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»Ein Silber-Tarsk«, sagte eine unangenehme Stimme.

Ich richtete mich auf.

Auf der anderen Seite des Schankraums, etwa fünfzig Fuß entfernt, war ein Mann aufgestanden. Der Tisch war mir schon früher aufgefallen; sieben oder acht Mann hatten daran gesessen, unrasiert, narbig, mürrisch. Zwei trugen Ohrringe, einige hatten Taschentücher um die Köpfe gebunden, nach Art von Ruderern, die sich vor der Sonne schützen wollten. Alle waren bewaffnet.

»Ihr Herren, nein!« rief Tasdron, der Wirt.

Und plötzlich ertönte ein Geräusch, das Scharren einer kurzen Metallklinge, die aus der Scheide glitt.

»Ein Silber-Tarsk«, wiederholte der Bursche, die blanke Klinge in der Hand. Goreaner ziehen selten ihre Waffe, wenn sie sie nicht benutzen wollen.

Ich mußte trocken herunterschlucken.

»Mit Stahl kenne ich mich nicht aus«, sagte ich so freundlich ich konnte.

»Dann solltest du keine Klinge bei dir haben«, erwiderte der Mann. Einige seiner Begleiter lachten.

»Hier finden nur waffenlose Kämpfe statt, das haben wir klar gesagt!« rief Tasdron mit zitternder Stimme.

»Nimm deine Klinge!« forderte mich der Mann auf. Die Spitze seiner Waffe machte eine unmerkliche Bewegung. Er deutete auf meine Kleidung, die samt Geldbeutel und Klinge neben der Arena lag.

»Ich kann nicht mit dem Schwert gegen dich kämpfen«, sagte ich. »Ich kenne mich damit nicht aus.«

»Flieh!« flüsterte mir Tasdron zu.

»Besetzt die Ausgänge!« rief der Mann seinen Freunden zu. Vier standen auf; einer ging zur Seitentür, einer zur Küche, und die beiden anderen besetzten den Hauptausgang. Sie hatten ebenfalls blank gezogen. Zwei Männer waren am Tisch sitzengeblieben. Einer der beiden schien der Anführer der Gruppe zu sein. Er beobachtete mich und trank Paga.

»Nimm deine Klinge!« forderte mich der Mann auf.

»Nein.«

»Na schön«, sagte er. »Es liegt ganz bei dir.« Er ging um seinen Tisch herum und kam Schritt für Schritt näher, wobei er mich nicht aus den Augen ließ. Plötzlich trat er gegen einen Tisch, der vor ihm stand, und bahnte sich damit einen Weg zu mir. Zwei Männer, die an dem Tisch gesessen hatten, ergriffen die Flucht. Eine Paga-Sklavin, die im Hintergrund kauerte, begann zu schreien.

»Ich bin nicht bewaffnet«, sagte ich.

Er machte einen weiteren Schritt in meine Richtung. Ich verfolgte die Bewegungen der Klingenspitze.

»Er ist neu in Victoria«, sagte Tasdron verzweifelt. »Nimm seine Kleidung, sein Geld, seine Sachen. Laß ihn leben!«

Der Mann schaute nicht einmal in Tasdrons Richtung. Wieder trat er einen Schritt vor.

Ich wich zurück und spürte eine Tischkante in den Kniekehlen.

»Ich bin unbewaffnet«, sagte ich.

Der Bursche grinste und hob erneut das Bein.

»Gestatte mir, meine Waffe aufzunehmen«, sagte ich.

Wieder grinste er und rückte weiter vor. Ich wußte, ich hatte nicht die Zeit, mich umzudrehen und die Waffe aufzugreifen, die in der Scheide steckte; und selbst wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre, hätte es wohl nichts genützt. Ich sah, wie der Mann mit dem Stahl umging und daß die Klinge recht mitgenommen aussah. Sie hatte schon so manchen Kampf erlebt. Selbst mit Schwert wäre ich gegenüber diesem Mann so gut wie wehrlos gewesen.

»Ich bin nicht bewaffnet«, sagte ich. »Ist es deine Absicht, mich kaltblütig umzubringen?«

»Ja.«

»Warum?«

»Es wird mir Spaß machen«, sagte er. Ich sah, wie er die Klinge zurückzog.

»Halt!« meldete sich da eine Stimme.

Der Mann trat zurück und schaute an mir vorbei. Ich drehte mich um. Etwa zwanzig Fuß entfernt stand ein großgewachsener, unrasierter Mann in einer schmutzigen Wolltunika. Obwohl er ziemlich heruntergekommen wirkte, stand er in diesem Moment sehr aufrecht da.

»Du Bursche«, wandte er sich an mich, »möchtest du einen Champion für dich kämpfen lassen?«

Der Mann trug Waffen. Über seiner linken Schulter hing eine Lederscheide. Allerdings hatte er sich noch nicht die Mühe gemacht, sein Schwert zu ziehen.

