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»Sie erwartet keines.«

»Woher willst du das wissen?«

»Sie kriegt doch nicht mal dich dazu, mit ihr zu schlafen.«

Er stützte den Kopf in die Hände. »So hässlich ist sie auch wieder nicht, Bess.«

»Meinetwegen. Nehmen wir an, es gibt tatsächlich einen anderen Mann. Warum sollte sie dann dich heiraten wollen und nicht ihn?«

»Vielleicht ist er schon verheiratet.«

Bessie lachte belustigt. »Jetzt hör aber auf. Wo sollen sie's dann getan haben? Im Bett ihrer Eltern? Oder im Bett seiner Ehefrau?«

»Das ist ekelhaft.«

»Na ja, sonst käme nur eine schnelle Nummer im Stehen in irgendeinem Hinterhof in Frage. Ist sie eine Prostituierte?«

»Sei nicht albern.«

»Du bist albern, Norman. Elsie kann gar nicht schwanger sein. Dein Vater hat recht. Du musst durchhalten und es darauf ankommen lassen — auch wenn sie dir das Leben in der Zwischenzeit zur Hölle macht…«

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Blackness Road

Crowborough

Sussex

3. Dezember 1924

Liebe Elsie,

heute hat mich mein Vater besucht. Er ist mit einer überstürzten Heirat nicht einverstanden und hat gesagt, wir müssen bis nach Weihnachten warten. Ich hoffe, Du verstehst das.

Dein

Norman

KAPITEL 9

Kensal Rise, Nord-London — Freitag, 5. Dezember 1924

Die Friseuse hatte Elsies Haare zu einer hübsch gedrehten Nackenrolle hochgesteckt. Jetzt krauste sie die Stirnfransen zu einer Wolke zarter Löckchen um das Gesicht der jungen Frau. »Und wohin geht die Reise?«, fragte sie mit einer Kopfbewegung zu der kleinen Reisetasche zu Elsies Füßen.

Elsie betrachtete sich aufmerksam im Spiegel. Sie hatte eine andere Frisur verlangt, etwas, das von ihrer Brille ablenken würde. War das hier das Richtige? Sah sie damit hübsch aus? »Sussex«, antwortete sie.

»Ich war mal in Brighton.«

»Ich heirate dort.«

»Wie schön«, sagte die Frau. »Außerhalb der Saison ist es wahrscheinlich billiger. Wann ist denn der große Tag?«

»Morgen.«

»Lieber Himmel! Und wer ist der Glückliche?«

»Norman Thorne«, sagte Elsie. »Er hat einen eigenen Bauernhof mit Haus und allem.«

Die Friseuse lächelte. »Und ich hab nur zwei Zimmer und einen Müllmann abbekommen. Ich würde gern wissen, was ich falsch gemacht habe.« Sie umschloss Elsies Gesicht mit den Händen. »Wie finden Sie's? Sind die Haare gut so?«

»O ja. Norman wird mich nicht wiedererkennen.« Elsie hob die kleine Reisetasche auf ihren Schoß und schob einen Waschbeutel auf die Seite, um an ihre Geldbörse zu kommen. »Wie viel?«

»Mit sechs Pence sind Sie dabei.«

Der Friseuse fiel auf, wie wenig die Reisetasche enthielt. Ein Babykleidchen, zwei Paar Schuhe und den Waschbeutel. Sie fragte sich, welche Frau ohne Schlüpfer in ihr neues Heim einziehen würde.

Die Geldbörse enthielt noch weniger. Als Elsie für ihre neue Frisur bezahlt hatte, waren nur noch zwei Pennies und eine Eisenbahnfahrkarte darin. Nun ja — einer Friseuse stand es nicht zu, die Worte einer Kundin anzuzweifeln.

Aber du meine Güte, wie gern hätte sie diesem mageren kleinen Ding gesagt, dass das grüne Strickkleid ihr überhaupt nicht stand. Und dass abgekaute Fingernägel und die Verzweiflung hinter den Gläsern der Hornbrille Männer schneller als alles andere in die Flucht schlugen.

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Blackness Road

Crowborough

Sussex

Sonntag, 7. Dezember 1924

Meine einzige liebste Elsie,

wo bist Du denn gestern geblieben? Du wolltest doch am Samstag kommen. Ich bin extra zum Bahnhof gefahren, um Dich abzuholen. Hat etwas nicht geklappt? Gib mir so bald wie möglich Bescheid.

