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Ich dachte an die Sklavin, das Mädchen, das einmal Miß Beverly Henderson gewesen war.

»Gib mir zwanzig Mann«, sagte ich zu Callisthenes, der mir zunickte.

»Wenn Port Cos dir zwanzig Mann für ein solches Unternehmen gibt«, meldete sich Aemilianus, »dann kann Ar-Station natürlich keine kleinere Zahl bereitstellen.«

»Dein Vorhaben ist tollkühn, der reinste Wahnsinn, Jason«, sagte Callimachus. »Laß dich auf kein so verrücktes Unternehmen ein!«

»Du brauchst nicht mitzukommen, mein Freund«, sagte ich.

»Selbstverständlich werde ich dich begleiten«, sagte Callimachus.

So lagen wir denn nun unter den hohen, dunklen Mauern der Festung des Policrates. Etwa hundert Fuß hoch ragten sie über uns empor.

Lautlos glitten wir auf das Wassertor zu; unsere Ruder tauchten kaum noch ins Wasser.

Innerhalb des Wassertors, gut dreihundert Fuß entfernt, sahen wir an einer Mauer eine Laterne flackern. Das eigentliche Tor war fünfzig Fuß hoch, groß genug, um eine Frachtgaleere mitsamt den hohen Masten durchzulassen, sobald das metallene Gitter hochgezogen worden war. Zu beiden Seiten standen massive Türme. Der Turm zur Rechten, von außen gesehen, beherbergte die Winde, die das Tor hob und senkte. Den Schub lieferten Gefangene und Sklaven, die an die Stempel der Winde gekettet waren – doch hätten diese Männer ohne Hilfe der riesigen Gegengewichte, die sich ebenfalls in dem Turm befanden, das Tor um keine Handbreit bewegen können.

»Wer da?« rief ein Mann von der Mauer.

»Zurück!« sagte ich zu Callimachus. »Vielleicht erkennt man dich.«

So stand ich denn allein auf dem Vorderdeck der Galeere. Ich begab mich zum Fußende des Buges und richtete mich auf, den linken Arm um den Bugspriet gelegt. Ich trug die Maske, die ich schon als angeblicher Kurier Ragnar Voskjards aufgehabt hatte.

»Wer da?« wiederholte der Mann.

»Ich bin der Kurier Ragnar Voskjards!« gab ich zurück. »Wir sind vorausgeschickt worden, die Kundschafterschiffe seiner Flotte.« Wir hatten nur vier Schiffe bei uns, von denen drei so gut wie leer waren. Tasdron hatte sie in Victoria besorgt, unter dem Vorwand, einen Sa-Tarna-Transport aus Siba zu organisieren – für die Brauerei des Lucian bei Fina, östlich von Victoria, mit der er manchmal Geschäfte machte.

»Die Flotte Ragnar Voskjards erwarten wir erst in zehn Tagen!« rief der Mann zurück.

»Wir sind seine Kundschafter!« brüllte ich. »Ragnar Voskjard steht nur zwei Tage hinter uns!«

»Der Voskjard scheint es recht eilig zu haben!« rief der Mann.

»Es gibt Städte niederzubrennen!« rief ich. »Beute zusammenzuraffen, Frauen zu versklaven!«

»Wie seid ihr an der Kette vorbeigekommen?«

»Die Schlacht ist gekämpft«, antwortete ich. »Sie ist durchtrennt!«

»Mir gefällt das nicht«, sagte Callimachus hinter mir. »Es sind zu wenige Männer auf den Mauern.«

»Dagegen habe ich nun wirklich nichts«, antwortete ich. »Hoffentlich sind die meisten Männer und Schiffe Policrates’ unterwegs.«

»Jetzt – wo er eigentlich auf Ragnar Voskjard warten sollte?« gab Callimachus zu bedenken.

»Nach Ansicht dieser Leute trifft er erst in zehn Tagen ein«, argumentierte ich.

»Wir wollen zurückfahren!« drängte Callimachus.

»Die Kelche Cos’«, rief ich zu dem Mann auf der Mauer empor, »sind nicht die Kelche Ars!«

»Doch können beide prächtigen Wein enthalten!« gab er zurück.

»Die Schiffe Cos’ sind nicht die Schiffe Ars!«

»Aber die Bäuche beider können hübsche Schätze befördern!« lautete die Antwort.

»Die Verhüllungsroben Cos’ sind nicht die Verhüllungsroben Ars!« rief ich.

»Was haben sie gemeinsam?« fragte der Mann.

»Beide enthalten die Körper von Sklavinnen!«

»Hebt das Tor!« befahl der Mann und wandte sich ab.

Langsam, ächzend, Fuß um Fuß, wurde das schwere Gitter des Wassertors hochgezogen, tropfend, im Licht der drei Monde schwarz schimmernd.

