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Der Sitzende schaute in den leeren Kelch vor sich auf dem Tisch. Seine Hände krampften sich darum, seine Finger waren weiß. Sein Blick hatte etwas Leeres, die unrasierten Wangen waren bleich und eingefallen.

»Paga!« rief der stehende Mann. »Paga!« Ein blondes nacktes Mädchen, um dessen Sklavenkragen eine Perlenkette gewickelt war, eilte herbei und schenkte aus dem Bronzegefäß, das sie an einem Gurt über der Schulter trug, Paga ein. Der Stehende gab ihr eine kleinen Tarsk, und sie eilte fort. Das Mädchen kam mir irgendwie bekannt vor, doch ich wußte nicht, wo ich sie schon einmal gesehen hatte.

»Trink, Callimachus«, sagte der Stehende. »Trink.«

Der Ältere hob unsicher den Kelch.

Im nächsten Moment wandte sich der Wortführer ab und verließ das Lokal. Rückwärtsgehend entfernte ich mich von dem Tisch.

»Der Mann, der mich bedroht hat«, wandte ich mich an Tasdron, »dieser Kliomenes. Wer ist das?«

»Kliomenes, ein Pirat, Leutnant des Policrates«, antwortete der Wirt.

»Und der andere?« fragte ich. »Der am Tisch stand und mit meinem Retter sprach?«

»Sein Kapitän«, erwiderte Tasdron, »Policrates persönlich.«

Ich mußte schlucken.

»Du hast Glück, daß du noch am Leben bist«, stellte Tasdron fest. »Ich glaube, es wäre ratsam für dich, Victoria zu verlassen.«

»Wann beginnen die Verkäufe im Markt des Lysander?«

»Sie haben bereits begonnen«, sagte Tasdron.

Hastig eilte ich zu dem Tisch, auf dem ich meine Sachen abgelegt hatte. Ich zog mich an und warf mir das Schwert über die Schulter. Ich raffte meine Gewinne ein. Mein Blick fiel auf das blonde Paga-Mädchen, das mich beobachtete. Ich hatte irgendwie das Gefühl, daß ich sie schon einmal gesehen hatte. Ich verstaute meine Gewinne im Geldbeutel und band ihn an meinem Gürtel fest. Ich konnte mich nicht erinnern, wo ich ihr schon einmal begegnet war. Sie war nicht unattraktiv. Dann eilte ich aus der Taverne und machte mich auf den Weg zur Verkaufsarena des Lysander.

9

»Diese rothaarige Schönheit«, rief der Auktionator, »wurde von Kapitän Thrasymedes gefangen. Sie kann Lyra spielen.«

Rauhes Gelächter ertönte. »Wie gut ist sie in den Fellen?« rief eine Stimme.

Das Mädchen wurde für vier Kupfer-Tarsks verkauft.

»Sind die Mädchen des Kliomenes schon über den Block gegangen?« fragte ich einen Mann.

»Ja«, antwortete dieser, und ich stieß einen Laut der Bestürzung aus. »Die meisten jedenfalls«, sagte ein anderer.

»Die meisten?«

»Ja«, meinte er, »ich glaube, es kommen noch andere, die in der Nähe von Lara gefangen wurden.«

»Wie lautet das Gebot auf diese Blondine?« rief der Auktionator.

»Sind die denn nicht längst verkauft?« fragte der erste Mann, der mir geantwortet hatte.

»Nein, ich glaube, nicht alle«, antwortete der zweite.

Ich ließ sie stehen und drängte mich durch die Menge, um näher an den hohen, runden, mit Sägemehl bestreuten Auktionsblock heranzukommen.

»Paß doch auf, wohin zu gehst, Kerl!« fauchte mich ein Mann an.

Vom Bereitschaftskäfig, in dem die nächsten Mädchen auf ihre Versteigerung warteten, wurde ich verscheucht.

»Sind dies alle Mädchen, die noch verkauft werden?« fragte ich den Wächter.

»Nein.«

»Stehen noch Mädchen des Kliomenes zum Verkauf an?« wollte ich verzweifelt wissen.

»Keine Ahnung«, antwortete er. »Ich habe die Unterlagen nicht.«

Bedrückt wandte ich mich ab, um in der Menge zu warten.

Die Blondine erbrachte sechs Tarsks.

»Und hier«, verkündete der Auktionator, »haben wir eine weitere Blondine. Sie war einmal frei.«

Gelächter brandete auf. »Sie soll die Peitsche küssen!« rief ein Mann.

»Auf die Knie, Mädchen, küß die Peitsche!« befahl der Mann. Das Mädchen gehorchte.

