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„Ein Herrscher, wie Ihr es seid, ist gerade der richtige für uns: Ihr eßt nicht, Ihr trinkt nicht, also werdet Ihr uns auch keine Steuern auferlegen .. ."

Die Zwinkerer bekamen mehr, als sie erwartet hatten. Der Eiserne Holzfäller trieb nicht nur keine Steuern ein, sondern arbeitete sogar für seine Untertanen. Er sehnte sich nach Elli, dem Scheuch und dem Tapferen Löwen, und da er Faulenzen nicht gewöhnt war, zog er am frühen Morgen aufs Feld hinaus, wo er mächtige Steine zerkleinerte, mit denen er dann die Straßen pflasterte, was den Zwinkerern in zweierlei Hinsicht zustatten kam. Erstens wurden die Felder von Steinen gesäubert, und zweitens entstanden erstklassige Straßen, die in alle Teile des Landes führten.

Bei der Nachricht, der Scheuch sei in Gefahr, warf der Holzfäller den Hammer fort, lief in das Schloß nach der Axt und machte sich sofort auf den Weg. Die Krähe, die sich auf seine Schulter gesetzt hatte, schilderte ihm ausführlich die traurigen Neuigkeiten. Die Zwinkerer rieben sich die Augen und zwinkerten wehmütig dem davonziehenden Herrscher nach .

. . . Der eiserne Holzfäller näherte sich der Smaragdenstadt. Ringsum war alles still. Urfins

Lager gab es nicht mehr, das Tor war wie gewöhnlich verschlossen.

Der Holzfäller klopfte. Im Fensterchen zeigte sich das rote Gesicht Ruf Bilans.

„Wo ist Faramant?" fragte der Holzfäller verwundert.

„Er ist krank. Ich hab ihn abgelöst."

„Was ist eigentlich los bei euch?"

„Ach, nicht der Rede wert. Feinde hatten uns überfallen, wir haben sie zurückgeschlagen, und dann sind sie mit großen Verlusten abgezogen." „Und wie geht's dem Scheuch?"

„Er ist wohlauf und guter Dinge und erwartet Sie schon, verehrter Herr Holzfäller! Bitte sehr, kommen Sie herein", sagte Ruf Bilan und öffnete die Pforte. Kaum war der eiserne Mann unter den dunklen Torbogen getreten, da wurde ihm die Axt entrissen, und er fühlte, wie Stricke seine Brust umschnürten. Nach einem kurzen verzweifelten Kampf lag er gefesselt am Boden. „Verrat!" schrie Kaggi-Karr, der es gelungen war, vor dem Zugriff der Holzköpfe auf die Mauer zu flüchten.

Die Krähe sah, wie der entwaffnete und gefesselte Holzfäller in das Schloß geschleppt wurde, gefolgt von den traurigen Blicken der Bürger, die hinter ihren halbgeöffneten Fenstern standen.

Die Krähe beobachtete den Zug von weitem. Dann flog sie ihm nach und setzte sich schließlich auf einen Mauersims neben dem offenen Fenster des Thronsaals, von wo sie alles sah und hörte, was drinnen vorging.

Urfin saß in prächtigem Gewand auf dem smaragdengeschmückten Thron. In seinen finsteren Augen unter den zusammengewachsenen schwarzen Brauen spiegelte sich Triumph. Die wenigen Hofleute drängten sich um den Thron. An den Wänden standen, Statuen gleich, gelbe und grüne Holzsoldaten.

Der Eiserne Holzfäller wurde in den Saal geführt. Ruhig ging er über das gemusterte Parkett, das unter seinen schweren Schritten erzitterte. Hinter ihm trugen zwei Soldaten die blitzende riesige Axt.

Schaudernd dachte Urfin daran, was aus seinem Heer geworden wäre, hätte er diesen Recken nicht überlistet. Der Eiserne Holzfäller schaute furchtlos in das prüfende Auge des Diktators, der Ruf Bilan ein Zeichen gab, worauf dieser im Laufschritt den Saal verließ.

Nach ein paar Minuten wurde der Scheuch hereingeführt. Der Eiserne Holzfäller sah dessen zerrissenes Kleid, aus dem das Stroh hervorkam, und die schlaffen Arme, und es ergriff ihn tiefes Mitleid mit seinem Freund, der noch unlängst über die Smaragdenstadt geherrscht und stolz gewesen war auf sein prächtiges Gehirn. Tränen rannen aus den Augen des Eisernen Holzfällers.

„Gib acht, du hast die Ölkanne nicht bei dir!" schrie entsetzt der Scheuch. „Du wirst ja verrosten!"

