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Inmitten dieser allgemeinen und leicht begreiflichen Unbehaglichkeit tat Jacobus Vandergaart einen Schritt auf den Farmer zu.

»John Watkins«, begann er, »ich mag meinen Sieg nicht mißbrauchen und gehöre nicht zu denen, die den überwundenen Feind noch mit Füßen treten. Wenn ich auf meinem guten Recht bestand, so tat ich damit nicht mehr, als was jeder brave Mann sich selbst schuldig ist. Ich weiß aber auch aus Erfahrung, und mein Advokat wies noch besonders darauf hin, daß das strenge Recht zuweilen an Ungerechtigkeit grenzt, und ich möchte auf Unschuldige nicht die Folgen von Fehlern fallen lassen, die sie nicht begangen haben. Nun denn, ich stehe allein in der Welt und vielleicht schon mit einem Fuß im Grab. Was sollten mir so viele Schätze nützen, wenn ich sie nicht mit andern teilen könnte? ... Wenn Sie, John Watkins, zustimmen, diese beiden jungen Leute zu vereinigen, so bitte ich diese, den >Südstern< von mir als Angebinde entgegenzunehmen, da jener für mich ja doch nutzlos ist. - Ich verpflichte mich überdies, sie als meine Erben einzusetzen, um, soweit es in meiner Macht steht, das unbeabsichtigte Unrecht wiedergutzumachen, das ich Ihrer liebenswürdigen Tochter zufüge!«

Auf diese Worte folgte unter den Zuhörern das, was die Parlamentsberichte als »lebhafter Beifall und Zustimmung« bezeichnen. Alle Blicke richteten sich auf John Watkins. Dessen Augen zeigten plötzlich einen feuchten Schimmer und er bedeckte sie mit zitternden Händen.

»Jacobus Vandergaart!« rief er endlich, außerstande, die ihn bewegenden stürmischen Gefühle zu bändigen, »ja . . . Sie sind ein Ehrenmann und rächen sich edelmütig für das Unrecht, das ich Ihnen zugefügt, durch die Begründung des Glücks dieser beiden Kinder!«

Weder Alice noch Cyprien vermochten, wenigstens nicht mit vernehmlichen Lauten, zu antworten, ihre Blicke aber übernahmen das für sie.

Der Greis streckte dem früheren Gegner die Hand entgegen und John Watkins ergriff sie voller Wärme.

Alle Augen der Umstehenden waren feucht geworden, selbst die eines alten grauköpfigen Konstablers, der sonst so trocken aussah wie ein Schiffszwieback.

John Watkins selbst erschien jetzt ganz umgewandelt. Seine Gesichtszüge drückten ebensoviel Wohlwollen und Sanftmut aus, wie vorher Härte und Bosheit.

Auch das bis dahin ernste, strenge Antlitz Jacobus Van-dergaarts nahm wieder den gewohnten Charakter heiterer Gutmütigkeit an.

»Vergessen wir alles«, rief er, »und trinken wir auf das Wohlergehen des jungen Paares - wenn der Herr Offizier des Sheriffs es gestatten will - von dem Wein, den er beschlagnahmt hat.«

»Ein Offizier des Sheriffs hat zuweilen die Verpflichtung, sich dem Verkauf steuerpflichtiger Getränke zu widersetzen, nicht aber deren Verzehrung.«

Nach dieser frohlaunigen Entscheidung kreisten die Flaschen von neuem, und bald herrschte wieder die unbeschränkte Heiterkeit im Speisesaal.

Jacobus Vandergaart saß zur Rechten John Watkins' und entwarf mit ihm Pläne für die Zukunft.

»Wir verkaufen alles und folgen unseren Kindern nach Europa«, sagte er.

»Dort gründen wir uns auf dem Land ein Heim in ihrer Nähe, und werden hoffentlich noch manche schöne Tage mit ihnen verleben!«

Seite an Seite sitzend hatten sich Alice und Cyprien in eine leise, französisch geführte Plauderei versenkt - eine

Plauderei, die wegen der Alice ungewohnteren Sprache nicht minder interessant erschien, wenn man das nach der Lebhaftigkeit der beiden Teilnehmer abschätzen durfte.

Jetzt war es ungemein warm geworden. Eine schwüle, drückende Hitze trocknete die Lippen schon am Rand der Gläser und verwandelte alle Tischgenossen in ebenso viele Elektrisiermaschinen, die bis zum Funkengeben geladen waren. Vergeblich hatte man Türen und Fenster weit offen stehen lassen. Nicht der mindeste Luftzug bewegte die Flammen der Kerzen.

