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Giles, der sehr blaß geworden war, trat vom Tisch zurück. Fenton hob den Kopf, und Giles sah mit Bestürzung das seltsame Lächeln und das erwartungsvolle Glitzern in den Augen seines Gebieters. »In schlichten Worten«, meinte Fenton, »sie müssen mich mit einer größeren Menge angreifen und zermalmen. In noch schlichteren Worten: sie müssen mein Haus angreifen und mich hervorlocken.«

»Sir, ich will nicht behaupten, daß dies geschehen wird. Aber die Möglichkeit besteht. Und wenn, dann heute nacht!«

»Was mich angeht«, sagte Fenton in aller Gemütsruhe, »so bete ich sogar darum, daß sie den Versuch machen. Denn ich habe mich in Gedanken schon damit befaßt.«

»Was sagt Ihr da?«

»Und habe einen kleinen Plan ersonnen. Komm her und schau, ich mache eine Skizze.« Giles trat näher. Fenton nahm einen Pergamentbogen, tauchte die Gänsefeder in die Tinte und skizzierte mit ein paar raschen Strichen einen kleinen Schlachtplan, den er mit kurzen, eindringlichen Worten erklärte. Zuletzt schrieb er fünf Namen nieder, darunter auch seinen eigenen. Dann schien er zu zögern, während Giles vor sich hin pfiff.

»Aber .«, begann Fenton voller Verzweiflung. »Sprecht, Sir! Was bekümmert Euch?«

»Diese Leute«, sagte Fenton, auf die Namen deutend, »sind meine Diener. Kann ich, darf ich sie überhaupt bitten, ihr Leben für mich zu wagen?«

Giles lief behende zur anderen Seite des Tisches und blickte seinen Herrn erstaunt an.

»Blitz!« rief er ganz verdutzt. »Es wird doch von allen Gebietern verlangt. Und noch eins, Sir! Habt Ihr Euch überlegt, was Eure Diener - Männer wie Frauen - von Euch halten? Jedenfalls seit einem gewissen Datum?« Seine Augen bekamen einen verschlagenen Ausdruck. »Genauer gesagt, seit dem 10. Mai dieses Jahres?«

Fenton hatte das Gefühl, als ob das Spitzenband an seinem Hals enger würde. Er blickte nicht auf. Der 10. Mai war der erste Tag seines neuen Lebens im alten London gewesen. Giles fuhr indessen, seltsam bewegt, fort: »Hat einer seitdem für das leiseste Vergehen die Peitsche oder gar die Neunschwänzige Katze zu spüren bekommen? Hat man je wieder das wahnwitzige Toben in den Ställen mit ansehen müssen, das beinahe zu einem Mord geführt hätte?

Und habt Ihr seitdem mit den gemeinsten Huren von Whetstone ein Zechgelage veranstaltet? Und sie in Eurem eigenen Salon geheißen, nackt und betrunken Lieder zu singen? Während Ihr im Sessel lagt, in jeder Hand eine Flasche, und kräftig mitsangt?«

Fenton hob protestierend die Hand, obgleich er immer noch den Blick gesenkt hielt. »Verschone mich. Ich gebiete es dir!«

»Zu Diensten, Sir.« Giles zuckte die Achseln. Beide schwiegen eine Weile.

»Dennoch frage ich«, platzte Giles von neuem hervor, »wie steht's mit diesen Dienern jetzt? Sie haben alles, was sie begehren, und noch mehr. Die einzige Härte, die sie auszustehen haben, ist ein Bad. Einige waren zugegen, als Ihr das Geheimnis der vergifteten Sektmolke aufdecktet, als hättet Ihr Augen, die durch Backsteinwände sehen können. Sie sahen, wie diese Schlampe Kitty nicht an den Galgen befördert, sondern mit etlichen Goldstücken in der Hand freigesetzt wurde. Sir, sie würden für Euch in den Tod gehen. Und ich selbst, bin ich nicht dankbar?«

»Zum letztenmal, hör auf damit!«

Fenton blickte immer noch nicht auf. Er dachte über den merkwürdigen Ausdruck in Giles' Augen bei der Erwähnung des 10. Mai nach und fragte sich, wieviel Giles wußte oder erriet. Und Lydia? Nein, Lydia konnte nichts erraten haben.

»Nun«, meinte Giles, »dann will ich von etwas anderem reden. Aber eins, Sir, muß geändert werden!«

Er tippte mit seinem knöchernen Zeigefinger auf die fünf Namen, die Fenton an den Rand des Pergaments geschrieben hatte. »Sir Nick, Ihr kennt mich als einen ziemlich guten Degenfechter. Auch kann ich den Dolch geschickt handhaben. Warum steht mein Name nicht hier? Warum gehöre ich nicht zu den fünf Leuten, die das Haus verteidigen sollen?«

»Giles, Giles, du bist. keiner der jüngsten mehr. Das habe ich festgestellt, als wir uns zuerst miteinander maßen.« Giles stellte sich in Positur.

