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Wenn Sie ihn zu Gesicht bekommen wollen, sollten Sie sich schleunigst einen Tisch sichern. Aber ja keine Fragen! Hübsch von weitem spionisieren!«

Die Hand fromm an die Brust gelegt, erkundigte Ahimaaz sich honigsüß: »Und wie gedenken Seine Hochwohlgeboren den ferneren Abend zu verbringen?«

Der Kammerdiener verzog das Gesicht.

»Das ist nicht mein Bier - und Eures schon gar nicht.«

Ausgezeichnet! dachte Ahimaaz. Wie es aussieht, gedenkt man erst morgen zur Sache zu kommen, für den Abend scheint tatsächlich »Erholung anberaumt« zu sein. Kommt uns sehr entgegen.

Nun mußte er nur noch Wanda instruieren.

Sie hatte Wort gehalten, wartete auf ihn in ihrer Wohnung und war allein. Zuerst blickte sie Ahimaaz seltsam gespannt entgegen, so als erwartete sie von ihm etwas; als der Gast jedoch sogleich vom Geschäftlichen zu sprechen anhob, schien ihr Interesse zu erlahmen.

»Wir waren doch schon überein«, bemerkte sie lässig. »Wozu die Sache noch auseinanderposamentieren? Ich verstehe mein Handwerk, lieber Nikolai.«

Ahimaaz musterte die Einrichtung des Zimmers, das offenbar Wohnzimmer und Boudoir in einem war. Alles, wie man es sich wünschte: Blumen, Kerzen, Früchtekorb. Sich selbst hatte die Sängerin ausreichend mit Champagner versorgt, aber auch die Flasche Chäteau Yquem nicht vergessen, die zu besorgen er ihr am Vorabend aufgetragen hatte.

In dem tief ausgeschnittenen bourdeauxroten Kleid mit geschnürter Taille und aufreizender Tournüre sah Wanda verführerisch, geradezu betörend aus. Und dennoch: Durfte man sicher sein, daß der Fisch anbiß?

Wenn Ahimaaz sich nicht sehr verrechnete, würde er es tun.

Erstens konnte kein normal veranlagter, gesunder Mann Wandas sanftem Ansturm widerstehen.

Zweitens war Sobolew, wenn die Informationen stimmten (und bisher hatte Monsieur N.N. ihn nicht enttäuscht), ein normal veranlagter Mann und noch dazu seit mindestens einem Monat keusch.

Und drittens war Mademoiselle Wanda vom selben Typ wie die verflossene Minsker Liebschaft des Generals. Ihr hatte er einen Antrag gemacht, war abgewiesen und später gar sitzengelassen worden.

Der Sprengsatz war gelegt. Um ganz sicher zu gehen, mußte Ahimaaz noch für den Funken sorgen.

»Was grübelst du, Nikolai? Fürchtest du, ich könnte deinem Landsmann nicht gefallen?« fragte Wanda, dem Anschein nach provozierend, doch er hörte einen verhohlenen Unterton von tatsächlicher Unruhe heraus. Jede noch so hinreißende Schönheit, jede eingefleischte Verführerin bedarf der immer wieder neuen Bestätigung ihrer Unwiderstehlichkeit. Am Herzen einer jeden Femme fatale nagt ein Wurm, der raunt ihr zu: Was, wenn deine Reize plötzlich verflogen sind, deine Zauber gebrochen?

Eine Frau will, je nach Charakter, entweder immerzu hören, daß sie die liebste, holdeste und schönste ist, oder aber ihre Unwiderstehlichkeit bei jeder Gelegenheit unter Beweis stellen. Wanda, davon war Ahimaaz überzeugt, gehörte der letzteren Kategorie an.

»Ich habe ihn heute gesehen«, sagte er seufzend und betrachtete die Sängerin wie im Zweifel. »Tatsächlich fürchte ich, offen gestanden, mich in der Wahl des Geschenks vergriffen zu haben. Bei uns in Rjasan steht der General im Ruf eines Verführers, aber dafür schien er mir heute viel zu ernst zu sein. Wenn nun plötzlich nichts daraus wird? Der General für unser schönes Geschenk gar kein Interesse zeigt?«

»Das soll nicht deine Sorge sein!« verkündete Wanda mit blitzenden Augen. »Du mußt nur die Rechnung bezahlen. Hast du das Geld dabei?«

Schweigend legte er das Bündel auf den Tisch. Wanda nahm es und tat so, als zählte sie nach.

