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»Angeber«, sagte sie mit gelindem Spott. »In den gesamten sechzig Jahren?«

»Korrekt«, antwortete 370/98. »Es hat ein paar nicht identifizierte Radarkontakte im Süden und Südosten gegeben, und seismologische Registrierungen, aber keine Moroni-Identifizierung.«

»Wieso seismologisch?« fragte Skudder verwirrt.

»Erschütterungen im Tagebau-Gebiet«, vermutete Charity. »Was immer das heißt. Vielleicht sind auch die Bagger mit in diesen Spuk einbezogen worden. Überprüfung, 370.«

»370/98«, sagte der Würfel. »Soviel Zeit muß sein.«

»Entschuldigung«, murmelte sie.

»Was ist mit Moroni-Aktivität im Bereich der Gruben?« fragte sie dann.

»Keine Daten aus Grube II und III«, sagte Harris, der seine eigene Abfrage parallel laufen ließ. Charity dachte flüchtig, daß es sinnvoll war, Harris' Angaben und die des Würfels wechselseitig überprüfen zu lassen. Vorausgesetzt, daß sie nicht dieselben Motive hatten, etwas zu verschweigen oder zu erfinden. In letzter Zeit war das Leben ungeheuer kompliziert geworden.

»Was heißt das, keine Daten?«

»Entweder ist nichts passiert«, mutmaßte Harris, »oder es konnte nicht beobachtet werden. In Grube I gibt es nur die normalen Registrierungen. Keine besonderen Vorkommnisse.«

»Versuchen Sie, ein paar Videobilder aus II und III zu bekommen«, empfahl Charity nach kurzer Überlegung. »Wo war der Ursprung der registrierten Erschütterungen?«

»Südost«, antwortete der Würfel.

»Fangen Sie mit Grube III an«, sagte sie.

Harris blickte auf. »Die liegt im Süden«, sagte er.

»Sie ist übersichtlicher«, antwortete Charity. »Üben Sie. Mit Grube II können Sie sich den ganzen Tag beschäftigen, und Sie würden es nicht einmal merken, wenn dort jemand ein paar Footballfelder klaut.« Er machte sich wortlos an die Arbeit. Auf den Bildschirmen wechselten rasch undeutliche Kamerabilder von Maschinenhallen, freitragenden Transportbändern, Kontrolltürmen und riesigen Baggern, die regungslos zwischen terrassenförmigen Abbaustufen standen. Das Sonnenlicht tauchte das Gelände von Grube III in eine erbarmungslose gleißende Helligkeit, die die Sichtfilter der Kameras nur teilweise mildern konnten. Metall warf scharfe Lichtreflexe und Spiegelungen auf den dunklen Boden, aber nirgendwo zeigten sich die charakteristischen Spuren von Moroni-Bauten oder Moroni-Maschinen.

»Das Gelände scheint sauber zu sein«, sagte Harris nach zehn Minuten.

»Was ist mit den Startanlagen?«

»Die Abfrage läuft noch«, sagte Harris. »Lassen Sie mir ein wenig Luft, okay?«

»Was immer Sie brauchen«, antwortete Charity. Ihre eigenen Abfragen lieferten regelmäßig Fehlanzeigen. Sie fragte sich, ob Harris oder der Würfel herauszubekommen versuchten, was sie tat. Ihre Fähigkeiten als Operator waren etwas eingerostet, aber soweit es Harris betraf, glaubte sie einen sicheren Überblick über seine Aktivitäten im Computernetz zu haben. Was den Würfel anging, war sie sich da weitaus weniger sicher.

»Ich fange jetzt mit Grube II an«, meldete Harris neben ihr. Sie brummte zustimmend und nahm den nächsten Fehlschlag zur Kenntnis. Dann hörte sie, wie Skudder einen erstaunten Pfiff ausstieß, und runzelte die Stirn.

»Himmel«, sagte Harris verblüfft. »Sehen Sie sich das an.«

Sie hob den Kopf und folgte seiner ausgestreckten Hand zu den von der Decke herabhängenden Bildschirmen, die ein Dutzend verschiedene Übersichtsbilder des südöstlichen Tagebaugebietes zeigten. Im harten Licht der Sonne erstreckte sich die riesige Grube II, das mit Abstand größte der vier Abbaugebiete. Einige der Aushebungen reichten drei bis vier Kilometer in den Mondboden hinein, und die Bahnen, die die Schaufelbagger dabei terrassenartig angelegt hatten, boten genug Platz für mehrere Shuttle-Landebahnen nebeneinander. Abraumhalden zogen sich zum Horizont, die Nischen für die Transportbänder tief in ihre hochgeworfenen Flanken gebohrt. Felswände standen schroff im Westen, dort, wo das Deckgestein nicht beseitigt worden war und wo der Erzabbau in gewaltigen Höhlen fortgesetzt worden war, geschaffen mit atomaren Sprengsätzen, die das Metall in einer radioaktiven Schmelze am Boden kilometerhoher Kavernen angesammelt hatten. Platz genug für die Millionen Tonnen Material und Maschinen, die dort in zehn Jahren verbaut worden waren.

