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Und er bewunderte Satans ausgeprägten Geschlechtstrieb, dem zu verdanken war, dass unter seinen Hennen kaum welche unbefruchtete Eier legten. Das war ganz anders als bei Normans Buff Orpington und Leghorn Hähnen, die, sanfter geartet, eher faul waren.

Das hieß aber nicht, dass Norman den Hahn mochte. Er war vor ihm auf der Hut wie vor einer Schlange, nachdem der Vogel ihn einmal von hinten angegriffen hatte. Satan hatte Norman seine scharfen Sporne in die Wade geschlagen, und die Verletzung tat tagelang weh.

»Ich verstehe nicht, warum du ihn nicht schlachtest«, sagte Elsie.

»Wozu?«

»Damit er's endlich lernt.«

»Was soll er denn noch lernen, wenn er tot ist? Und was würde mir das nützen? Höchstens ein Irrer würde seinen besten Zuchthahn schlachten.«

»Du solltest ihm trotzdem eine Lektion erteilen.«

Norman sah sie ärgerlich an. »Das sind Hühner, Elsie. Ihr Gehirn ist ungefähr so groß.« Er zeigte eine winzige Lücke zwischen Daumen und Zeigefinger an. »Sie lernen, wo sie ihr Futter finden, und sie lernen, ihre Eier in die Nistkästen zu legen. Aber damit hat sich's auch schon.«

»Du brauchst nicht gleich so gereizt zu werden. Ich wollte nur helfen.«

»Na ja — es ist eine dumme Idee. Außerdem war es sowieso meine eigene Schuld. Ich habe ihn geärgert. Er wird immer eifersüchtig, wenn seine Hennen mir aus der Hand fressen.«

»Dann kann sein Gehirn so klein nicht sein«, meinte sie bissig. »Ist Eifersucht nicht eine menschliche Regung?«

Normans Gereiztheit wuchs. »Woher soll ich das wissen?«, fragte er schroff. »Ich hatte nie Anlass zur Eifersucht.«

Er hatte gelogen. Er war eifersüchtig auf jeden Mann, der Bessie Coldicott zum Lächeln bringen konnte. Sie war Schneiderin in Crowborough, und er begann, draußen vor dem Laden herumzulungern, in dem sie arbeitete.

Sie neckte ihn deswegen. »Was hast du denn so oft in meiner Straße zu tun? Der nächste Metzgerladen ist doch zwei Straßen weiter.«

»Es ist eine Abkürzung.«

»Schwindler.« Sie klopfte ihm leicht aufs Handgelenk. »Du bringst mich in Schwierigkeiten, wenn du das zu oft machst. Mrs. Smith ist eine nette Frau, aber sie mag es nicht, wenn Männer durch das Fenster glotzen. Das stört die Kunden.«

»Ich möchte dir nur ab und zu guten Tag sagen.«

Sie lachte. »Aber nicht während meiner Arbeitszeit, Norman. Ich mag meine Arbeit und möchte sie nicht verlieren. Du kannst mich ja mal abends hinten im Hof abholen. Und mich nach Hause begleiten.«

Im Lauf des Sommers verbrachte er immer mehr Zeit mit ihr. Wiederholt bat er sie, ihn auf dem Hof zu besuchen, aber sie lehnte ab. »Du lebst allein, Norman. Die Leute würden tratschen.«

»Wer soll dich schon sehen? Es ist mitten in der Wildnis.«

»Irgendeiner sieht einen immer. Alte Weiber, die nichts anderes zu tun haben, als hinter den Gardinen zu stehen und ihre Nachbarn zu bespitzeln. In einem Nest wie diesem tratschen alle.«

Er fragte sich, ob sie von Elsie wusste. »Und was sagen sie?«

»Dass bei dir ein paar Mal eine Frau zu Besuch war. Stimmt das?«

Er hatte immer gewusst, dass es früher oder später herauskommen würde. Er holte tief Atem. »Ja, aber da war überhaupt nichts dabei, Bessie. Sie hat nie in der Hütte übernachtet. Es war alles völlig harmlos.«

»Was ist das für eine Frau?«

»Ich kenne sie aus London. Ich war einmal in sie verliebt, aber das ist vorbei. Das Dumme ist nur -« Er brach ab. »Sie ist ein bisschen verdreht. Benimmt sich oft wie eine Verrückte — schreit und keift und fängt in der nächsten Minute an zu heulen. Deswegen fliegt sie auch aus jeder Arbeit raus.«