»Gleich die ganzen Zehntausend? Allerhand ...«

Sanft tippte sie Ahimaaz den Finger gegen die Nase.

»Keine Bange, Nikolai. Ihr Männer seid ein einfach gestricktes Völkchen. Dein Held entkommt mir schon nicht. Mag er eigentlich Musik? Dort im >Dusseaux< haben sie, glaube ich, einen Stutzflügel im Restaurant stehen.«

Genau! dachte Ahimaaz. Das ist der Funke.

»Doch, doch. Romanzen vor allem. Die >Eberesche< ist sein Lieblingslied. Kennen Sie es?«

Wanda überlegte und schüttelte den Kopf.

»Nein. Ich habe kaum russische Lieder im Repertoire, mehr europäische. Aber das macht nichts, ich finde es gleich.«

Sie nahm ihr Liederbuch vom Klavier, blätterte und wurde tatsächlich fündig.

»Ist es das hier?«

Ihre Finger glitten über die Tasten, erst summte sie ohne Worte, dann sang sie halblaut mit:

Eberesche, darfst nicht hin zum Ahorn gehen! Mußt alleine bleiben, wiegen dich im Wind.

»Mein Gott, was für ein gefühliger Kram. Helden sind doch ein sentimentales Publikum.« Sie blickte Ahimaaz von der Seite an. »Du kannst jetzt gehen. Der General von Rjasan wird sich das Geschenk schnappen und mit beiden Händen festhalten, verlaß dich drauf.«

Ahimaaz ging noch nicht.

»Es schickt sich nicht, daß eine Dame ohne Begleitung ins Restaurant kommt. Wie machen wir das?« Gequält rollte Wanda mit den Augen.

»Nikolai, ich mische mich nicht in dein Segeltuchgeschäft, also misch du dich nicht in mein Metier.«

Er stand noch ein Weilchen da und lauschte dieser tiefen, lasziven Stimme, wie sie danach lechzte, sich an den Ahorn anzuschmiegen. Dann drehte er sich leise um und ging zur Tür.

Das Spiel brach ab.

»Tut es dir nicht leid, mich einem anderen zu überlassen, Nikolai?« fragte Wanda in seinem Rücken.

Ahimaaz wandte sich um. Doch sie winkte schon ab. »Nein, nein, schon gut. Geh nur! Geschäft ist Geschäft.«

8

Das Restaurant des Hotels »Dusseaux« war voll besetzt, doch dank dem Portier, den Ahimaaz sich beizeiten geneigt gemacht hatte, war für den Herrn Reporter ein Tisch in günstigster Position reserviert: ganz in einer Ecke, von wo aus er den gesamten Saal im Blick hatte. Zwanzig Minuten vor neun kamen zuerst drei Offiziere, dann der General und als Nachhut noch einmal vier Offiziere sporenklirrend hereinmarschiert. Die übrigen Gäste, vom Maitre d'hötel peinlichst instruiert, dem General nur nicht mit Aufmerksamkeitsbekundungen zur Last zu fallen, benahmen sich 178

diskret und taten so, als seien sie bloß zum Abendessen hier und nicht etwa, um den berühmten Mann aus der Nähe zu sehen.

Sobolew griff nach der Weinkarte, vermißte dort seinen Chäteau Yquem und befahl, ihn aus der Weinhandlung Löwe zu besorgen. Seine Begleitung hielt sich an Sekt und Kognak.

Die Herren Offiziere sprachen in gedämpfter Lautstärke, ein paarmal erscholl einhelliges Gelächter, aus dem sich der satte Generalsbariton deutlich hervorhob. Allem Anschein nach waren die Verschwörer bei bester Laune, was Ahimaaz nur recht sein konnte.

Um fünf nach neun - der Chäteau Yquem war bereits eingetroffen und entkorkt - ging die Flügeltür des Restaurants auf wie von einem Zauberwind, und Wanda stand auf der Schwelle, reglos, in malerischer Pose: ein schlanker, biegsamer Körper im Vorwärtsdrang. Das Gesicht gerötet, die großen Augen leuchtend wie Mitternachtssterne. Das Türklappen hatte alle Anwesenden im Saal aufmerken

lassen, und nun saßen auch sie reglos da, wie verzaubert von dem großartigen Anblick. Der ruhmreiche General, die Gabel mit einem marinierten Reizker knapp vor dem Mund, schien überhaupt versteinert.