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»Du bist der Beste, den wir kriegen können. Nein, das klingt falsch. Du bist der Beste, Lew. Punkt. Keine Schmeichelei.«

»Wie wird der Stab aussehen?«

»Die gesamte Kontrolle liegt bei fünf Schlüsselfiguren. Du wärst eine davon. Ich eine andere.«

»Als Wahlkampf-Manager?«

»Genau. Missakian ist Koordinator für Kommunikation und Medienkontakte. Ephrikian stellt die Verbindung mit den Verwaltungsbezirken her.«

»Was soll das bedeuten?«

»Er bereitet die Ämterbesetzung vor. Und Koordinator der Finanzen ist ein Bursche namens Bob Lombroso, der zur Zeit auf Wall Street sehr viel von sich reden macht; er…«

»Lombroso? Ein Italiener? Nein. Warte. Was für ein Geniestreich! Es ist euch gelungen, einen Wall-Street-Puerto zu eurem Geldmann zu machen.«

»Er ist Jude«, sagte Mardikian mit einem kleinen, trockenen Lachen. »Lombroso ist ein alter jüdischer Name, hat er mir erzählt. Wir haben ein fantastisches Team — Lombroso, Ephrikian, Missakian, Mardikian und Nichols. Du bist unser Orakel vom Dienst.«

»Woher weißt du, daß ich mit von der Partie bin, Haig?«

»Ich habe nie daran gezweifelt.«

»Woher weißt du es?«

»Meinst du, du wärst der einzige, der in die Zukunft sehen kann?«

9

So schlugen wir also zu Beginn des Jahres ‘96 im neunten Stock eines alten, verwitterten Gebäudes an der Park Avenue unser Hauptquartier auf, von dem aus wir einen wirklich großartigen Blick auf den bauchig gewölbten Mittelteil des PanAm-Hochhauses hatten, und wir gingen daran, Paul Quinn zum Bürgermeister dieser absurden Stadt zu machen. Schwer sah das nicht aus. Wir mußten lediglich die vorgeschriebene Anzahl qualifizierender Petitionen zusammenkriegen — ein Kinderspiel, New Yorker unterschreiben alles — und unseren Mann stadtweit genügend zur Schau stellen, so daß er vor den Vorwahlen in den fünf Bezirken bekannt war. Der Kandidat war attraktiv, intelligent, seiner Sache hingegeben, ehrgeizig und nur allzu offensichtlich fähig; wir mußten daher nicht erst ein Image zurechtmachen: keine Kosmetikarbeit an einem Plastik-Menschen.

Der Stadt war schon so oft ihr Untergang prophezeit worden, und sie hatte so oft neue Zuckungen unverkennbarer Vitalität gezeigt, daß der Klischeebegriff von New York als einer sterbenden Metropole schließlich aus der Mode gekommen war. Nur Dummköpfe oder Demagogen ritten noch darauf herum. Schon eine Generation zuvor hieß es, New York gehe zu Grunde, als die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes die Stadt zwischen die Finger nahmen und gnadenlos ausquetschten. Aber der langbeinige Draufgänger Lindsay erweckte sie als Fun City wieder zum Leben; Vergnügen verwandelte sich in Alptraum, als granatenbewaffnete Skelette anfingen, aus allen Schränken zu steigen; und New York fand heraus, was eine sterbende Stadt wirklich war; die vorherige Periode des Niedergangs erschien bald wie ein goldenes Zeitalter. Die weiße Mittelklasse machte sich in einem panischen Exodus auf und davon; Steuern kletterten auf repressive Höhen, um wesentliche Dienstleistungen in einer Stadt in Gang zu halten, in der die Hälfte der Bewohner zu arm war, für ihre Instandhaltung zu zahlen; große Firmen reagierten damit, ihre Hauptquartiere in baumreiche Vororte zu verlegen, was das Steueraufkommen weiter erodierte. Byzantinische Rivalitäten zwischen Volksgruppen explodierten in jeder Wohngegend. Ganoven lauerten hinter jedem Laternenpfahl. Wie konnte eine derartig verseuchte Stadt überleben? Das Klima war haßerfüllt, die Bürgerschaft böswillig, die Luft verpestet, die Architektur eine Schande, und ein Bündel selbstbeschleunigter Prozesse hatte die ökonomische Basis in gefährlicher Weise angefressen.

Aber die Stadt überlebte doch, sie blühte sogar. Da war der Hafen, da war der Fluß, da war die glückliche geographische Lage, die aus New York einen unverzichtbaren Knotenpunkt für die ganze Ostküste machte, eine ganglionische Schaltzentrale, die man nicht umgehen konnte. Und mehr: Die Stadt hatte in ihrer bizarren, schwitzigen Dichtheit eine Art kritische Masse, ein Niveau kultureller Aktivität erreicht, das sie zu einer Art schnellem Brüter für die Seele machte, sich aus sich selbst bereichernd und Energie zuführend; denn selbst in einem todgeweihten New York passierte so vieles, daß die Stadt einfach nicht sterben konnte, daß sie schlechterdings immer weiterpulsieren und die Fieber des Lebens hervorspeien mußte, endlos sich erneuernd und wieder auflebend. Eine ununterdrückbare, irrsinnige Energie tickte und tickte und tickte im Herzen der Stadt, würde dort immer ticken.

