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»Wir haben eigentlich eine Menge Glück«, sagte Gurk, der seinen Blick bemerkt hatte. »Der Wirbelsturm hält den größten Teil der Luftmassen vom Loch fern, und deshalb wächst es langsamer als erwartet. Sehen Sie hier, immer noch acht Kilometer. In diesem Zustand kann das Gebilde noch Monate verharren, ehe der Zyklon auseinanderbricht.«

Der Governor nickte nur, gebannt von dem Auge, das sich langsam unter den gewaltigen Kräften verformte, die auf die Wolken am Rand einwirkten. Zwei Lichtpunkte näherten sich langsam diesem Rand, und die Bewegung, die auf dem Bildschirm ruhig und gleichmäßig aussah, verlief in Wirklichkeit immer chaotischer. Der Jared konnte die Fluglage des Gleiters nur mühsam stabil halten, nachdem er die Scheibe um dreißig Grad auf die Seite gekippt hatte, eine Lösung, die Stones Magen nicht gerade beruhigte. In einem Flugzeug wären sie schon lange mit zerfetzten Tragflächen und geborstener Druckkabine abgestürzt.

»Es wächst schneller, je größer es ist«, sagte er nach einer Weile.

»Richtig«, antwortete der Zwerg mit einer Begeisterung, die Stone nicht teilen konnte. »Das ist wie die Geschichte mit den Weizenkörnern auf dem Schachbrett. Je größer es wird, desto mehr Materie wird in Energie umgewandelt, und je mehr Energie zur Verfügung steht, desto rascher kann es wachsen. Wenn es wirklich groß geworden ist, dann wird es vielleicht in mehrere Teile auseinanderfallen, aber davon sind wir noch weit entfernt.«

»Wie groß?« Wieder erschütterten heftige Regenfälle den Gleiter, und diesmal dachte Stone im ersten Moment, sie seien ins Meer gestürzt, so massiv war die Barriere aus Wasser, in die der Gleiter hineinstieß.

»Was?« rief Gurk durch den Lärm hindurch.

»Wie groß muß es sein, um auseinanderzufallen?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Gurk gleichmütig. »So groß wie die Sonne vielleicht. Es könnte interessant sein, die Antwort herauszufinden.« Er warf dem Governor einen boshaften Blick zu und grinste breit. »Nur wird dann keiner von uns mehr da sein.«

Großartig, dachte Stone sarkastisch. Vielleicht fällt bei einem Zwerg zu allem anderen auch noch der Selbsterhaltungstrieb etwas kleiner aus.

Der Lichtpunkt, der die Position ihres voranfliegenden Beobachters markierte, hatte die turbulente Randzone des Auges erreicht und versuchte nun, sich vom Sturm um das Auge herumtragen zu lassen. Falls er in das Auge hineingeraten sollte, hatte er kaum eine Chance, es wieder zu verlassen. Die Druckdifferenz war einfach zu groß, viel größer als bei jedem natürlich entstandenen Wirbelsturm.

Das Bild flackerte plötzlich. Stone sah hastig auf seine eigenen Meßgeräte. »Die Übertragung ist gestört«, rief er dem Zwerg zu.

»Ziemliches Gewitter da drin«, antwortete Gurk seelenruhig. »Ich bin überrascht, daß der Beobachter überhaupt noch sendet.«

Was für ein liebenswürdiger Zeitgenosse, dachte Stone. Inzwischen hatte er einige Übung darin, seine Meinung für sich zu behalten. Bei den Moroni war es darauf nicht so sehr angekommen; anders als die Jared hatten sie sich nicht gut in einen Menschen hineinversetzen können. Nun, eine nennenswerte Zahl von Jared kannte dagegen die Menschen sehr viel besser - gewissermaßen von innen heraus. Er drängte den unerfreulichen Gedanken in den Hintergrund und konzentrierte sich wieder auf die Funkanlage. Ein flüchtiger Blick zeigte ihm, daß der Beobachter inzwischen am Auge vorbei war und damit begann, einen Weg nach draußen zu suchen. Ihr eigener Pilot hielt sich gut acht Kilometer vom Rand entfernt, und trotzdem waren die Turbulenzen kaum auszuhalten. Blitze umgaben den schlingernden, zitternden Gleiter und warfen schmerzhaft intensive Schlaglichter auf das Innere.

Die Übertragung brach diesmal ohne Vorwarnung zusammen. Bevor er den Mund öffnen konnte, hörte er etwas außerhalb des Gleiters, das ihn im ersten Moment an ein riesiges Triebwerk erinnerte. Über die dumpfe Folge von Blitzschlägen hinweg schwoll das Geräusch zu einer grollenden Brandung aus Lärm und Donner an. Er sah zu Gurk hinüber, dessen Augen starr auf die Scheiben gerichtet waren, mit einem Gesichtsausdruck, den er erst nach einem endlos scheinenden Augenblick erkannte.

