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Er lächelte, als Setaou über die Schwelle trat.

Setaou war der Sohn eines Seemanns und einer Nubierin, untersetzt, männlich, ein Muskelprotz mit dunkler Haut, schwarzem Haar und eckigem Schädel. Seine ungewöhnliche Ausdauer, aber auch seine Begabung für Chemie und Pflanzenkunde hatten die Aufmerksamkeit seines Lehrers geweckt. Und auch im Kap bedauerte man es nicht, ihm die Pforten zu höherer Bildung geöffnet zu haben.

Der wenig redselige Setaou setzte sich neben Ramses.

Noch bevor die beiden Jungen miteinander reden konnten, kam auch schon Ameni, klein, mager und schmächtig. Sein Teint war blaß und sein Haar trotz seines jugendlichen Alters bereits schütter; bei den sportlichen Übungen erwies er sich als unbeholfen, doch in der Kunst des Hieroglyphenschreibens übertraf er alle seines Jahrgangs. Er war unermüdlich und fleißig, schlief nachts nur drei oder vier Stunden und kannte die Schriften der Allen besser als sein Lehrmeister. Sein Vater war Gipsarbeiter, daher galt er als Held in der Familie.

»Ich hab es geschafft«, verkündete er stolz, »ich habe einem der Wächter mein Abendessen überlassen.«

Ihn hatte Ramses auch erwartet; er wußte, daß Setaou notfalls seine Kraft und Ameni eine List anwenden würden.

Der dritte Ankömmling überraschte den Prinzen. Niemals hätte er geglaubt, daß der reiche Acha solche Risiken eingehen würde. Kr war der einzige Sohn einer wohlhabenden adeligen Familie, und der Aufenthalt im Kap war für ihn eine Selbstverständlichkeit und eine Verpflichtung, eine Art Übergang zu einer hohen Beamtenlaufbahn. Er war elegant, wußte sich zu bewegen, hatte ein längliches Gesicht mit einem kleinen gepflegten Schnurrbart, und wenn er andere anblickte, wirkte das häufig herablassend. Seine salbungsvolle Stimme und seine vor Intelligenz funkelnden Augen schlugen seine Gesprächspartner in den Bann.

Er setzte sich den dreien gegenüber.

»Erstaunt, Ramses?«

»Ja, das gebe ich zu.«

»Mit euch einen Abend lang mal über die Stränge zu schlagen mißfällt mir nicht. Das Leben erschien mir ohnehin schon arg eintönig.«

»Wir riskieren Strafen.«

»Das macht das Verbotene nur noch pikanter; sind wir vollzählig?«

»Noch nicht.«

»Sollte dein bester Freund dich verraten haben?«

»Er wird kommen.«

Mit ironischem Blick ließ Acha das Bier einschenken… Ramses rührte es nicht an. Unruhe und Enttäuschung schnürten ihm die Kehle zu. Sollte er sich so gewaltig getäuscht haben?

»Da ist er ja!« rief Ameni.

Moses, groß, breitschultrig, mit üppigem Haar und einem Bartkranz ums Kinn, wirkte viel älter als fünfzehn. Er war der Sohn hebräischer Arbeiter, die seit mehreren Generationen in Ägypten ansässig waren, und seit frühester Jugend genoß er aufgrund seiner erstaunlichen geistigen Fähigkeiten die Erziehung im Kap. Da er körperlich ebenso stark war wie Ramses, hatten die beiden Jungen bei allen Gelegenheiten ihre Kräfte gemessen, dann aber einen Pakt geschlossen und vereint ihren Lehrern die Stirn geboten.

»Ein alter Wächter wollte mich hindern, das Gelände zu verlassen. Da ich ihn nicht zusammenschlagen wollte, mußte ich ihn erst vom Sinn und Zweck meines Vorhabens überzeugen.«

Man beglückwünschte sich gegenseitig, leerte eine Schale Bier und weidete sich am unvergleichlichen Geschmack des Verbotenen.

»Beantworten wir die einzig wichtige Frage«, sagte Ramses, »wie erlangt man wirkliche Macht?«

»Durch den Umgang mit den Hieroglyphen«, antwortete Ameni, ohne zu zögern. »Unsere Sprache ist die der Götter, die Weisen nutzten sie, um uns deren Gebote zu übermitteln. ‹Ahme deine Ahnen nach›, steht geschrieben, ‹denn sie kannten das Leben vor dir. Macht wird durch Wissen verliehen, nur die Schrift macht unsterblich.›«

»Gelehrtengefasel«, warf Setaou ein. Ameni ereiferte sich.

