Выбрать главу

Din Gior lief zum Tor. Er hatte sich den langen Bart über die Schulter geschlagen, und während er durch die Straßen fegte, schrie er: „Hilfe! Hilfe! Feinde im Anzug!"

Die Einwohner folgten aber nicht dem Ruf, sondern verkrochen sich in ihren Häusern. Din Gior erreichte das Tor, das Faramant fest verschloß. Die beiden begnügten sich aber nicht damit, sondern brachen Steine und Kristalle aus dem Pflaster heraus und türmten sie hinter dem Tor auf.

Dieses war bereits bis zur Hälfte verrammt, als draußen heftig geklopft wurde.

„Aufmachen, aufmachen!" schrie jemand.

„Wer ist da?" fragte Faramant.

„Urfin, der mächtige Herrscher des Blauen Landes!" „Was wünscht Ihr?"

„Die Smaragdenstadt soll sich ergeben und mich als ihren Gebieter anerkennen!"

„Niemals!" entgegnete Din Gior.

„Dann werden wir eure Stadt im Sturm nehmen!"

„Versucht es doch!" erwiderte der Langbart.

Din Gior und Faramant hoben ein paar große Steine und Kristalle auf, stiegen auf die Mauer und verbargen sich hinter einem Vorsprung.

Die Soldaten hämmerten mit Fäusten, Füßen und Stirnen gegen das Tor. Dann gingen sie in den nahen Wald und fällten dort einen hohen Baum, schleppten ihn herbei, stellten sich, von den rotbemalten Unteroffizieren angetrieben, in zwei Reihen auf, hoben den Stamm an und rammten ihn krachend gegen das Tor.

Din Gior schleuderte einen mächtigen Kristall hinab, der Urfins Schulter traf und ihn umwarf. Ein zweiter Stein sauste auf Lan Pirots Kopf nieder, der ein Loch bekam, von dem nach allen Seiten hin Risse gingen.

Urfin sprang auf und stürzte davon, der Palisandergeneral folgte ihm auf dem Fuße. Als die Holzköpfe ihre Führer Reißaus nehmen sahen, taten sie das gleiche. Es war eine panische Flucht. Unteroffiziere und Soldaten stolperten übereinander, fielen und rafften sich wieder auf, warfen im Lauf Knüppel und Säbel fort, und ganz hinten lief, vor Angst brüllend, Meister Petz. Oben auf der Mauer lachte schallend der Langbart. Weit draußen vor der Stadt kam das Heer zum Stehen. Urfin rieb sich die Schulter und schimpfte den General einen Feigling.

Dieser rechtfertigte sich mit seiner schweren Verwundung und betastete seinen zerschlagenen Kopf.

„Ihr seid ja auch geflohen, Gebieter", sagte Lan Pirot.

„Holzkopf!" schrie Urfin empört. „Euren Schädel werd ich schon flicken, und wenn er wieder aufpoliert ist, sieht er wie neu aus. Wenn aber mein Kopf ein Loch bekommt, bin ich mausetot!" „Was bedeutet tot?"

„Blödian!" entgegnete Urfin wütend und brach das Gespräch ab.

Der Vorfall endete damit, daß die Soldaten für alles verantwortlich gemacht und mit

Knüppeln gezüchtigt wurden.

Die Armee wagte keinen neuen Angriff und schlug nicht weit vom Tore ihr Lager auf. Die Belagerung der Stadt begann. Zwei- oder dreimal zeigten sich die Holzsoldaten vor dem Tor, aber von den Mauern flogen ihnen Steine entgegen, und sie zogen jedesmal wieder ab.

Es schien, als ob die Stadt uneinnehmbar sei. In der Verteidigung gab es aber schwache Stellen. Ersteres bestand die Möglichkeit, daß die Lebensmittelzufuhr aufhört. Die Einwohner würden dann wohl einige Tage von ihren Vorräten leben, doch wenn diese zu Ende sind und der Hunger beginnt, würden sie aufbegehren und die Übergabe der Stadt an den Feind fordern. Zweitens könnten Din Gior und Faramant, die einzigen Verteidiger des Tores, einmal von Müdigkeit übermannt werden, und das konnte sich der Feind zunutze machen, um die Stadt zu überrumpeln.

All das bedachte der Scheuch mit seinem klugen Gehirn und traf die notwendigen Maßnahmen. Unter den Höflingen und der Bürgerschaft fanden sich keine verläßlichen Leute, und so siedelte er denn selber in das Wächterhäuschen Faramants über, was sich schon in der ersten Nacht als sehr vernünftig erwies.