Etwa zweihundert Männer waren zu dem Sklavenverkauf gekommen, die in den Sklavenmärkten Victorias häufig vorkommen und manchmal mehrere Nächte dauern. Im Frühling und Sommer gehen die Geschäfte am besten, denn da ist der Verkehr auf dem Fluß am lebhaftesten und die Piraten machen die beste Beute. Viele Männer waren berufsmäßige Sklavenhändler aus anderen Städten und suchten nach frischer Ware.

»Verkauft an Targo aus Ar!« rief der Auktionator.

Ich war wütend, denn ich wußte nicht einmal, ob Miß Henderson überhaupt verkauft werden sollte oder vielleicht schon über den Block gegangen war. War sie schon verkauft, dann mochte sie, während ich hier hilflos herumstand, bereits aus Victoria fortgeschafft werden. Meine Fäuste waren geballt. Ich hatte feuchte Handflächen.

Die nächsten beiden Mädchen, Brünette, gingen an Lucilius aus Tyros. Die folgenden vier wurden von einem Mann namens Publius ersteigert, der für einen gewissen Mintar aus Ar auftrat.

Die Auktion belebte sic h etwas, und das Publikum wurde immer zahlreicher. Fünfmal wurde der Bereitschaftskäfig geleert und wieder gefüllt, es war eine zügige Versteigerung.

So sehr war ich benommen von meinem Trübsal, daß ich erst gar nicht mitbekam, was der Auktionator mit dem nächsten Mädchen anstellte, das er in seiner Nacktheit der beeindruckten Menge vorführte. Seine Präsentation der Sklavin ließ keinen Zweifel, was der Erwerber zu erwarten hatte. Schweratmend stand die Sklavin schließlich auf dem Block; sie hatte Tränen in den Augen, er hatte ihr keine Ruhe gelassen.

»Zweiundzwanzig Tarsks!« rief ein Mann.

»Dreiundzwanzig!« bot ein anderer.

Ich war dermaßen verblüfft, daß ich mich an der Bieterei, die schon eine Weile im Gange war, gar nicht beteiligte. Ich hatte mir nicht erträumen lassen, daß sie so schön sein konnte. Wie töricht sind doch die Männer der Erde, ihren Frauen das Leben so leicht zu machen, sie nicht zu zwingen, ihre Schönheit in der Fülle ihrer Begehrlichkeit zu verwirklichen. Die Frau auf dem Block kam von der Erde. Bewies sie damit nicht, wie schön Erdenfrauen sein konnten?

»Fünfundzwanzig Tarsks!«

»Dreißig!«

»Kauf sie«, schien mir eine Stimme einzuflüstern. »Kauf die Sklavin! Unterwirf sie dir!«

»Nein, nein!« sagte ich halblaut. »Das kann ich nicht!«

»Was hast du gesagt?« fragte der Mann neben mir.

»Nichts, nichts!«

»Vierzig!« bot jemand.

Ich konnte einfach nicht mitbieten. Ich vermochte kaum noch zu atmen. Das Herz schlug mir bis in den Hals. Daß sie so schön sein konnte, hatte ich nicht geahnt. Beinahe hatte ich das Gefühl, nicht mehr sprechen zu können. Ich vermochte den Blick nicht fortzureißen von dem Mädchen unter den Fackeln, von dem Stahlkragen an ihrem Hals. Ich zitterte.

»Sechsundvierzig!«

Ich zitterte. Ich hatte gesehen, wie Miß Beverly Henderson die Peitsche küßte. Ich hatte gesehen, wie sie als Sklavin vorgeführt wurde.

»Achtundvierzig!« wurde geboten.

»Fünfzig!«

Plötzlich schrie das Mädchen erschrocken auf. Es war ein zuckender, unkontrollierbarer Reflex gewesen. Dann legte sie den Kopf in die Hände und begann zu schluchzen.

»Neunzig Tarsks!« rief ein Mann.

Die Peitsche in der Hand, entfernte sich der Auktionator einen Schritt von dem Mädchen.

»Kaltes Blut hat sie nicht«, sagte der Mann neben mir.

»Nein«, sagte ich. »Nein.«

»Vierundneunzig Tarsks!«

»Vierundneunzig Tarsks sind geboten!« rief der Auktionator. »Höre ich mehr?«

Stille.

»Ich schließe gleich meine Hand!« rief der Auktionator.

»Achtundneunzig!« entfuhr es mir, und ich war erschrocken über den Laut meiner eigenen Stimme.

Matt hob das Mädchen den Kopf.

»Achtundneunzig, achtundneunzig sind geboten«, sang der Auktionator. »Bietet jemand mehr? Mehr?«

Keine Stimme meldete sich.

»Ich schließe gleich die Faust«, sagte der Auktionator, »die Hand ist geschlossen!«

Miß Henderson gehörte mir.

10

Miß Henderson wurde von der Plattform gestoßen. Ich drängte mich nach vorn. Alles schien um mich zu kreisen. Ich wußte kaum, was ich tat. Es war, als träumte ich.