenbar hat sie nicht durch die untere Ausgangsöffnung weitergleiten können.«

Nachdem er Bardik die Billardkugel übergeben hatte, setzte er seine Nachforschungen, wie ein Altertumsforscher in einem Lager aus der Römerzeit, fort.

»Ein kupferner Handleuchter!« rief er verwundert, während er das bescheidene, bestoßene, zerkratzte, platt gedrückte, oxydierte, aber doch völlig erkennbare Hausgerät vorzeigte.

Jetzt fingen Bardik und Li so unbändig an zu lachen, daß Alice selbst, die eben in das Zimmer zurückgekehrt war, nicht umhin konnte, es ihnen gleichzutun.

»Goldmünzen! ... Ein Schlüssel! ... Ein Hornkamm!« meldete Cyprien, indem er den weiteren Inhalt leerte.

Plötzlich erbleichte er. Seine Finger hatten einen Gegenstand von außergewöhnlicher Form erfaßt . . . Nein! . . . Er konnte kaum darüber in Zweifel sein, was das war, und doch wagte er kaum an einen solchen Zufall zu glauben.

Endlich brachte er die Hand wieder aus der Höhlung und hob den Gegenstand, den er darin gefaßt hatte, in die Höhe ...

Da entfuhr John Watkins' Mund ein lauter Aufschrei.

»Der >Südstern<!«

Ja . . . der berühmte Diamant war unversehrt wiedergefunden, hatte nichts an seinem Glanz verloren und blitzte beim hellen Tagesschein wie ein schimmerndes Gestirn. Nur hatte er merkwürdigerweise - ein Umstand, der allen Zeugen dieses Auftritts sofort in die Augen fiel, eine Farbveränderung erlitten.

War er früher pechschwarz gewesen, so leuchtete der Südstern jetzt rosenrot, so schön rosenrot, daß es seine Wasserklarheit und seinen Glanz womöglich noch erhöhte.

»Glauben Sie nicht, daß dieser Umstand seinen Wert herabsetzt?« fragte Mr. Watkins begierig, als er erst wieder Worte fand, denn Überraschung und Freude hatten ihm anfänglich fast ganz den Atem geraubt.

»Nicht im geringsten!« versicherte Cyprien. »Im Gegenteil, das ist eine weitere Merkwürdigkeit, die den Stein in die so seltene Familie der >Chamäleon-Diamanten< einreiht. Offenbar kann es in Dadas Kropfmagen nicht kalt gewesen sein, weil dieser Farbenwechsel an sich gefärbter Diamanten, über den in gelehrten Gesellschaften schon oft genug verhandelt worden ist, im allgemeinen auf eine plötzliche Temperaturveränderung zurückgeführt wird.«

»Oh, dem Himmel Dank! ... Da bist du ja wiedergefunden, du meines Herzens teuerster Schatz!« rief Mr. Watkins wiederholt und drückte den Diamanten in seiner Hand, wie um sich zu überzeugen, daß er nicht etwa nur träumte. »Du hast mir durch dein Verschwinden so unsäglichen Kummer bereitet, du undankbarer Stern, so daß ich dich nun nimmermehr von mir lasse!«

Er hob ihn vor seinen Augen in die Höhe, liebkoste ihn mit den Blicken und schien nicht übel geneigt, ihn, nach dem Beispiel Dadas, gleich zu verschlingen.

Cyprien, der sich von Bardik eine Nadel mit ziemlich festem Faden darin hatte holen lassen, nähte inzwischen den Kropfmagen des Straußes sorgfältig wieder zu. Nachdem er dann ebenfalls mittels Naht den Einschnitt in die Weichteile des Halses wieder geschlossen hatte, befreite er das Tier von den Fesseln, die es bisher jeder Bewegung beraubt hatte.

Sehr angegriffen und fast beschämt, hätte man sagen mögen, senkte Dada den Kopf und zeigte gar kein Verlangen, davonzulaufen.

»Glauben Sie, daß sie sich erholen wird, Monsieur Cyprien?« fragte Alice, die sich die Leiden ihres Günstlings mehr angelegen sein ließ, als das Wiedererscheinen des Diamanten.

»Wie, Miss Watkins, ob ich glaube, daß Dada sich erholt?« antwortete Cyprien. »Meinen Sie, ich hätte diese Operation unternommen, wenn ich des Ausgangs nicht si-cher war? . . . Nein, binnen 3 Tagen wird nichts mehr davon wahrzunehmen sein, und ich wette, Dada wird keine 2 Stunden verstreichen lassen, bis sie die merkwürdige Tasche, die wir eben ausgeleert, wieder zu füllen anfängt!«

Durch solche Zusicherungen beruhigt, sandte Alice dem jungen Ingenieur noch einen dankbaren Blick zu, der diesen für alle gehabte Mühe belohnte.