»Willst du etwa leugnen, daß der Schreiber die wahre Macht innehat? Anstand, Höflichkeit, Lebensart, Geradlinigkeit, Einhaltung von Versprechungen, Ablehnung von Unehrlichkeit und Neid, Selbstbeherrschung, Schweigsamkeit zugunsten des geschriebenen Wortes, all das sind Tugenden, die ich entwickeln will.«

»Das genügt nicht«, befand Acha, »höchste Macht verleiht die Diplomatie. Daher werde ich bald in fremde Länder reisen und die Sprachen unserer Verbündeten wie auch die unserer Gegner erlernen, um zu begreifen, wie die Handelsbeziehungen geknüpft sind und welche Absichten die anderen Herrscher in Wirklichkeit verfolgen. Wenn ich das alles weiß, habe ich sie in der Hand.«

»Aus dir spricht der Ehrgeiz eines Städters, der jeden Kontakt zur Natur verloren hat«, beklagte Setaou. »Die Stadt ist die eigentliche Bedrohung!«

»Du sagst uns nicht, wie du Macht zu erlangen gedenkst«, warf Acha spitz ein.

»Es gibt nur einen Weg, wo Leben und Tod, Schönheit und Abscheu, Arznei und Gift ständig ineinander verschlungen sind: auf dem Pfad der Schlangen.«

»Du machst wohl Witze?«

»Wo leben denn die Schlangen? In der Wüste, auf den Feldern, in den Sümpfen, an den Ufern des Nils und der Kanäle, auf den Dreschplätzen, in den Unterständen der Hirten, in den Viehpferchen, ja sogar in den dunklen und kühlen Schlupfwinkeln der Häuser! Die Schlangen sind überall, sie wissen um das Geheimnis der Schöpfung. Ihnen das zu entlocken wird Ziel meines Lebens sein.«

Niemand wagte etwas einzuwenden, denn Setaou schien seine Entscheidung wohl durchdacht zu haben.

»Und du, Moses?« fragte Ramses.

Der junge Hüne zögerte.

»Ich beneide euch, meine Freunde, denn ich vermag keine Antwort zu geben. Seltsame Gedanken treiben mich um, mein Geist ist ruhelos, aber mein Schicksal bleibt im dunkeln. Man wird mir wohl einen wichtigen Posten in einem großen Harim anvertrauen, ich bin auch bereit, ihn anzunehmen, allerdings in Erwartung einer beglückenderen Aufgabe.«

Die Blicke der vier jungen Männer richteten sich auf Ramses.

»Es gibt nur eine wahre Macht«, erklärte er, »die des Pharaos.«

VIER

»Du erstaunst uns in keiner Weise«, klagte Acha. »Mein Vater hat mich dem wilden Stier gegenübergestellt«, verriet Ramses. »Warum wohl, wenn nicht, um mich vorzubereiten, eines Tages Pharao zu werden?«

Diese Antwort machte die vier Mitschüler des Prinzen sprachlos ; Acha war der erste, der seine Sprache wiederfand.

»Hat Sethos nicht deinen älteren Bruder als Nachfolger benannt?«

»Wenn das so wäre, warum hat er ihn dann nicht gezwungen, dem Ungeheuer die Stirn zu bieten?«

Ameni strahlte.

»Das ist ja wunderbar, Ramses! Freund des künftigen Pharaos zu sein, wie wundervoll!«

»Berausch dich nicht«, riet Moses, »Sethos hat seine Wahl vielleicht noch nicht getroffen.«

»Werdet ihr für oder gegen mich sein?« fragte Ramses.

»An deiner Seite bis in den Tod«, antwortete Ameni.

Moses nickte zustimmend.

»Die Frage muß überdacht werden«, meinte Acha. »Sobald ich erkenne, daß deine Chancen steigen, werde ich von meinem Glauben an deinen älteren Bruder allmählich ablassen. Wenn dem nicht so ist, werde ich doch keinen Unterlegenen unterstützen.«

Ameni ballte die Fäuste. »Man sollte dich…«

»Vielleicht bin ich nur der Ehrlichste von uns allen«, fiel ihm der künftige Gesandte ins Wort.

»Das würde mich wundern«, erwiderte Setaou, »die einzig realistische Einstellung ist die meine.«

»Würdest du sie uns verraten?«

»Schöne Worte sagen mir nichts. Taten allein zählen. Ein zukünftiger König muß fähig sein, den Schlangen die Stirn zu bieten. In der nächsten Vollmondnacht, wenn sie alle aus ihren Schlupfwinkeln hervorkommen, werde ich Ramses mitnehmen. Dann werden wir sehen, ob er seinen Ansprüchen gewachsen ist.«

»Weigere dich«, flehte Ameni.

»Einverstanden«, sagte Ramses.