Jedermann empfand, daß die bedrückenden atmosphärischen Verhältnisse nur eine einzige Art der Lösung finden könnten - einen tüchtigen Sturm mit Gewitter und Platzregen -, wie solche im südlichen Afrika nicht selten, einem Aufstand aller Elemente der Natur vergleichbar, auftreten. Ein derartiges Ungewitter erwartete, ja erhoffte man jetzt als eine Erleichterung.

Plötzlich verbreitete ein greller Blitz einen grünlichen Schein über alle Gesichter, und fast gleichzeitig verkündete der über die weite Ebene hinrollende Donner, daß das Konzert begonnen habe.

In demselben Augenblick fegte durch den Raum ein heftiger Luftstrom, der alle Kerzen verlöschte. Dann öffneten sich ohne Übergang alle Schleusen des Himmels und die Sintflut strömte herab.

»Hörten Sie unmittelbar nach dem starken Donnerschlag nicht ein kurz dauerndes trockenes Geräusch?« fragte Thomas Steele, während sich mehrere bemühten, Fenster und

Türen schnell zu schließen, und die Kerzen wieder angezündet wurden; »man hätte dabei an das Zerspringen einer Glaskugel denken können.«

Wie instinktiv wendeten sich alle Blicke sofort nach dem »Südstern« hin.

Der Diamant war verschwunden.

Übrigens standen der Gitterkäfig und die Glasglocke, die ihn bedeckten, noch auf derselben Stelle, und es war unbedingt auszuschließen, daß jemand den Stein berührt habe.

Die Erscheinung glich fast einem Wunder.

Cyprien, der sich schnell nach dem Diamanten hingeneigt hatte, erkannte an dessen Stelle auf dem blausamtenen Kissen sofort einen feinen grauen Staub. Er stieß einen Schrei der Verwunderung aus, erklärte aber mit vier Worten den hier stattgefundenen Vorgang:

»Der >Südstern< ist zersprungen!« sagte er.

Im Griqualand weiß jedermann, daß das sozusagen eine Krankheit ist, an der die Kapdiamanten leiden, doch spricht absichtlich niemand davon, um deren Handelswert nicht zu vermindern. Tatsache bleibt es immerhin, daß gerade die kostbarsten Steine, wohl infolge zunächst unerklärlicher Molekularverschiebung, öfter wie einfache Schlagsätze zerplatzen. In solchen Fällen bleibt von ihnen kein anderer Rückstand als ein wenig Staub, der höchstens noch als Schleifmaterial zu gebrauchen ist.

Den jungen Ingenieur beschäftigte augenblicklich die wissenschaftliche Begründung jener Erscheinung offenbar weit mehr, als der enorme Verlust, den er dadurch erlitt.

»Es ist besonders auffallend«, erklärte er inmitten der allgemeinen Bestürzung, »nicht daß der Stein unter den jetzigen Verhältnissen zersprang, sondern daß er damit bis zum heutigen Tag gewartet hat. Gewöhnlich ereignet sich ein solcher Zufall« - »Unfall« sagte er nicht einmal - »nach weit kürzerer Zeit und höchstens 10 Tage nach dem Schliff, nicht wahr, Herr Vandergaart ?«

»Vollkommen richtig! Es ist wirklich zum ersten Mal in meinem Leben, daß ich einen Diamanten habe 3 Monate nach seiner Bearbeitung noch zerspringen sehen!« erklärte der Greis seufzend . . . »Indes, es stand geschrieben, daß der >Südstern< keinem Menschen gehören sollte!« fügte er hinzu. »Und wenn ich bedenke, daß es zur Vermeidung dieses Unglücks hingereicht hätte, den Stein mit einer leichten Fettschicht zu überziehen!«

»Wirklich?« unterbrach ihn Cyprien mit der Befriedigung eines Mannes, der endlich die Lösung eines Rätsels gefunden hat. »In diesem Fall erklärt sich ja alles! Der gebrechliche Stern entlehnte diese Schutzdecke offenbar Da-das Kropfmageninhalt, und das hat bis heute seinen Untergang verhindert. Wahrlich, er hätte besser daran getan, vor 4 Monaten zu zerspringen und uns die beschwerliche Fahrt durch den ganzen Transvaal zu ersparen!«

Da bemerkten alle, daß John Watkins, der seine frohe Laune wieder völlig eingebüßt hatte, heftig auf seinem Stuhl hin und her rückte.

»Wie können Sie ein so entsetzliches Unheil nur so auf die leichte Schulter nehmen?« sagte er, gerötet von innerer

Empörung. »Auf Ehrenwort, Sie besprechen da jene 50 in Rauch aufgegangenen Millionen, als ob sich's um eine Zigarette handelte!«