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Zauberer und Hexe suchten unter dem herumliegenden Geschirr zwei Trinkgläser, die noch ganz waren, fanden auch einen Schöpflöffel, zogen Stühle heran und setzten sich zu beiden Seiten des Punschbehälters. Sie füllten ihre Gläser mit dem opalisierenden Gebräu und tranken sie auf einen Zug aus, ohne abzusetzen. Als sie fertig waren, schnappten sie beide nach Luft, denn der Punsch war tatsächlich alkohöllisch stark. Aus Irrwitzers Ohren stiegen Rauchkringel, und Tyrannjas spärliche Haarsträhnen rollten sich zu Korkenzieherlöckchen zusammen.»Aaah!«machte er und wischte sich den Mund ab.»Das tut gut.«»Jaaa«, sagte sie,»das belebt ordentlich.«Und dann begannen sie, ihre Wünsche vom Stapel zu lassen. Natürlich mußte das in Reimen geschehen, damit es wirksam war. Der Zauberer war schneller mit seinem ersten Spruch fertig:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Zehntausend sterbende Bäume im Wald soll'n wieder treiben, und die noch gesund sind, jung oder alt, sollen's auch bleiben.«Und nun hatte auch die Hexe ihren Spruch fertig:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Die Aktien der Firma Kahlschlag Co. machen nie mehr Gewinn. Sie taugen nur noch als Papier für das Klo, da gehören sie hin.«Und dann schenkten sie sich beide ein neues Glas ein und stürzten es hastig auf einen Zug hinunter, denn viel Zeit blieb ihnen nicht mehr, sie mußten ja bis Mitternacht alles ausgetrunken haben. Wieder war Irrwitzer schneller mit seinem Spruch fertig:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Die Elbe, die Weser, die Donau, der Rhein und alle Gewässer soll'n sauber und fischreich wie früher sein, oder noch besser.«Und gleich danach rief Tyrannja:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Wer brunnenvergiftet, um Dreck zu verkaufen zum eigenen Nutz, soll nie wieder Wein und Champagner saufen, nur den

eigenen Schmutz.«Von neuem schöpften sich beide ein Glas voll und schütteten es sich eilig in den Hals. Diesmal war die Tante zuerst dran:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Wer mit Robbenfellen und Elfenbein und dem Fleisch von den letzten Walen Geschäfte macht, gehe jämmerlich ein, denn niemand mehr soll dafür zahlen.«»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Und die Jahreszeiten, die warmen und kalten, durch Smog und Gase gestört, sollen wieder die alte Ordnung erhalten, so wie sich's gehört.«Und nach kurzem Nachdenken trällerte die Hexe:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Und wer da ein Loch in den Himmel reißt beim Welt-Profit-Wettrennen, dem soll es von nun an siedeheiß die eigene Haut verbrennen.«Ein weiteres Glas wurde gekippt, diesmal war wieder die Hexe schneller:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Wer Zwietracht schürt zwischen Völkern und Rassen, um Krieg zu entfachen, und mit Waffen handelt, zwecks Klimpern der Kassen, soll Pleite machen.«Und gleich darauf tönte Irrwitzer mit Stentorstimme:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Das Meer sei lebendig bis auf den Grund! Die Ölpest soll weichen. Was im Ozean lebt, das werde gesund, an den Küsten desgleichen.«Während sie so drauflos soffen und Verse schmiedeten, fiel es ihnen immer schwerer, das Kichern zu unterdrükken. Sie malten sich in Gedanken aus, was ihre scheinbar so edlen Wünsche tatsächlich für Unheil in der Welt anrichteten, und es machte ihnen das tollste Vergnügen, die beiden anwesenden Tiere und damit deren Hohen Rat so gründlich hinters Licht zu führen. Jedenfalls glaubten sie ja, das zu tun. Dazu kam aber natürlich noch, daß das alkohöllische Gesöff mehr und mehr auf sie zu wirken begann. Sie waren zwar beide ziemlich ausgepicht und konnten einiges vertragen, aber die Hast, mit der sie trinken mußten, und die teuflische Stärke des Punsches taten das ihre. 

Je länger sie herumschwadronierten, desto hochtönender und phrasenhafter wurden ihre Wünsche. Nachdem jeder schon mehr als zehn Gläser in sich hineingeschüttet hatte, begannen sie zu johlen und zu gröhlen. Eben war wieder Tyrannja an der Reihe:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Der Reichtum, mit dem man hierzuland prahlt, und den man verdient zu genießen glaubt - hicks! -, sei nicht mit der Not andrer Völker bezahlt, die man durch Zinsen um alles beraubt.«Und dann ließ sich wieder Irrwitzer hören:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Die gefährlichen Quellen der Energie werden abgeschafft. - Hups! Der Wind und die Sonne, wir nützen sie, sie liefern uns Kraft.«Nach dem nächsten Glas schrie die Hexe:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Verkauft soll nur werden, was gut ist und echt und menschlicher Arbeit entstammt, doch niemals das Leben, Gewissen und Recht und niemals Würde und Amt. - Hicks! -«Und der Zauberer röhrte:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Keine neuen Seuchen sollen entstehen, nicht natürlich, noch künstlich gemacht - hoppla! -, und die alten sollen verschwinden, vergehen und zwar über Nacht.«Und abermals stürzte jeder von ihnen ein volles Glas hinunter, und Tyrannja kreischte:»Punsch aller Pünsche, erfüll' meine Wünsche: Und den Kindern sei Hoffnung und Freude gestiftet, Vertrau'n in die künftige Welt. - Hups! - An Seele und Leib sei'n sie unvergiftet, ihr Wohl gelte mehr als das Geld! - Hicks! -«Und Irrwitzer zog mit einer neuen Strophe nach und so ging es immer weiter und weiter. Es war eine Art Saufund Dichtwettrennen, bei dem mal der eine, mal der andere um eine Nasenlänge vorne lag, aber keiner konnte den anderen endgültig abhängen. Dem Raben und dem Kater wurde angst und bang

