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»Das weiß ich alles. Deswegen habe ich ja gesagt, du würdest mir die Frage beantworten, ohne daß ich dafür meinen Wunsch benutzen müßte.«

»Aber ich weiß noch andere Dinge, Richard, von denen du keine Ahnung hast.«

Sie betrachtete ihn mit einer Traurigkeit, die schmerzte. Ihre Augen besaßen das gleiche Feuer wie Kahlans, das Feuer der Intelligenz. Richard spürte ihren Drang, ihm zu helfen. Plötzlich machte ihm ihr Wissen angst. Nicht, weil es ihn vielleicht verletzen könnte, sondern weil es schlicht die Wahrheit war. Richard bemerkte, wie Samuel das Schwert anstarrte, und wurde sich plötzlich seiner linken Hand bewußt, die auf dem Heft ruhte. Er spürte, wie fest er es umklammert hielt und wie die hervorstehenden Buchstaben des Wortes ›Wahrheit‹ sich schmerzhaft in seine Handfläche drückten.

»Was sind das für Dinge, die du weißt, Shota?«

»Das Einfachste zuerst«, seufzte sie. »Du erinnerst dich, wie du das Zaubererfeuer mit dem Schwert aufgehalten hast. Diese Bewegung mußt du üben. Ich habe dir diese Aufgabe aus einem bestimmten Grund gestellt. Zedd wird das Zaubererfeuer gegen dich einsetzen. Nur wird es beim nächsten Mal ernst. Der Fluß der Zeit verrät nicht, wer gewinnen wird, nur daß du eine Chance hast, ihn zu schlagen.«

Richard riß die Augen auf. »Das kann unmöglich…«

»Doch«, schnitt sie ihm das Wort ab. »Es ist ebenso wahr wie der Zahn, mit dem ein Vater dem Hüter des Buches zeigen wollte, wie es wirklich geholt wurde.«

Richard war bis aufs Mark erschüttert.

»Nein, ich kenne den Hüter des Buches nicht.« Sie sah ihn mit stechendem Blick an. »Den mußt du selber finden.«

Richard wagte kaum zu atmen, brachte es kaum über sich, die nächste Frage zu stellen. »Wenn das das Einfachste war, was ist dann das Schwerste?«

Das kastanienbraune Haar fiel Shota von der Schulter, als sie seinem Blick auswich und zu Kahlan hinüberschaute, die stocksteif dastand und die wimmelnden Schlangen ertrug. »Ich weiß, wer sie ist und wie sie für mich zur Gefahr werden kann…« Sie stockte und sah ihn an. »Ganz offensichtlich weißt du nicht, wer sie ist, sonst wärst du vielleicht nicht bei ihr. Kahlan verfügt über eine gewisse Kraft. Eine Zauberkraft.«

»Das weiß ich«, brachte Richard zögernd vor.

»Richard«, sagte Shota und suchte nach den richtigen Worten. Es fiel ihr schwer. »Ich bin eine Hexe. Wie gesagt, eine meiner Fähigkeiten ermöglicht es mir, die Dinge in ihrer Entwicklung vorauszusehen. Deshalb machen mir Narren angst.« Sie beugte sich vor, unangenehm weit vor. Ihr Atem duftete nach Rosen. »Bitte, Richard, sei keiner von diesen Narren. Fürchte dich nicht wegen Dingen vor mir, die ich nicht beherrschen kann. Ich kann die Wahrheit zukünftiger Ereignisse erkennen, aber ich bestimme oder beherrsche sie nicht. Und nur weil ich sie sehe, heißt das noch lange nicht, daß ich glücklich über sie bin. Nur durch unsere Handlungen im Hier und Jetzt können wir die Zukunft verändern. Du solltest weise genug sein, diese Wahrheit zu deinem Vorteil zu nutzen. Es hat keinen Sinn, mit dem Schicksal zu hadern.«

»Und welche Wahrheit kannst du erkennen, Shota?« flüsterte er.

Ihre Augen hatten eine Kraft, daß ihm der Atem stockte. Ihre Stimme war schneidend wie eine Klinge.

»Kahlan besitzt eine Kraft, und wenn sie nicht getötet wird, dann wird sie diese Kraft gegen dich einsetzen.« Sie sah ihm tief in die Augen, während sie sprach. »An dieser Wahrheit besteht kein Zweifel. Dein Schwert kann dich vor dem Zaubererfeuer beschützen, aber nicht vor ihrer Berührung.«

Die Worte versetzten Richard einen Stich, der sein Herz zu durchbohren schien.

