Выбрать главу

Die Holzköpfe brachten den Scheuch und den Eisernen Holzfäller in den Turm. Die Arme des eisernen Mannes waren immer noch gefesselt - die Büttel fürchteten ihn, selbst wenn er unbewaffnet war!

Allein gelassen, blickten sich die beiden Freunde um. Im Süden waren die grünen Häuschen der Farmer zu sehen, umgeben von Gärten und Feldern, zwischen die sich der gelbe Backsteinweg, ein stummer Zeuge unzähliger Geschichten und Abenteuer, bis zum Stadttor hin wand.

Im Norden breitete sich die Smaragdenstadt aus. Da ihre Mauern niedriger waren als der

Kerkerturm, konnte man gut die Häuser unterscheiden, deren Dächer sich über den

schmalen Straßen fast berührten, den Platz, auf dem einmal Springbrunnen plätscherten,

und die mit riesigen Smaragden geschmückten Turmspitzen des Schlosses.

Der Scheuch und der Holzfäller sahen etliche winzige Gestalten, die an den Turmspitzen

zu den Smaragden hin krochen.

„Schöner Ausblick?" ertönte eine schrille Stimme.

Der Scheuch und der Holzfäller wandten sich um und erblickten - Kaggi-Karr. „Was geschieht denn dort?" fragte der Scheuch.

„Nichts Außergewöhnliches", erwiderte die Krähe. „Auf Befehl des neuen Herrschers werden alle Smaragden von den Türmen und Mauern entfernt und in die Schatzkammer Urfins gelegt. Unsere Smaragdenstadt hört auf, eine Smaragdenstadt zu sein. Jetzt wißt Ihr, was geschieht!"

„Verdammt!" entfuhr es dem Eisernen Holzfäller. „Ich möchte mal diesem Urfin und seinen Holzmannen mit der Axt in den Händen gegenüberstehen. Glaubt mir, ich würde bei dieser Gelegenheit bestimmt vergessen, daß ich ein weiches Herz habe!" „Dazu muß man aber etwas tun und nicht mit gebundenen Händen herumsitzen!" bemerkte die Krähe bissig.

„Ich hab versucht, die Arme des Holzfällers freizubekommen, aber mir reicht die Kraft nicht", gestand der Scheuch verlegen. „Ach du! Schau, wie man's macht!"

Kaggi-Karr hackte mit ihrem Schnabel los, und in wenigen 3 Minuten fielen die Fesseln vom Holzfäller ab.

„Au, wie fein!" - der eiserne Mann reckte sich wohlig. „Ich war wie eingerostet ... Wollen wir jetzt hinuntergehen? Ich werde die Tür schon aufbrechen ..."

„Hat keinen Zweck", sagte die Krähe. „Vorne stehen Holzsoldaten mit Knüppeln. Laßt uns

nachdenken, vielleicht finden wir einen Ausweg."

„Denken ist Sache des Scheuchs", sagte der Eiserne Holzfäller.

„Jetzt siehst du, daß ich recht hatte, als ich dir sagte, ein Gehirn sei besser als ein Herz",

rief der Scheuch geschmeichelt.

„Ja, aber ein Herz ist auch was wert", entgegnete der

Holzfäller. „Ohne Herz wäre ich zu nichts nutz und könnte auch nicht meine Braut lieben, die im Blauen Lande lebt."

„Aber das Gehirn . . .", begann der Scheuch wieder.

„Gehirn, Herz, Herz, Gehirn!" fuhr ärgerlich die Krähe dazwischen. „Laßt doch den Streit, es ist Zeit, etwas zu unternehmen."

Kaggi-Karr war zwar eine griesgrämige Krähe, aber ein treuer Freund. Die beiden mußten zugeben, daß sie recht hatte, und der Scheuch begann eifrig nachzudenken. Er dachte gut drei Stunden nach. Vor lauter Anstrengung krochen ihm die Nadeln aus dem Kopf, und der Holzfäller befürchtete schon, das könnte für seinen Freund schlimme Folgen haben.

„Ich hab's!" rief plötzlich der Scheuch und schlug sich so heftig mit der Hand gegen die Stirn, daß ein Dutzend Nadeln in seiner Handfläche steckenblieben. Die Krähe, die eingeschlummert war, fuhr aus dem Schlaf und sagte: „Sprich!"

