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»Noch am gleichen Morgen. Sie müßten längst dort sein«, erklärte Bischof Ségdae.

»Es waren weder Frauen noch Kinder oder Babys unter ihnen«, wiederholte Finguine. »Mehr Fremde kamen nicht durch Cashel.«

»Abgesehen von dem Mann aus dem Norden und dem Ausländer ...«, meldete sich Capa plötzlich zu Wort. »Das war aber schon am Tag vor Saraits Ermordung.«

»Ein Ausländer? Und ein Mann aus dem Norden?« fragte Fidelma sofort.

»Der Ausländer bezeichnete sich selbst als Mönch und Heiler. Er sagte, er käme aus einem fernen Land aus dem Osten.«

»Aus Persien«, bestätigte Colgu. »Er sagte, er käme aus Persien.«

Eadulf und die anderen sahen ihn verblüfft an.

Cerball blickte von seinem Protokoll auf und lächelte wissend.

»Das ist ein altes Land an der Grenze zu Skythien. Herodot erzählt in seinem vierten Buch, wie die Skyther Darius, den König von Persien, vertrieben, der ihr Land überfallen wollte. Und Justinian bezeugt diese Geschichte ebenfalls .«

König Colgu unterbrach den Barden mit einer Handbewegung.

»Ich hatte ihn schon ganz vergessen, so sehr haben mich die traurigen Ereignisse abgelenkt. An dem Abend vor Saraits Ermordung war er hier unser Gast. Ein Mann in mittleren Jahren, ein Reisender, der, wie er mir erklärte, in den westlichen Ländern sein Wissen erweitern wollte. Er sprach Griechisch und Latein und war in Begleitung eines jungen Bruders aus der Abtei von Ard Marcha, der ihm auf seinen Reisen als eine Art Führer und Dolmetscher diente. Beide waren zu Pferde unterwegs. Ein Kind war ganz sicher nicht bei ihnen.«

»In welche Richtung sind sie geritten, als sie aufbrachen?« fragte Eadulf neugierig.

»Nach Westen. Ich glaube, sie sagten, daß sie zur Abtei von Colman wollten«, erwiderte Colgu. »Wie dem auch sei, sie sind vor Saraits Ermordung fort. Am Tag zuvor, wie Capa schon sagte.«

Fidelma wandte sich wieder an Capa. »Nur zum besseren Überblick, Capa, was hast du gemacht, während Finguine die Pilgergruppe und die Händler befragt hat? Wäre das als Befehlshaber der Leibgarde nicht eigentlich deine Aufgabe gewesen?«

Capa sah sie einen Moment vorwurfsvoll an. »Ich habe nach deinem Kind gesucht, Lady. Ich und drei Abteilungen meiner Leute sind von Cashel in alle Landesteile ausgeritten und haben einen Tag lang die Gegend abgesucht. Wir fanden keinen Hinweis auf dein Kind, weder tot noch lebendig.«

»Das sollte keine Kritik sein, Capa. Ich wollte mir nur ein umfassendes Bild von den Vorgängen machen.«

»Es kann nur ein fremder Reisender gewesen sein, der die Gelegenheit beim Schopfe gepackt hat, sich eines Kindes - irgendeines Kindes - zu bemächtigen«, ließ sich Brehon Dathal vernehmen. »Zu der Überzeugung bin ich gekommen. Und als Sarait das Baby verteidigen wollte, tötete er sie und floh mit dem Kind.«

Nicht nur Eadulf fiel die Schwäche dieser Argumentation auf. In seinem Augenwinkel sah er, daß Fidelma zu einem Protest ansetzen wollte. Rasch ergriff er das Wort.

»Mit Verlaub, Brehon Dathal, das widerspricht aber den Zeugenaussagen, die wir schon hinlänglich erörtert haben.«

Brehon Dathal kniff die Augen zusammen. »Was willst du damit sagen, Sachse?« fragte er mit leicht aggressivem Unterton.

»Wenn sich Sarait zufällig nachts mit dem Baby außerhalb der Burg aufgehalten hätte, müßte man deinen Gedankengang berücksichtigen. Es ist doch aber eher so, daß sie ganz bewußt aus der Burg herausgelockt wurde. Falls das nicht so war, dann - und diese Frage haben wir uns schon gestellt - ist sie fortgegangen und wußte, wen sie treffen würde. In beiden Fällen ist die Identität des Kindes - des eigenartigen, stummen Kindes, das zur Burg kam - von entscheidender Bedeutung. Die Tatsache, daß dieses Kind, das niemand kennt, mit einer Botschaft an Sarait hier auftauchte, bringt alles durcheinander. Diese Spur müssen wir weiterverfolgen.«

»Aber davon kann jetzt doch keine Rede sein«, widersprach Brehon Dathal.