»Sir, Ihr könnt es nicht verhindern«, sagte er gelassen. »In dieser Nacht, so Gott will, kämpfe ich an Eurer Seite.« Fenton traten die Tränen in die Augen, und er verdeckte sie rasch mit der Hand. Obgleich nicht mehr viel vom alten Professor Fenton übriggeblieben war, so doch noch genug, um zu bewirken, daß ihn eine große Verlegenheit überkam und er es vermied, Giles anzusehen.

»Schon gut«, brummte er und schrieb rasch Giles' Namen an das Ende der Liste. »Im Augenblick ist wenig zu machen. Bitte, gehe nach unten und setze Big Tom, Whip, Job und Harry von unserem Plan in Kenntnis. Laß die Waffen, die ich gewählt habe, bereitstellen.«

Giles war wieder voller Energie. »Soll ich die Fensterläden schließen lassen, Sir?«

»Nein! Auf keinen Fall! Dann wären sie ja gewarnt, daß wir sie erwarten. Alle Mann zu Bett, bis wir geweckt werden. Harry soll Wache stehen. Bis zehn Uhr sind die Lichter zu löschen. Und kein Wort davon zu Mylady.«

»Sir, das versteht sich.« Und Giles rannte.

Fenton schob seine Perücke zurecht und ging dann nach oben, um sich vor dem Abendessen zu waschen.

Zweifellos, dachte er, war diese Idee von einem nächtlichen Angriff der reinste Wahnsinn, erzeugt von der lastenden Hitze, dem Gewitter, das nicht zum Ausbruch kam, und einem Gefühl, als ob Läuse an freiliegenden Nerven entlangkrabbelten. Immerhin war es eine Möglichkeit. Und Lydia .

Als er mit Lydia zu Tisch saß in dem von Silber glänzenden, düsteren Raum mit den Ahnenbildern, versuchte er, fröhlich und unbekümmert zu sein, und lachte infolgedessen zuviel. Obgleich Lydia pflichtschuldigst mitlachte, betrachtete sie ihn ernst, um seine wahre Stimmung zu ergründen.

»Nick«, fragte sie, »droht Gefahr? Ist es das, worüber du nachdenkst?«

»In aller Ehrlichkeit, nein.« Er lächelte sie an und drückte ihr beruhigend die Hand. »Auf jeden Fall kann ich schwören, daß dir keine Gefahr droht.«

»Das weiß ich doch«, protestierte sie in aufrichtiger Überraschung. »Bist du nicht bei mir?«

Abermals senkte Fenton den Kopf, während er die scheußliche Omelette probierte, die für sie zubereitet war. »Du möchtest mich irgend etwas fragen!« sagte Lydia plötzlich und hielt den Atem an. »Liebes Herz, was ist es?« Ihr Instinkt war beinahe unheimlich; wieder traf der Pfeil direkt ins Schwarze. Er überlegte sich nämlich gerade, wieviel sie von Sir Nicks Verwandlung wußte und wie tief sie wohl von diesem verletzt worden war. Aber er lachte nur und schwor bei allem, was ihr teuer war, daß er keine Frage an sie habe.

»Na schön!« rief sie erleichtert, aber immer noch etwas im Zweifel. Sie blickte über ihre Schulter, als wolle sie sich vergewissern, daß niemand sie hören könne. »Ich möchte dir etwas sagen. Versprich mir aber, daß du dich nicht über mich lustig machen wirst.«

»Habe ich das je getan?«

»Seit Tagen«, sagte Lydia mit leiser Stimme, »bin ich von einer seltsamen Ahnung erfüllt. Ich habe das Gefühl, daß ich bald sterben werde.«

Fentons Messer fiel klirrend auf den Tisch. »Lydia! Das darfst du nie sagen!«

»Es ist wohl nur Einbildung«, meinte sie, wahrend ihre Augen unstet umherirrten. »Ich möchte jetzt nicht sterben, wo du und ich einander gefunden haben.« Sie wandte sich ihm zu. »Sag mir, daß es Unsinn ist!«

Er versicherte es ihr. Er versicherte es ihr so lange, bis sie wieder voller Zuversicht war und sogar lachte.

»Pah, ich bin einfältig!« erklärte sie und warf den Kopf in den Nacken. »Ich will nicht mehr daran denken.« Aber Fenton mußte daran denken.

An diesem Abend gingen sie vor zehn Uhr zu Bett, und zwar wie üblich in Lydias Zimmer. Er herrschte immer noch eine drückende Hitze, und kein Windhauch regte sich.

Vor dem Schlafengehen legte sich Fenton einen alten Anzug und Waffen zurecht. Da weder er noch Lydia sich mit Nachtgewändern abplagten, konnte er in wenigen Sekunden angezogen sein. Lydia beobachtete ihn bei diesen Vorbereitungen, ohne irgendeine Bemerkung zu machen.