„Wir müssen einen Brief an Elli schreiben. Sie ist ein kluges Mädchen, ihr wird schon was einfallen."

„Eine gute Idee", sagte Kaggi-Karr spöttisch. „Nur möcht ich wissen, wer ihr den Brief überbringen wird."

„Wer? Natürlich du!" entgegnete der Scheuch.

„Ich ?" wunderte sich Kaggi-Karr. „Ich soll über Berg und Wüste in ein unbekanntes Land Biegen, wo die Vögel nicht einmal sprechen können? Das hast du dir aber schön ausgedacht. Besten Dank!

„Nun, wir werden nicht darauf bestehen", sagte der Scheuch. „Wir können ja eine jüngere Krähe nach Kansas schicken." Kaggi-Karr entrüstete sich:

„Eine jüngere? Ich bin aber erst hundertzwei Jahre alt! Ihr haltet mich wohl für eine Greisin, was? Damit ihr's aber wißt: Bei uns Krähen ist man mit hundertzwei Jahren noch ein junges Ding! Und was würde eine andere Krähe ausrichten? Erstens würde sie sich verirren und niemals nach Kansas kommen! Zweitens würde sie Elli in Kansas nicht finden, denn sie hat das Mädelchen nie gesehen. Drittens . . . Kurz, ich werde den Brief bestellen."

Der Eiserne Holzfäller aber sagte:

„Für einen Brief brauchen wir ein weiches zähes Blatt von einem Baum, das wir um dein Bein wickeln könnten, und außerdem eine Nadel." „Eine Nadel kann ich mir aus dem Kopf herausziehen", sagte der Scheuch. „Ich hab dort genug davon."

Die Krähe flog fort und kehrte bald mit einem großen glatten Blatt zurück. Der Scheuch nahm es in die Hand, zupfte sich eine Nadel aus dem Kopf und reichte beides dem Eisernen Holzfäller: „Da, schreib!"

„Nein, du sollst den Brief schreiben. Es war ja deine Idee!" sagte der Holzfäller. „Aber ich dachte, du wirst es tun. Ich hab ja das Schreiben noch gar nicht erlernt." „Und ich hab wegen der Staatsgeschäfte keine Zeit dazu gehabt", gestand der Holzfäller. „Was fangen wir jetzt an?"

„Wir müssen den Brief nicht unbedingt schreiben, wir können ihn ja zeichnen!" erwiderte der Scheuch.

„Ich versteh nicht, wie man einen Brief zeichnen kann", sagte der Holzfäller. „Nun, wir zeichnen uns beide hinter einem Gitter. Elli ein kluges Mädchen ist, wird sogleich erraten, daß wir in Not sind und ihre Hilfe erbitten." „Richtig!" freute sich der Holzfäller. „Also, fang an!"

Doch vergeblich bemühte sich der Scheuch. Die Nadel entglitt seinen weichen Fingern, und er konnte nicht einmal eine einfache Linie zeichnen. Da versuchte es der Eiserne Holzfäller, und siehe, es gelang! Er hatte gar nicht erwartet, daß er's so gut machen würde. Offenbar hatte er ein Talent zum Zeichnen.

Der Scheuch zog einen langen Faden aus seinem Rockschoß heraus, wickelte das Blatt mit der Zeichnung um das Bein der Krähe und befestigte es mit dem Faden. Kaggi-Karr nahm Abschied von ihren Freunden, schlüpfte durch das Gitter hinaus, lüftete die Flügel und verschwand in blauer Ferne.

Nachdem Urfin die Smaragdenstadt erobert hatte, sann er lange nach, welchen Titel er sich

zulegen solle. Er entschloß sich für folgenden: Urfin der Erste, mächtiger König der

Smaragdenstadt und der anstoßenden Länder, Herr der Stiefel, die das Weltall treten.

Als erste vernahmen Meister Petz und Guamoko den neuen Titel. Der einfältige Bär brach

in Begeisterung aus, während die Eule ihre gelben Augen zukniff und nur kurz bemerkte:

„Laß uns vorerst hören, wie die Hofleute den Titel aussprechen."

Urfin folgte dem Rat. Er rief Ruf Bilan und andere Höflinge des höchsten Ranges in den

Thronsaal und sagte voller Stolz den Titel auf. Dann befahl er Bilan:

„Wiederholt jetzt, Herr Oberster Zeremonienmeister, meine Worte!"