»Wenn es keine logischen Fäden zu verknüpfen gibt«, äußerte Fidelma mit fester Stimme, »so muß man alle anderen Details im Auge behalten, ganz gleich, wie unlogisch sie auch erscheinen mögen.«

Colgu blickte sie stirnrunzelnd an. »Woran denkst du, Schwester?«

»Ich werde nach Imleach reiten und mit diesen Mönchen auf Pilgerreise reden. Es könnte sein, daß sie unterwegs etwas gehört oder gesehen haben.« Sie blickte Finguine an und lächelte entschuldigend. »Ich bin mir sicher, daß dir nichts entgangen ist und daß du sie gewissenhaft befragt hast, aber ich glaube, ich fühle mich besser, wenn ich es selbst noch einmal mache.«

Finguine lächelte höflich und zuckte kaum wahrnehmbar mit der Schulter. »Das ist dein Vorrecht, Cousine.«

»Ich glaube, das ist ein fruchtloses Unterfangen«, warf Brehon Dathal ein.

»Es ist aber das einzige, was wir tun können«, erwiderte Fidelma ruhig.

Colgu erhob sich. Alle anderen taten es ihm voller Respekt gleich.

»Die Ratssitzung ist beendet. Finguine, du kannst die Zeugen wieder nach Hause schicken, und stelle eine Abteilung unserer besten Krieger zusammen. Sucht noch einmal die Gegend ab. Führe den Trupp persönlich an.«

Capa wollte schon entrüstet Protest einlegen, denn das Kommando über die Krieger lag in seinen Händen, und er hatte ja schon mit seinen Männern die Gegend erfolglos abgesucht. König Colgu kam ihm jedoch zuvor.

»Für dich habe ich eine besondere Aufgabe, Capa. Sag deiner Frau, daß du ein paar Tage fort sein wirst, und dann wähle zwei Krieger deines Vertrauens aus. Ihr werdet meine Schwester begleiten.« Danach wandte er sich an Fidelma.

»Bleib noch einen Augenblick hier. Du auch, Eadulf. Wir werden uns noch einmal allein darüber verständigen.«

Der König wartete schweigend, bis die anderen den Raum verlassen hatten. Besorgt blickte er dann zu seiner Schwester und zu Eadulf.

»Kommt ans Feuer und setzt euch«, sagte er. »Etwas Glühwein?«

Sie nahmen Platz, aber beiden war nicht nach Glühwein zumute. Fidelma hatte immer noch den Geschmack von Eadulfs widerwärtigem Schlaftrunk auf der Zunge. Und der Alkohol würde ihr nur schaden.

»Bist du fest entschlossen, diesen Pilgern nachzureisen?« fragte Colgu, schenkte sich ein Glas Wein ein und rekelte sich vor dem lodernden Feuer.

»Das habe ich doch gesagt«, erwiderte Fidelma knapp.

»Und du bist einverstanden damit?« fragte Colgu nun Eadulf. »Wirst du sie begleiten?«

»Natürlich«, sagte Eadulf und wollte schon hinzufügen, daß eine solche Frage beleidigend war, doch er schwieg. Colgu wußte sehr wohl, was Eadulf für Fidelma empfand, und er mußte wissen, wie schwer ihn der Verlust seines Kindes getroffen hatte. »Ganz gleich wie vage die Aussichten sind, wir müssen jede Gelegenheit beim Schopfe packen, um die Täter aufzuspüren und Alchu wieder nach Hause zu holen.«

Der König schwieg und blickte zu Boden.

»So reitet nach Imleach, wenn ihr es tun müßt«, seufzte er. Rasch blickte er zu Fidelma. »Du siehst nicht gut aus.«

»Im Augenblick helfen mit weder Schlaf noch ein wenig Entspannung. Sei unbesorgt, Bruder. Ich habe mich meiner Trauer und Verzweiflung eine Weile ganz hingegeben, nun habe ich mich jedoch wieder gefaßt, und das wird so bleiben, bis ich den Fall gelöst habe.« Sie sah schnell zu Eadulf hinüber. Dann wandte sie sich erneut an ihren Bruder: »Was du auch gehört haben magst, ich bin sehr wohl in der Lage, diesen Fall zu untersuchen. Ich bin bei klarem Verstand. Meine Gefühle habe ich so lange unter Kontrolle, bis wieder bessere Zeiten anbrechen.«

Colgu zögerte, dann zuckte er mit den Schultern.

»Nun gut. Aber du brauchst einen wirklich kühlen Kopf für all das.«

Fragend zog Fidelma die Augenbrauen hoch.

»Es gibt also etwas, was dir Sorgen macht? Ich meine jetzt nicht deine Sorgen um Alchu. Da ist noch etwas anderes.«

»Ich glaube, Brehon Dathal kann manchmal ein richtiger Dickschädel sein«, sagte Colgu unerwartet.