Furcht, dachte er noch. Die Schockwelle traf den Gleiter frontal und riß ihn einfach mit, so schnell, daß sich Konsolen und Computeranlagen aus ihren Halterungen losrissen und durch die Kabine stürzten, während der Gleiter hilflos wie ein Blatt im Herbststurm von der Druckwelle emporgetragen wurde. Die gepanzerte Hülle dehnte und streckte sich, kreischte wie ein tödlich verwundetes Tier. Metallstreben knickten plötzlich ab, und eine der hinteren Sichtscheiben bekam plötzlich Sprünge, die rasch zu einem spinnenwebenartigen Geflecht zusammenwuchsen. Im nächsten Moment war das zentimeterdicke Panzerglas verschwunden, mitgerissen von der Druckwelle, die vor ihnen hereilte und sie in ihrem Kielwasser mit sich riß. Die Luft entwich explosionsartig aus der Kabine, und Stone schrie auf. Blut schoß aus seiner Nase, und sekundenlang glaubte er ersticken zu müssen, bevor es ihm gelang, seine Atemmaske aufzusetzen. Irgendwie schaffte es der Pilot, den Gleiter von einer Böe aus dem Sog der Druckwelle herausreißen zu lassen, und Stone mußte erneut einen heftigen Brechreiz unterdrücken, als das übel zugerichtete Fahrzeug wie ein tonnenschwerer Stein in die Tiefe sackte. Endlos dauernde Sekunden lang war der Jared nicht in der Lage, den Sturz abzufangen. Die überlasteten Triebwerke heulten auf und übertönten sogar den Wirbelsturm, und die angebrochene Hülle knirschte, als zusätzliche Kräfte auf sie einwirkten. Ein blasses, dichtes Grau umgab den Gleiter auf seinem Weg nach unten, und dann endlich wurden sie von ihrem eigenen Gewicht in die Sitze gepreßt. In einem langgezogenen Bogen glitt das Fahrzeug aus den Sturzwinden heraus, fing sich nur einige Dutzend Meter über schemenhaft erkennbaren Eismassen und gewann mühsam und torkelnd wieder an Höhe.

Stone sackte keuchend auf seinem Sitz zusammen. Er spürte salzige Feuchtigkeit auf seinen Lippen und begriff angewidert, daß seine Nase gleichmäßig in seine Atemmaske blutete. Er sah dorthin, wo der Sturm die Sichtscheibe herausgerissen hatte. Die Dekompression hatte einen Teil der Hülle nach außen gebogen, und eine metergroße Öffnung klaffte links von ihm. Er konnte die arktische Eisfläche erkennen, in einem fahlgrauen, verschwommenen Licht, das von überall her zu kommen schien, unterbrochen von blauweißen Blitzschlägen, die eine scharfe, grelle Helligkeit auf das Eis warfen. Trotzdem wirkten alle Umrisse seltsam verschwommen, und einen Moment lang glaubte Stone, eine dichte Nebelschicht über dem Boden zu erkennen, dann begriff er, daß das Eis unter ihnen verdampfte. Vermutlich hatten die aufgeheizten Luftmassen die ganze Region weit über den Gefrierpunkt erwärmt.

Er zog sich an seine Konsole heran und überprüfte die Kontrollen. Die Funkanlage war noch intakt, aber es kamen keine Signale mehr von dem Beobachter. Er hatte nichts anderes erwartet. Der andere Gleiter war viel weiter im Inneren des Wirbelsturms gewesen.

Stone blickte zu Gurk hinüber. Der Zwerg hatte hinter seiner Moroni-Atemmaske überhaupt nichts mehr mit einem Menschen gemein. Er starrte mit dunklen Augen auf den Bildschirm, die seltsamen Hände klauenartig über das Schaltpult ausgebreitet, und murmelte etwas Unverständliches. Trotz der gerade erst überstandenen Gefahr verursachte der Anblick Stone eine Gänsehaut.

Er nahm die Atemmaske ab und ignorierte das Blut, das warm und klebrig über sein Kinn lief. »Was ist passiert?« rief er, und beim letzten Wort kippte seine Stimme fast.

Gurk hob den Kopf und sah ihn an, und der Governor fühlte sich sekundenlang wie eine Maus, die von einer Klapperschlange überrascht wird. Im nächsten Moment verzog sich das sichtbare Teil von Gurks Gesicht zu einem triumphierenden Grinsen, das nicht einmal die breite Moroni-Atemmaske verdecken konnte.