Bessie zog ein Gesicht. »So eine Frau wohnt bei uns in der Straße. Man braucht sie nur anzureden, und sie bricht in Tränen aus. Mein Vater meint, das kommt, weil sie im Krieg zwei Söhne verloren hat, aber meine Mutter hat gesagt, sie ist schon so seltsam auf die Welt gekommen. Sie war vor dem Tod ihrer Söhne auch schon so.«

»Elsie ist immer sonderbar gewesen.«

»So heißt sie?«

Norman nickte. »Elsie Cameron. Hauptsächlich wollten ihre Eltern, dass sie mich besucht. Ich schätze mal, sie haben gehofft, ich werde ihnen Elsie abnehmen und sie heiraten. Sie ist viel älter als ich, und sie haben es satt, sich ständig um sie kümmern zu müssen.«

»Das ist ja schrecklich.«

Ja, dachte Norman. Es war wirklich schrecklich. Wie kamen Mr. und Mrs. Cameron darauf, dass er ihnen das Leben erleichtern sollte, indem er ihre verrückte Tochter heiratete? Schließlich hatte doch nicht er sie zur Welt gebracht. Schließlich hatte nicht er sie so verwöhnt.

Er ergriff Bessies Hand. »Keine Sorge, Bärchen. Das passiert bestimmt nicht. Ich habe große Pläne für die Zukunft — und Elsie passt da nirgends rein.«

»Und ich? Passe ich in deine Pläne?«

»Vielleicht.«

Sie kniff ihn unvermittelt in die Hand. »Dann nenn mich nicht „Bärchen”, Norman. Ich bin kein Kuscheltier, das du streicheln und knutschen kannst, wenn du gerade Lust hast. Ich bin ich — und ich gehöre niemandem.«

KAPITEL 6

Wesley Geflügelfarm, Blackness Road — Herbst 1924

Anfang September kam Bessie zum Tee. Sie gab Norman einen Tag vorher Bescheid, und er nutzte die Nacht und den Morgen, um die Hütte sauber zu machen. Sie war unglaublich verwahrlost. Der Boden war voller Hühnerkot, den er an seinen Stiefeln hereingetragen hatte, und überall lag dicker Staub.

Entsetzt darüber, wie sein Bettzeug aussah, radelte er in den Ort und kaufte neues. Danach war sein Geldbeutel leer, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass Bessie sich auf ein Bett setzen würde, das nach Schweiß und Schmuddel roch. Er faltete die schmutzigen Laken zusammen und versteckte sie in einem leeren Nistkasten. Vor Elsies nächstem Besuch würde er sie wieder austauschen, sonst erriet sie womöglich, dass eine andere Frau bei ihm gewesen war.

Sein Fleiß lohnte sich, Bessie war beeindruckt von seiner Hütte. »Es ist richtig gemütlich. Wie lange lebst du schon hier?«

»Seit zwei Jahren.«

»Und du frierst nicht?«

»Doch, im Winter.«

Sie schaute zu dem Balken über ihrem Kopf hinauf, wo er seine Hüte aufbewahrte. »Das ist ja raffiniert. Und wo hast du deine Kleider?«

»Da hinten.« Er hob einen Vorhang, der über einer Wand festgemacht war. »Sie hängen auf Haken, und der Vorhang schützt vor dem Staub.«

»Raffiniert«, sagte sie wieder. »Und was hast du da drinnen?« Sie wies auf eine kleine Kommode.

Norman blieb einen Moment die Luft weg. Elsies Liebesbriefe. Er hätte sie zusammen mit dem Bettzeug verschwinden lassen sollen. »Rasierklingen — Nagelschere — was ein Mann eben so braucht.«

Sie setzte sich auf die Bettkante. »Es ist hübscher, als ich es mir vorgestellt habe. Ich habe etwas Schäbiges erwartet.«

»Wieso?«

»Weil du immer von der Hütte sprichst. Ich dachte, es wäre so eine Wellblechgeschichte.« Sie klopfte auf die Matratze. »Wenn du mir gesagt hättest, dass es hier so nett ist, wäre ich vielleicht früher gekommen.«

Er wusste nicht, ob er das als Aufforderung deuten sollte. Nach allem, was er mit Elsie erlebt hatte, fand er weibliche Signale verwirrend. Wollte Bessie ihm sagen, er solle sich zu ihr aufs Bett setzen? Wollte sie ihm sagen, dass sie mehr von ihm wollte? Oder wollte sie ihn nur auf die Probe stellen, um zu sehen, ob er ein anständiger Kerl war?

Er bückte sich, um den Ölofen unter dem Teekessel anzuzünden. »Wo möchtest du deinen Tee trinken?«, fragte er.