»Wer bist du?« fragte der Mann, der mich bedroht hatte.

»Soll ein Champion für dich kämpfen?« fragte der Mann erneut.

»Ja«, sagte ich.

»Wer bist du?« wiederholte der andere Mann.

»Willst du mich zwingen, meine Klinge zu ziehen?« fragte der großgewachsene Mann. Bei diesen Worten sträubten sich mir die Nackenhaare.

»Wer bist du?« fragte der Mann zum drittenmal und trat einen Schritt zurück.

Der Mann antwortete nicht. Statt dessen schlug er mit einer Hand die Tunika über die Schulter zurück. Ein Aufschrei ging durch die Taverne.

Der Mann trug das Scharlachrot der Kriegerkaste.

»Nein«, sagte der Mann, der mich bedroht hatte. »Ich möchte dich nicht zwingen, deine Klinge zu ziehen.« Er wich zurück. Als er seinen Tisch erreichte, steckte er sein Schwert zornig in die Scheide. Anschließend verließ er mit den Männern, die die Türen bewacht hatten, das Lokal.

»Paga, Paga für alle!« rief Tasdron. Paga-Sklavinnen liefen los, um auszuschenken. »Musik!« rief er. Fünf Musiker, die sich in der Nähe der Küche aufgehalten hatten, eilten an ihre Plätze. Tasdron klatschte zweimal in die Hände, woraufhin eine Tanz-Sklavin, die überall am Körper bemalt war, in den Sand eilte.

Unsicheren Schritts begab ich mich an den Tisch des großen Mannes. Er schien mich kaum zu beachten. Als das Mädchen ihm Paga einschenkte und er nach dem Kelch griff, sah ich, daß seine Hand zitterte. Abrupt hob er die Last, verschüttete Flüssigkeit auf den Tisch. Er bebte am ganzen Körper.

»Ich verdanke dir mein Leben«, sagte ich. »Vielen Dank.«

»Verschwinde!« antwortete er. Seine Augen waren glasig. Plötzlich wirkte er gar nicht mehr so stolz und kräftig wie eben noch, als er dem anderen Mann getrotzt hatte. Seine Hände, die um den Paga-Kelch lagen, bebten. »Verschwinde«, wiederholte er.

»Wie ich sehe, trägst du noch immer das Rot, Callimachus«, sagte eine Stimme.

»Verspotte mich nicht«, erwiderte der Mann am Tisch.

Der Sprecher war der Mann, den ich für den Anführer der rauhen Burschen hielt, von denen mich einer bedroht hatte.

Er selbst hatte den Angreifer weder unterstützt, noch zurückzuhalten versucht. Offenbar hielt er sich für erhaben über Streitigkeiten in gewöhnlichen Tavernen; möglicherweise war er ein Mann von Bedeutung.

»Es ist lange her seit unserer letzten Begegnung in der Nähe von Port Cos«, sagte der Mann, der nähergekommen war.

Der Mann am Tisch, der mich gerettet hatte, hielt den Paga-Kelch in den Händen und sagte nichts.

»Dieser Abschnitt des Flusses«, fuhr der Stehende fort, »gehört mir.« Dann blickte er auf den anderen nieder. »Ich nehme dir das in Port Cos nicht übel«, fuhr er fort.

Der Sitzende trank. Seine Hände bebten noch immer.

»Du warst immer schon ein mutiger Bursche, Callimachus«, fuhr der andere Mann fort. »Deswegen habe ich dich stets bewundert. Wäre es dir nicht so darum gegangen, dich an den Kodex zu halten, hättest du es weit bringen können. Vielleicht hätte ich sogar in meiner Organisation einen Posten für dich gefunden.«

»Statt dessen«, sagte der Sitzende, »stießen wir bei Port Cos aufeinander.«

»Dein Einsatz heute abend hat sich bezahlt gemacht«, sagte der Stehende. »Von ähnlichen Kühnheiten würde ich dir künftig aber abraten.«

Der sitzende Mann trank.

»Es war dein Glück, lieber Callimachus, daß mein Freund Kliomenes, der unangenehme Bursche, der eben die Taverne verlassen hat, dich nicht kennt. So ist ihm im Gegensatz zu mir nicht bekannt, daß dein Auge nicht mehr so scharf ist wie früher, daß deine Hand ihre Tücke verloren hat, daß du abgebrannt und heruntergekommen bist, daß das Rot deiner Kleidung keine Bedeutung mehr hat, außer als vage Erinnerung an einen längst verflossenen Ruhm.«

Wieder führte der Sitzende den Kelch an den Mund.

»Wenn er dich kennen würde wie ich«, fuhr der andere Mann fort, »wärst du jetzt tot.«