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Während Lan Pirot unter Urfins Anleitung das Waffenhandwerk meisterte und sich Generalsmanieren aneignete, arbeiteten die unermüdlichen hölzernen Gehilfen Tag und Nacht in der Werkstätte.

Eines Tages traten Urfin und der prunkvolle General vor die versammelte Mannschaft der

Holzköpfe, die vor dem stattlichen Befehlshaber in Ehrfurcht erbebten.

Der General inspizierte die Armee und schimpfte gewaltig über ihre mangelhafte Haltung.

„Ich werd euch militärischen Schneid noch beibringen!" brüllte er mit heiserer

Befehlsstimme. „Ihr sollt bei mir lernen, was Zucht und Ordnung ist!"

Dabei fuchtelte er mit seiner Keule, die dreimal so schwer war wie der Knüppel eines

Unteroffiziers und mit einem Hieb jeden Holzkopf zertrümmern konnte.

Lan Pirot ließ die Armee viele Stunden täglich exerzieren,

während Urfin ihre Stärke schnell vergrößerte.

Die Energie, mit der Urfin seine Holzarmee schuf, machte auf die Eule Eindruck.

Die Schlaue begriff, daß der Tischler auch ohne ihre Dienste auskommen würde. Da sie bei

ihm ein sattes und sorgenloses Leben führte und das zu schätzen wußte, hörte sie mit ihren

Sticheleien auf und nannte Urfin nun immer öfter „mein Gebieter". Das gefiel dem

Tischler, und bald stellte sich zwischen ihnen ein gutes Einvernehmen her.

Meister Petz' Begeisterung war grenzenlos, als er die Wunder seines Herrn sah. Er forderte,

daß alle Holzköpfe ihm die größte Ehre erweisen.

Einmal stand Lan Pirot bei Urfins Erscheinen nicht schnell genug auf und verneigte sich nicht tief genug. Dafür verpasste ihm der Bär mit seiner mächtigen Tatze eine solche Ohrfeige, daß der General sich mehrmals überschlug. Zum Glück sahen es die Soldaten nicht, so daß die Autorität des Generals nicht litt, was man allerdings von seinen Rippen

nicht sagen konnte. Von jenem Tag an bezeigte Lan Pirot nicht nur seinem Gebieter, sondern auch dessen treuem Bären den größten Respekt.

Schließlich kam der Tag, da die Armee, bestehend aus einem General, fünf Unteroffizieren und fünfzig Gemeinen, das Exerzieren erlernt hatte und die Waffen zu führen wußte. Die Soldaten hätten zwar keine Säbel, sondern nur die Knüppel, doch für den Anfang genügte das. Außerdem waren sie ja hieb und stichfest und brauchten sich vor Pfeilen und Lanzen nicht zu fürchten.

An einem schicksalsschweren Morgen wurden die Einwohner von Kogida durch lautes Getrampel geweckt.

Durch die Straßen marschierte Urfins Holzarmee. Vornan schritt der Palisandergeneral mit seiner riesigen Keule, ihm folgten die Soldaten, ein Unteroffizier vor jedem Zug. „Eins, zwei, drei! Eins, zwei, drei!" kommandierten die Unteroffiziere, und die Holzfüße der Soldaten stampften im Takt.

An der Seite ritt Urfin auf seinem Bären und genoß den Anblick seiner Krieger. „Alles halt!" brüllte Lan Pirot. Die Absätze der Soldaten schlugen gegeneinander, und das Heer blieb wie angewurzelt stehen.

Die Dorfbewohner standen bestürzt vor den Türen ihrer Häuser.

,,Einwohnen von Kogida, herhören!" donnerte Urfin. „Ich rufe mich hiermit zum Herrscher des Blauen Landes aus! Hunderte Jahre haben die Käuer der Zauberin Gingema gedient. Sie ist jetzt tot, doch ihre Zauberkunst besteht weiter, sie ist auf mich übergegangen. Die wackeren Holzmänner, die ihr vor euch seht, hab ich gemacht und zum Leben erweckt. Ein Wort von mir genügt, und meine unverwundbare Holzarmee vernichtet euch allesamt und zerstört eure Häuser. Erkennt ihr mich als euren Herrscher an?" „O ja! O ja'" riefen die Käuer und brachen in Tränen aus.