»Nein!« hauchte Kahlan. Sie sahen beide zu ihr herüber. Kahlan verzog gequält das Gesicht. »Das würde ich nie tun, Shota! Ich schwöre, das könnte ich ihm unmöglich antun!«

Tränen liefen ihr die Wangen herab. Shota trat vor sie, steckte die Hand zwischen den Schlangen hindurch und berührte zart ihr Gesicht, um sie zu trösten.

»Ich fürchte, du wirst es dennoch tun, mein Kind. Es sei denn, man tötet dich.« Mit dem Daumen wischte sie eine herunterkullernde Träne fort. »Einmal warst du bereits nahe dran«, sagte Shota mit überraschendem Mitgefühl. »Um Haaresbreite.« Sie nickte leicht. »Es stimmt doch, oder? Sag es ihm. Sag ihm, ob ich die Wahrheit spreche.«

Kahlan blickte Richard an. Er sah ihr tief in die unergründlichen grünen Augen und mußte an die drei Gelegenheiten denken, als er das Schwert gehalten und sie ihn berührt hatte. Wie zur Warnung war die Magie zurückgeschreckt. Letztes Mal, bei den Schlammenschen und dem Angriff der Schattenwesen, war es so stark gewesen, daß er das Schwert fast durch sie hindurchgezogen hätte, bevor er gemerkt hatte, wer sie war. Kahlan runzelte die Stirn und wich seinem starren Blick aus. Sie biß sich auf die Unterlippe und stöhnte leise.

»Es ist also wahr?« fragte Richard kaum hörbar. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. »Du hättest um Haaresbreite deine Kraft gegen mich eingesetzt, wie Shota behauptet?«

Kahlans Gesicht verlor alle Farbe. Sie stieß ein lautes, gequältes Stöhnen aus. Dann schloß sie die Augen und begann, lange und klagend zu weinen. »Bitte, Shota. Töte mich. Du mußt es tun. Ich habe geschworen, Richard zu schützen, damit er Rahl aufhalten kann. Bitte«, flehte sie mit ersticktem Schluchzen. »Es ist die einzige Möglichkeit. Du mußt mich töten.«

»Das kann ich nicht«, flüsterte Shota. »Ich habe einen Wunsch gewährt. Einen sehr törichten.«

Es zerriß Richard förmlich, als er hörte, wie Kahlan um ihren eigenen Tod flehte. Der Klumpen in seinem Hals drohte, ihn zu ersticken.

Plötzlich stieß Kahlan einen Schrei aus und warf die Arme in die Luft, damit die Schlangen sie bissen. Richard griff noch nach ihnen, doch sie waren verschwunden. Kahlan streckte die Arme aus und suchte nach den Schlangen, die nicht länger da waren.

»Tut mir leid, Kahlan. Hätte ich sie dich beißen lassen, hätte ich den Wunsch nicht erfüllt, den ich gewährt habe.«

Kahlan sank auf die Knie, vergrub weinend das Gesicht im Boden, krallte sich in die Erde. »Es tut mir so leid, Richard«, schluchzte sie. Sie klammerte sich an seine Hosen. »Bitte, Richard«, schluchzte sie. »Bitte. Ich habe geschworen, dich zu schützen. So viele sind bereits gestorben. Nimm das Schwert und töte mich. Tu es. Bitte, Richard, töte mich.«

»Kahlan … niemals könnte ich…« Er brachte kein weiteres Wort hervor.

»Richard«, sagte Shota, selbst den Tränen nahe, »wenn sie nicht getötet wird, bevor Rahl die Kästchen öffnet, wird sie ihre Kraft gegen dich einsetzen. Das ist absolut sicher. Absolut. Dabei bleibt es, solange sie lebt. Ich habe dir deinen Wunsch gewährt, ich kann sie also nicht töten. Das mußt du tun.«

»Nein!« brüllte er.

Kahlan schrie gequält auf und zog ihr Messer. Sie wollte es sich gerade in den Körper rammen, als Richard ihr Handgelenk packte.

»Bitte, Richard…«, jammerte sie, an ihn gelehnt. »Du verstehst nicht. Ich muß es tun. Wenn ich lebe, bin ich verantwortlich für das, was Rahl tut. Für alles, was geschehen wird.«

Richard zog sie am Handgelenk hoch, drückte sie weinend an sich und bog ihr den Arm auf den Rücken, damit sie das Messer nicht gegen sich erheben konnte. Er warf Shota einen wütenden Blick zu. Sie stand einfach nur da, ließ die Arme schlaff herabhängen und sah zu. War das überhaupt möglich? Konnte es stimmen? Hätte er bloß auf Kahlan gehört und wäre nie hergekommen.

Er lockerte den Griff um Kahlans Arm, als er merkte, daß er ihr weh tat. Wie benommen überlegte er, ob er zulassen sollte, daß sie sich tötete. Seine Hand zitterte.