Der Scheuch hieß Faramant und Din Gior, die furchtbar müde waren, schlafen gehen, nahm ihren Platz auf der Mauer ein und blickte mit seinen stets offenen, aufgemalten Augen auf das weite Feld hinaus. Da sah er, daß Urfin zum Sturm rüstete. Die Belagerer hatten abgewartet, bis es hinter der Mauer still wurde, und schlichen sich nun leise an das Tor heran. Sie trugen Brecheisen und Äxte, die sie in den umliegenden Farmen erbeutet hatten. Der Scheuch weckte Din Gior und Faramant, die die Angreifer mit einem Steinhagel empfingen und in die Flucht schlugen.

Da umschlang der Strohmann die treuen Helfer mit seinen weichen Armen und sprach: „An Urfins Stelle hätte ich meinen Soldaten befohlen, ihre Köpfe mit Holzschilden zu schützen. Und ich bin überzeugt, daß der Feind gerade so verfahren wird. Im Schutz der Schilde wird er dann ohne Angst das Tor einrennen." „Und was sollen wir tun, Gebieter?" fragte Din Gior.

„Diese Holzmenschen müssen sich genau wie ich vor Feuer fürchten", sagte der Scheuch nachdenklich. „Daraus folgt, daß wir auf der Mauer möglichst viel Stroh bereit halten und Streichhöher bei der Hand haben müssen."

Die Vermutung des Weisen Scheuchs sollte sich bestätigen. Bald begann in stockfinsterer Nacht ein neuer Angriff. Urfins Soldaten hielten über ihren Köpfen Torflügel, die sie sich auf den Farmen besorgt hatten, und gingen so die Mauer an. Als sie nahe genug waren, warfen die Verteidiger brennende Strohbündel auf sie hinab. Die Holzsoldaten hatten schon einmal durch Wasser gelitten, weil sie nicht wußten, was Wasser ist. Sie hatten aber auch von Feuer keine Ahnung. Als Urfin sie erschuf, fürchtete er, daß ein Brand ausbrechen könnte, und hatte deshalb zu Hause nicht einmal den Ofen geheizt. Jetzt sollte ihm diese Vorsicht teuer zu stehen kommen.

Das brennende Stroh fiel auf den Boden und auf die Schilde der Holzköpfe, die über das ungewohnte Schauspiel staunten. Die züngelnden Flammen kamen ihnen in der nächtlichen Dunkelheit wie wunderbare Blumen vor, die sich schnell entfalteten, und sie dachten gar nicht daran, sich vor dem Feuer in acht zu nehmen. Manche schoben sogar ihre Hände in die Flammen, spürten aber keinen Schmerz und schauten törichten Angesichts zu, wie ihre Fingerspitzen Feuer fingen. Schon hatte das Feuer mehrere Holzmänner erfaßt und verbreitete einen brenzligen Geruch von verbrannter Farbe .. .

Urfin begriff, daß seiner Armee diesmal etwas viel Schlimmeres drohte, als seinerzeit das Abenteuer am Fluß. Aber was sollte er tun? In der Nähe war kein Wasser. Da gab ihm Guamoko einen Rat.

„Überschütte sie mit Erde!" schrie sie dem verwirrten Urfin zu.

Meister Petz folgte dem Rat als erster. Er stieß einen Unteroffizier um, der mit brennendem Kopf dastand, und begann mit seinen mächtigen Tatzen Erde in die Flamme zu schaufeln. Nun erkannten auch die Holzköpfe die Gefahr und wichen dem brennenden Stroh aus.

Mit schweren Verlusten zog sich die Armee vom Stadttor zurück. Manche Soldaten hatten

angekohlte Köpfe, die durch neue ersetzt werden mußten. Anderen waren die Augen

herausgefallen oder die Ohren verbrannt, viele hatten die Finger verloren . . .

„Ach, ihr Holzköpfe!" seufzte Urfin. „Es wäre ja alles schön und gut, wo ihr doch so stark,

tapfer und unermüdlich seid . . . hättet ihr nur etwas mehr Verstand!"

Aber den hatten sie eben nicht!

Es war Urfin klar, daß die Smaragdenstadt nur durch Hunger bezwungen werden konnte - ein anderes Mittel gab es nicht. Das wußte aber auch der Scheuch, der einen Kriegsrat einberief, an dem auch Kaggi-Karr teilnahm.

Man äußerte verschiedene Ansichten. Din Gior und Faramant meinten, man müsse die Einwohner überreden, für ihre Freiheit zu kämpfen. Kaggi-Karr aber behauptete, es sei zwecklos, wußte aber auch keinen Rat.