„Verzeih, mein Freund!" sagte der eiserne Mann. „Man hat mich schändlich überlistet, und ich hab dir nicht helfen können."

„Nein, du mußt mir verzeihen, daß ich dich so voreilig rufen ließ", entgegnete der Scheuch. „Genug der Zärtlichkeiten!" fuhr Urfin sie grob an. „Es geht jetzt nicht darum, wer wem zu verzeihen hat, sondern um euer Schicksal. Werdet ihr mir dienen oder nicht? Ich will euch hohe Ämter geben, zu Statthaltern machen, ihr sollt wie früher eure Länder regieren, aber nur unter meiner Oberherrschaft."

Der Scheuch und der Eiserne Holzfäller wechselten einen Blick und erwiderten: „Nein!"

„Ihr seid von eurer Niederlage noch ganz benommen und wißt gar nicht, was ihr redet", sagte Urfin grimmig. „Denkt daran, daß ihr in meiner Hand seid, bevor ihr antwortet!" „Nein", wiederholten der Holzfäller und der Scheuch.

„Überlegt euch eure Lage, ich will euch Zeit lassen. Morgen zur selben Stunde werdet ihr

wieder vor mir stehen. Hallo, Wache! In den Keller mit den Beiden!",

Ein paar Soldaten mit einem rotbemalten Unteroffizier führten die Gefangenen ab.

Kaggi-Karr aber flog auf das Weizenfeld, um sich zu stärken. Doch dieses Feld gehörte

jetzt nicht mehr ihr. Schon von weitem erblickte sie etwa zwei Dutzend Männer und

Frauen, die unter Aufsicht violetter Soldaten den Weizen abmähten.

Mißgelaunt flog Kaggi-Karr in den Wald, wo sie einigermaßen ihren Hunger stillte. Am

nächsten Morgen saß sie wieder auf dem Fenstersims und wartete, daß die Gefangenen in

den Thronsaal geführt würden.

Der Holzfäller und der Scheuch schlugen Urfins Angebot abermals aus. Am dritten Tag standen sie wieder vor dein wütenden Diktator. „Nein, nein und abermals nein!" war ihre Antwort, und dabei blieb es. „R-r-richtig! Urr-ffin! Kan-nail-le!" ließ sich eine jauchzende Stimme vom Fenster vernehmen.

Kaggi-Karr hatte sich nicht beherrschen können, sie mußte ihre Meinung äußern. Urfin befahl den Höflingen, die Krähe zu fangen. Ihre Mühe war jedoch umsonst. Als sie herausgestürzt kamen, flog Kaggi-Karr mit höhnischem Gekrächze auf den oberen Fenstersims.

„Hört meinen Spruch!" sagte Urfin. Alle Anwesenden hielten den Atem an. „Ich könnte den Scheuch verbrennen und aus dem Eisernen Holzfäller Nägel schmieden, ich tue es aber nicht, sondern laß sie am Leben . . . ."

Die Höflinge begannen den Großmut ihres Herrschers zu preisen. Urfin fuhr fort:

„Jawohl, ihr frechen Starrköpfe, ich laß euch am Leben, aber nur für ein halbes Jahr. Werdet ihr euch nach Ablauf dieser Frist meinem Willen nicht fügen, so hat eure Stunde

geschlagen. Fis dahin bleibt ihr in Haft, und nicht im Keller, sondern auf einem hohen Turm, damit euch jeder sehen und sich von Urfins Macht überzeugen kann. Hallo, führt sie ab!" rief er der Wache zu.

Stampfend führten die Holzköpfe die Gefangenen ab.

Unweit von der Smaragdenstadt stand ein Turm, den ein König oder ein Zauberer - man wußte es nicht mehr genau vor vielen Jahren errichtet hatte. Als Goodwin die Stadt baute, diente ihm der Turm als Beobachtungsstand. Immer standen Wachen da und paßten auf, daß sich keine böse Zauberin unbemerkt an die Stadt heranschleiche. Nun aber, da Elli die bösen Zauberinnen vernichtet hatte und Goodwin fortgezogen war, stand der Turm unbenutzt und düster auf weiter Flur.

Unten befand sich eine Tür, von der aus eine schmale, verstaubte Wendeltreppe auf die obere Wehrplatte führte. Diese wurde nun auf Befehl des Herrschers mit Dachziegeln überdeckt, denn Urfin wollte nicht, daß der Holzfäller im Regen einroste und des Scheuchs Gesichtsbemalung zerfließe, denn das hätte sie ja hindern können, in seinen Dienst zu treten!