beim Zuhören und Zuschauen. Sie konnten ja nicht nachprüfen, was in Wirklichkeit draußen in der Welt auf diese Wünsche hin geschah. Hatte dieser einzige, bis jetzt noch unhörbare Ton aus dem Neujahrsgeläut tatsächlich seine Wirkung getan? Oder war er vielleicht zu schwach gewesen, um die teuflische Umkehrwirkung des Punsches aufzuheben? Wenn der Zauberer und die Hexe doch recht hatten und von all dem, was sie da wünschten, das genaue Gegenteil eintrat? Dann war bereits die schlimmste Katastrophe für die ganze Welt im Gange, und niemand konnte sie mehr aufhalten. 

Jakob Krakel hatte seinen Kopf unter den Flügel gesteckt, und Moritz hielt sich mit den Pfoten abwechselnd die Ohren und die Augen zu. Indessen schienen auch Hexe und Zauberer allmählich zu erlahmen, teils, weil ihnen das Reimen immer schwerer fiel und sie ihr vertragliches Pensum an bösen Taten sowieso schon längst für mehr als erfüllt hielten, teils aber auch, weil sie nach und nach den Spaß an der Sache verloren. Auch sie konnten ja die tatsächlichen Folgen ihres Wunsch-Zaubers nicht mit eigenen Augen beobachten, und Leute ihrer Art empfinden das richtige Vergnügen nur, wenn sie sich am Unglück, das sie hervorrufen, auch ganz direkt weiden können. Deshalb beschlossen sie jetzt, mit dem Rest des Wunschpunsches etwas für ihre persönliche Unterhaltung zu tun und mehr in der unmittelbaren Umgebung zu zaubern. Jakob und Moritz blieb fast das Herz stehen vor Schreck, als sie das hörten. Nun gab es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder würde sich jetzt herausstellen, daß Sankt Sylvesters Glockenton nicht gewirkt hatte, dann war sowieso alles aus und vorbei, oder er hatte tatsächlich die Umkehrwirkung des Punsches aufgehoben, dann würden Irrwitzer und Tyrannja das jetzt natürlich merken. Und was dem Kater und dem Raben dann bevorstand, war ja nicht schwer zu erraten. Sie wechselten einen beklommenen Blick. Aber Irrwitzer und Tyrannja hatten inzwischen schon jeder mehr als dreißig Gläser hinter die Binde gegossen und waren beide bereits sternhagelvoll. Sie konnten sich kaum noch auf ihren Stühlen halten.»Jetzt paß mal auf, meine liebe - hicks! - liebe Tinte Tati«, lallte der Zauberer.»Jetzt nehm' wir uns mal unsere ensückenden klein' Tierleinchen aufs Korn. W..w..was hals du davon?«»Gute Idee, Bülzebebchen«, antwortete die Hexe,»komm doch mal her su mir, Jakob, mein vorlauter Ungl - hicks! - rabe!«»Aber aber!«krächzte Jakob entsetzt,»ich bitt' recht schön, Madam, nicht mit mir, nein, ich mag nicht, Hilfe!«Er versuchte zu fliehen und torkelte im Labor herum, um irgendein Versteck zu finden, aber Tyrannja hatte schon ein volles Glas hinuntergestürzt und brachte nun, nicht ohne Mühe, folgenden Spruch zustande:»Punschallapinsche, erf. hicks!. füll meine Winsche: Jakob Krakel soll hicks! - keine Schmerzen mehr haben, nix Wunden und nix Rheumatismus, sonnern 's schönste Gefieder von allen Ra. Raben un' den kräftigsten Organismus - hicks!«Zauberer und Hexe - und ein wenig auch der pessimistische Rabe selbst - hatten erwartet, daß der Ärmste nun vollkommen nackt sein würde, wie ein gerupfter Gockel, und daß er von Schmerzen gekrümmt mehr tot als lebendig niedersinken würde. Statt dessen spürte Jakob plötzlich, daß ihn ein herrlich warmes, blauschwarz glänzendes Gefieder zierte, schöner, als er je zuvor in seinem Leben eins gehabt hatte. Er plusterte es, richtete sich hoch auf, warf sich in