»Es geht zu leicht«, flüsterte Callimachus. »Wir wollen umkehren, solange es noch geht.«

»Die Überraschung ist auf unserer Seite«, widersprach ich. »Unsere einzige Hoffnung. Alles hängt davon ab!«

»Fahrt ein, Freunde!« tönte es.

Am Bug stehend, gab ich dem Rudermeister mit dem rechten Arm ein Zeichen, der, zwischen den Bänken stehend, leise zu den Männern sprach. Er stammte aus Port Cos. Ich blickte zu dem hohen Tor empor, das nun beinahe über uns hing. Langsam glitten wir in die Öffnung.

»Jetzt!« brüllte eine Stimme auf der Mauer über uns.

Plötzlich vernahm ich ein lautes, schnelles Klappern.

»Ruder zurück!« rief der Rudermeister, der Mann aus Port Cos. »Ruder zurück!«

Aber dazu blieb keine Zeit mehr. Einige Fuß hinter mir, aus der Höhe herabrasend, durch das Vorderdeck der Galeere krachend, stürzte das mächtige Eisentor.

Ich wurde emporgeschleudert; der gesamte Bug, das Schandeck schienen emporzuspringen. Ein ohrenbetäubendes, krachendes Splittern war zu hören, als sich das schwere Tor wie eine Axt in den Schiffskörper bohrte. In diesem Bruchteil eines Moments hatte ich durch das enge Gitter des Tors den hinteren Teil der Galeere emporklappen sehen. Callimachus wurde ins Wasser geschleudert, andere Männer, abrupt emporgehoben, klammerten sich an Bänken fest oder rollten über das Deck. Abrupt wimmelte es auf den Innenseiten der Wehrmauern von Männern, die sich hinter den Bastionen versteckt haben mußten. Der Bug, an den ich mich klammerte, prallte wieder auf das Wasser, und ich sprang in weitem Bogen davon fort. Gleich darauf kam ich japsend wieder an die Oberfläche und versuchte mich zu orientieren. Ringsum schwammen die Wrackteile des Bugteils. Draußen ging der Rest der Galeere langsam unter. Von den Mauern regneten Pfeile auf die Wrackteile und Holz herab. Unsere Männer schwammen von dem Wrack fort, umgeben von Pfeilen, die ringsum ins Wasser stießen. Ich tauchte zum Fuß des Wassertors hinab. Durch das enge Gitterwerg gab es keinen Ausweg. Auch unter dem Metall führte kein Weg hindurch, ebensowenig wie vorbei. Die Eisenstäbe steckten in sechs Zoll breiten, runden Löchern, die in eine flache Schwelle gebohrt worden waren. Schließlich kam ich mit schmerzenden Lungen wieder an die Oberfläche und schüttelte mir das Wasser aus den Augen. Ich klammerte mich am Gitter fest. Vor dem Tor war es dunkel. Hier und dort schwammen Holzstücke im Mondschein, außerdem war das Wasser von zahlreichen Pfeilen bedeckt. Zweifellos würde man sie später einsammeln und trocknen. Die drei Galeeren, die wir geschleppt hatten, trieben ziellos fort und waren in der Dunkelheit kaum noch auszumachen. Ich hörte Gelächter auf der Mauer. Dann gewahrte ich eine Laterne und ein kleines Boot hinter mir. Während ich mich noch an das Eisen klammerte, wurde mir ein Seil um den Hals geschlungen.

29

»Macht ihm das Leben schwer!« befahl Policrates.

Die nackte rothaarige Schönheit schmiegte sich an mich. Ich bäumte mich in den Ketten auf. Mein Haar war noch naß von dem dunklen Wasser des Vorbeckens der Festung. Würgemale einer Fessel schmerzten mir am Hals. Die Kleidung war mir vom Leib geschnitten worden, und ich lag mit Händen und Füßen an Ringen angekettet auf dem Boden vor der Plattform mit dem Thron. Policrates saß lässig darauf. Er hob einen Finger und rief damit ein anderes Mädchen zu mir, eine dunkelhaarige Schönheit, die vorhin mit dem Namen Tais angesprochen worden war.

»Für wen bist du tätig?«

»Für niemanden«, antwortete ich.

Wieder gab der Piratenführer ein Zeichen, und Lita, einst eine freie Frau in Victoria, eilte herbei und kniete neben mir nieder.

»Du bist Jason aus Victoria, nicht wahr?« fragte Policrates.

»Ja«, antwortete ich. Neben dem Stuhl seines Herrschers stand Kliomenes. Er lächelte. Hinter den beiden standen vier oder fünf von Policrates’ Halsabschneidern und verfolgten mit verschränkten Armen die Szene. Rings um den Thron wie auch um die Stufen der Plattform lagerten weitere Mädchen. An einige erinnerte ich mich von der großen Feier hier in der Festung. Die meisten aber waren mir fremd. Männer wie Policrates sind nicht nur reich an Gold, sondern auch an Frauen.