Nur, es war nichts von alldem zu sehen. Es gab keine Transportbänder, keine Beleuchtung, keine Bohranlagen, keine Magazine, Hallen, Hangars, keine Landebahnen, keine Shuttle-Startanlagen, keine Bunker, kein Kraftwerk, kein einziges Gebilde von Menschenhand. Nichts außer Fels, Sand und Staub erstreckte sich vor ihnen, soweit das Auge reichte.

»Scheiße im Schuhkarton«, sagte Charity entgeistert. »Wo ist das ganze Zeug hingekommen?«

Die Kameras schwenkten langsam, und andere Teile des Areals wurden sichtbar. Nirgendwo war eine Spur von blankem Metall zu entdecken. Skudder schüttelte den Kopf. »Das übersteigt mein Vorstellungsvermögen«, sagte er. »Was wollen die Moroni mit dem ganzen Zeug?« Er kratzte sich an der Wange, die nach fast anderthalb Tagen Druckanzug Rasiermesser und Seife hätte vertragen können. »Die haben nicht eine einzige Schraube übriggelassen.«

»Sogar Diebe haben ihren Stolz«, versetzte Charity. Sie sah auf das viele hundert Quadratkilometer große Grubengelände, ohne wirklich zu begreifen. Sie konnte sich ebensowenig wie Skudder vorstellen, wie man mehrere Dutzend Großraumbagger und ihre mobilen Maschinenhallen verschwinden lassen konnte, ganz zu schweigen von zweihundert Kilometer langen Transportbändern, die pro Sekunde Hunderte von Tonnen verlagern konnten. »Ohne Transmitter haben die das unmöglich schaffen können«, dachte sie laut. »Aber wenn man Transmitter hat, wozu braucht man dann Transportbänder oder Bagger?«

Niemand hatte eine Antwort darauf. Sie betrachteten stumm das leergeräumte Gelände. Die schweren Räumbagger hatten tiefe Kettenspuren im harten Boden hinterlassen.

»Kein Wunder, daß sie MacDonald nicht besucht haben«, sagte Charity nach einer Weile ehrfürchtig. »Sie waren einfach zu beschäftigt.«

»Deshalb auch die registrierten Erschütterungen«, kommentierte Harris. »Sie müssen eine Menge Lärm gemacht haben, als sie das ganze Material verlegt haben.«

Die Bilder wanderten weiter.

»Ich habe eine Übertragungsstrecke nach Köln«, meldete sich der Würfel. »In drei Minuten.«

Keiner von ihnen reagierte darauf. Die Bildschirme zeigten Teilansichten der ausgeräumten Bergwerksanlage, unterteilt wie das Mosaikbild eines Moroni-Insektenauges.

»Nummer Drei«, sagte Skudder plötzlich. Harris schlug mit dem Finger auf eine Taste, und eines der Bilder blieb stehen. Die gewaltige, schattenlose Ebene breitete sich vor ihnen aus, endete in den nahezu senkrechten Wänden eines anderthalb Kilometer hohen Steinbruchs, dessen Kliffs halb im Dunkeln lagen, im toten Winkel des Sonnenlichts. Dennoch konnte Charity die Umrisse eines gewaltigen Rings aus weißem Metall ausmachen, der wie ein abstraktes Kunstwerk in die Felswand eingepaßt worden war.

»Da haben wir es«, sagte sie tonlos. »Ein hübsches kleines Schlupfloch.«

»Er sieht anders aus, als ich erwartet habe«, sagte Harris vorsichtig.

»Das macht nichts«, erwiderte Charity. »Das Ding sieht aus wie der Ring in dem Schiffswrack. Der, mit dem alles angefangen hat.« Sie ließ den Sitz nach hinten schwingen. »Er ist nicht eingeschaltet, das ist alles.«

»Die Black-Hole-Bombe wird ihn genauso erwischt haben wie alle anderen«, sagte Skudder.

»Er sieht ziemlich unversehrt aus«, entgegnete Charity.

Er kniff die Augen zusammen. »Auf diesem Bild kann ich überhaupt nicht viel erkennen«, beschwerte er sich.

»Die Moroni hätten keine drei Stunden bis zum Wrack benötigt, wenn sie von dort gekommen wären«, gab Harris zu bedenken.

»Ich vermute, daß wir dort keine Moroni finden werden«, bestätigte Charity müde. »Da draußen ist nichts. Wir müssen von vorne anfangen.« Sie sah sich nach dem Würfel um. »Gib mir die Leitung nach Köln, 370/98.«