Dein Dich liebender

Norman
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Telegramm, 10.00 Uhr, Mittwoch, 10. Dezember 1924

Von: Donald Cameron, 86 Clifford Road, Kensal Rise, London

An: Norman Thorne, Wesley Geflügelfarm, Crowborough

Elsie ist am Freitag zu Ihnen gefahren. Haben nichts von ihr gehört. Ist sie angekommen? Bitte um Antwort.

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Telegramm, 15.00 Uhr, Mittwoch, 10. Dezember 1924

Von: Norman Thorne, Wesley Geflügelfarm, Crowborough

An: Donald Cameron, 86 Clifford Road, Kensal Rise, London

Elsie nicht hier. Verstehe nicht. Habe ihr Sonntag geschrieben.

KAPITEL 10

Blackness Road, Crowborough — Freitag, 12. Dezember 1924

Constable Beck keuchte auf seinem schweren Fahrrad die Blackness Road hinunter und wünschte wieder einmal, er wäre dünner. Als er die Wesley Geflügelfarm erreichte und den morastigen Hof sah, ließ er sein Fahrrad stehen und machte sich zu Fuß auf die Suche nach Norman Thorne.

Er fand ihn in einem der Hühnerställe. »Mr. Thorne? Norman Thorne?«

»Richtig.« Norman wischte sich die Hand an der Hose ab, bevor er sie dem anderen zum Gruß bot. »Entschuldigen Sie den Matsch. Der Regen hat den Boden aufgeweicht. Was gibt's denn?«

Der Polizist gab ihm die Hand. »Ich komme wegen Miss Elsie Cameron, Sir. Soviel ich weiß, sind Sie mit ihr verlobt.«

»Das stimmt, ja. Hat sie einen Unfall gehabt oder so etwas?«

»Das versuchen wir gerade festzustellen. Ihr Vater hat sie gestern als vermisst gemeldet. Er sagte, sie habe London vor einer Woche verlassen und wollte hierherkommen.«

Norman schüttelte den Kopf. »Hier ist sie nicht. Sie wollte eigentlich am Samstag kommen — aber das tat sie nicht. Ich habe gleich am nächsten Tag geschrieben und gefragt, was los ist, aber sie hat nicht geantwortet. Ich habe nur ein Telegramm von ihrem Vater bekommen.«

»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu erzählen, was Sie am letzten Freitag getan haben, Mr. Thorne?«

»Keineswegs.« Norman wies zu seiner Hütte. »Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten? Drinnen ist es wärmer. Ich kann Ihnen eine Fotografie von Elsie geben, wenn das eine Hilfe ist. Ich bin ziemlich beunruhigt, wissen Sie.«

Aber nicht so beunruhigt, dass es ihn selbst zur Polizei getrieben hätte, dachte Constable Beck brummig, während er vorsichtig durch den Morast stieg. Er sah sich das Bild von Elsie an, und Norman setzte das Teewasser auf.

»Mr. Cameron hat ausgesagt, dass sie am Freitagnachmittag aus dem Haus gegangen ist«, bemerkte er und zog sein Heft heraus. »Würden Sie mir sagen, was Sie von der Mittagszeit an getan haben?«

Norman hatte ein erstaunlich gutes Gedächtnis. Er erinnerte sich sehr genau daran, was er am Freitag, dem 5. Dezember, getan hatte. Kurz nach dem Mittagessen war er nach Tunbridge Wells geradelt, um Schuhe zu kaufen. Nach seiner Rückkehr gegen vier Uhr hatte er die Hühner gefüttert und bei Mr. und Mrs. Cosham Milch geholt.

»Danach habe ich Tee gekocht und mich kurz hingelegt«, sagte er. »Ich war am Ende. Die Fahrt nach Tunbridge Wells und wieder zurück macht einen fertig.«

»Aber Miss Cameron ist nicht gekommen?«

»Nein. Etwas später bin ich noch einmal ausgegangen — das wird so um Viertel vor zehn gewesen sein. Ich hatte zwei Damen meiner Bekanntschaft versprochen, sie vom Bahnhof abzuholen und nach Hause zu begleiten. Mrs. Coldicott und ihre Tochter. Sie waren den Tag über in Brighton gewesen und kamen mit dem Zehn-Uhr-Zug zurück.«