Ihre Köpfe wackelten vom hemmungslosen Schluchzen, während die Schellen an ihren Hüten fröhlich läuteten. Dieses Geläute paßte aber wenig zu der traurigen Stimmung der Käuer. Deshalb nahmen sie ihre Hüte ab und hängten sie an Pfähle, die eigens zu diesem Zweck vor den Häusern eingerammt waren.

Urfin befahl allen, nach Hause zu gehen, mit Ausnahme der Schmiede, denen er den Auftrag gab, Säbel mit scharfen Klingen für die Unteroffiziere und den General anzufertigen.

Damit kein Einwohner von Kogida Prem Kokus warnen und zu Verteidigungsmaßnahmen veranlassen konnte, erteilte Urfin den Holzköpfen Order, das Dorf zu umstellen und niemanden hinauszulassen.

Dann ging er in das Haus des Dorfältesten, jagte alle Insassen fort und legte sich schlafen. Der Bär hielt vor der Tür Wache.

Urfin schlief bis zum Abend und ging dann die Wachen inspizieren. Ein ungewöhnlicher Anblick versetzte ihn in Staunen. Der General, die Unteroffiziere und die Soldaten standen auf ihren Posten, hatten sich aber mit großen grünen Blättern und Zweigen bedeckt.

„Was soll das heißen?" fragte Urfin streng. „Was ist los'?"

„Wir schämen uns . . .", erwiderte Lan Pirot verlegen, „wir sind ja nackt . . ."

„Quatsch!" schrie Urfin gereizt. „Ihr seid aus Holz!"

„Aber wir sind doch Menschen, Herr Gebieter, Ihr habt es ja selber gesagt", wandte Lan Pirot ein. „Menschen aber haben Kleider . . . Die Leute machen sich über uns lustig . . ." „Na, wenn's nichts weiter ist . . . Also gut, Ihr sollt Kleider bekommen'." Die Holzköpfe waren darüber so erfreut, daß sie in ein lautes „Hurra" ausbrachen. Urfin aber begann angestrengt nachzudenken: Es war natürlich leicht, den 56 Holzkriegern Kleider zu versprechen, aber woher sie nehmen? In dem kleinen Dorf würde er weder Stoff für die Monturen noch Leder für Stiefel und Koppel, noch Handwerker auftreiben können, die einen so großen Auftrag ausführen konnten.

Urfin teilte der Eule seine Sorgen mit. Guamoko rollte die großen gelben Augen und sagte nur ein Wort: „Farbe!"

,Der Tischler begriff sofort. Wozu die hölzernen Körper, die gegen Kälte doch völlig unempfindlich waren, in Kleider stecken, wo man sie einfach bemalen konnte? Urfin ließ den Bürgermeister kommen und verlangte, er solle alle Farben bringen, die es im Dorf gab.

Als dies geschehen war, stellte der Tischler die Farbtöpfe um sich, legte ein Paar Pinsel daneben und ging an die Arbeit. Zuerst wollte er probeweise einen Soldaten bemalen, um zu sehen, wie er ausschauen würde. Er malte auf den Holzkörper eine gelbe Montur mit weißen Knöpfen und Koppel und auf die Beine Hosen und Stiefel. Als er den Mann den anderen Soldaten zeigte, freuten sie sich sehr und wünschten, daß er sie ebenso bemale.

Allein wäre Urfin mit dieser Arbeit kaum fertig geworden, deshalb bestellte er alle Maler des Dorfes zu sich, damit sie ihm halfen.

Binnen zwei Tagen glänzte die ganze Armee von frischer Farbe, und eine Meile im Umkreis roch es nach Terpentin und Firnis.

Der erste Zug war gelb bemalt, der zweite blau, der dritte grün, der vierte orange und der fünfte violett.

Den Unteroffizieren hatte Urfin quer über die Schultern farbige Schärpen aufgemalt, worauf diese sehr stolz waren. Betrüblich war nur eins: Die dummen Soldaten konnten nicht abwarten, bis die Farbe trocken war, und stießen sich gegenseitig mit den Zeigefingern in Bauch, Brust und Schultern, so daß sie bald gescheckt wie Leoparden aussahen.