Nicht im Sterben also. Aber Probleme gab es.

Der vergifteten Luft konnte man sich mit Masken und Filtern erwehren. Mit der Kriminalität konnte man sich arrangieren, so wie man sich mit Schneestürmen und Sommerhitze arrangierte; negativ: durch Vermeiden; positiv: durch technologischen Gegenangriff. Entweder trug man keine Wertsachen am Leibe, bewegte sich rasch und wendig durch die Straßen und blieb so viel wie möglich zu Hause hinter vielen Schlössern, oder man wappnete sich mit Raum-Positiv-Warnsystemen, Anti-Überfall-Knüppeln, mit Sicherheitsstrahlungskegeln, die aus einem Stromkreis in den Nähten Ihres Anzugs gespeist wurden, und ging hinaus, den Gangstern zu trotzen. Arrangements. Aber die weiße Mittelklasse war verschwunden, wahrscheinlich für immer, und das verursachte Schwierigkeiten, die die Elektroniker nicht beheben konnten. Die Bevölkerung der Stadt bestand im Jahre 1990 hauptsächlich aus Schwarzen und Puertorikanern; darunter verstreut waren zweierlei Enklaven: eine, die zusehends schrumpfte (aus alternden Juden, Italienern und Iren), und eine, die an Größe und Macht beständig zunahm (die blendenden Inseln der Wohlhabenden, der Manager und Kreativen). Eine Stadt, die nur von Reichen und von Armen bevölkert ist, ist gewissen garstigen spirituellen Erschütterungen ausgesetzt, und es wird noch eine geraume Weile dauern, bis die entstehende nichtweiße Bourgeoisie ein wirklicher Garant sozialer Stabilität ist. Manche Teile New Yorks strahlen, wie nur Athen, Konstantinopel, Rom, Babylon und Persepolis in der Vergangenheit gestrahlt haben; der Rest ist Dschungel, Dschungel im wörtlichen Sinne, stinkend und verrottend, wo Gewalt das einzige Gesetz ist. New York ist weniger eine sterbende Stadt als eine unregierbare, sieben Millionen Seelen bewegen sich auf sieben Millionen Kreisbahnen unter einem ungeheuren zentrifugalen Druck, der jeden Moment aus allen diesen Bahnen Hyperbeln zu machen droht.

Willkommen im Rathaus, Bürgermeister Quinn.

Wer kann die Unregierbare regieren? Irgend jemand ist immer bereit, es zu versuchen, Gott steh ihm bei. Von unseren ungefähr hundert Bürgermeistern sind manche ehrlich gewesen, viele waren Betrüger, und so ungefähr sieben kann man aufzählen, die kompetente und wirksame Administratoren waren. Zwei davon waren Gauner, aber ihre Moral sei uns egal, denn sie brachten die Stadt in Schwung wie nur irgendein ehrlicher Mann. Einige waren Stars, einige waren Katastrophen, und alle halfen sie, die Stadt voranzustoßen zu ihrem endgültigen Malheur. Und nun Quinn. Er versprach Größe; in ihm verbanden sich, so schien es, die Kraft und Vitalität eines Gottfried, der Glanz eines Lindsay und die Wärme und Menschlichkeit eines LaGuardia.

So schickten wir ihn denn in die Vorwahlen der Neuen Demokraten gegen den unfähigen, hilflosen DiLaurenzio. Bob Lombroso melkte die Banken um Millionen, George Missakian stellte eine Reihe einfacher und direkter TV-Spots zusammen, in denen viele der Berühmtheiten auftauchten, die ich auf jener Party gesehen hatte; Ara Ephrikian handelte auf der Club-Ebene Ämter gegen Unterstützung, und ich erschien dann und wann mit schlichten projektiven Angaben im Hauptquartier, die nichts Tiefgründigeres sagten als geht auf Nummer sicher laßt euch auf einen Handel ein wir schaffen es.

Alle erwarteten einen haushohen Sieg Quinns, und in der Tat gewann er die Vorwahlen mit absoluter Mehrheit gegenüber einem Feld von sechs Mitbewerbern. Die Republikaner fanden einen Bankier namens Burgess, der ihre Nominierung akzeptierte. Er war unbekannt, ein politischer Neuling, und ich weiß nicht, ob ihnen nach Selbstmord zumute war oder ob sie nur einfach realistisch waren. Eine Umfrage, die einen Monat vor der Wahl gemacht wurde, gab Quinn 83 Prozent der Stimmen. Die fehlenden 17 Prozent störten ihn. Er wollte sie alle und gelobte, seinen Wahlkampf persönlich zu den Wählern zu tragen. Seit zwanzig Jahren hatte hier kein Kandidat mehr die Autokolonnen-und-Händeschüttel-Routine mehr absolviert, aber er bestand darauf, die Warnungen eines ängstlichen, Attentate befürchtenden Mardikian in den Wind zu schlagen. »Wie hoch sind die Chancen, niedergeschossen zu werden, wenn ich einen Bummel über Times Square mache?« wollte Quinn von mir wissen.