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Der Alte sah sie fragend an. »Warum hätte ich dir darüber Auskunft geben sollen?«

»Weil Brehon Dathal Eadulf eingekerkert hat und ihn des Mordes beschuldigt. Eadulf steckt in ernsten Schwierigkeiten, und ich muß unbedingt von dir erfahren, wie dieses Gift in Petrans Körper gekommen ist und worum es sich handelt.«

»Gift? Mord? Wovon sprichst du da, Lady Fidelma?« fragte Bruder Conchobar verwirrt.

Fidelma versuchte, nicht die Fassung zu verlieren.

»Ich spreche von Bischof Petran. Eadulf ist angeklagt, ihn vergiftet zu haben.«

Bruder Conchobar hob hilflos die Arme hoch.

»Bischof Petran ist nicht vergiftet worden.«

Jetzt sah ihn Fidelma völlig verstört an.

»Wie ist er dann umgebracht worden?«

Der alte Apotheker fuhr sich mit der Hand durch die dünnen grauen Haare.

»Ich habe keine Ahnung, wo du das her hast. Petran ist nicht umgebracht worden. Er ist gestorben, das stimmt schon. Er starb an Herzversagen. Das geschieht eben, und niemand kann dafür beschuldigt werden. Ich habe das sehr schnell festgestellt, aber ich wollte erst noch ein paar Tests durchführen, um ganz sicher zu gehen. Wenn man den Tod überhaupt für etwas Natürliches halten kann, so ist er eines natürlichen Todes gestorben. Ich habe das jedoch diesem alten Narren Dathal mitgeteilt, ehe ich nach Lios Mhor aufgebrochen bin. Hat er nicht ...«

Fidelma starrte ihn erstaunt an.

»Lady .?« setzte er an.

»Wer hat Bruder Dathal gesagt, daß Bischof Petran vergiftet wurde?« flüsterte sie schließlich. »Wer hat behauptet, daß es Mord war?«

»Ich gewiß nicht«, erwiderte der Apotheker fest. »Ich habe Brehon Dathal vielmehr erklärt, daß es einfach Herzversagen war. Das war kurz bevor ich nach Lios Mhor reiste. Ich sagte, daß ich nach meiner Rückkehr eine formelle Aussage machen würde, aber bisher hat er nicht nach mir rufen lassen.«

»Nicht nach dir rufen lassen?« Fidelma schwieg einen Moment. »Ich danke dir, mein alter Freund«, sprach sie freundlich. »Man wird bald eine Aussage von dir verlangen.«

Bruder Conchobar zuckte mit den Achseln. »Ich gewöhne mich langsam daran, daß Brehon Dathal bei Todesursachen nie formelle Aussagen für wichtig hält«, sagte er gereizt.

»Was meinst du damit?« fragte Fidelma; sie stand bereits an der Tür.

»Zum Beispiel Saraits Todesursache.«

»Hast du die Leiche untersucht?«

»Ja, und man hätte meine Aussage zu Protokoll nehmen müssen. Aber ich bin nie danach gefragt worden.«

Fidelma blickte ihn erstaunt an. In der anfänglichen Verwirrung, wer für den Mordfall zuständig sei, und angesichts der Tatsache, daß Conchoille und Capa von Blutspuren an Saraits Kopf und von Stichwunden gesprochen hatten, hatte sie ganz vergessen zu fragen, wer überhaupt offiziell den Tod festgestellt hatte.

»Was hättest du denn gesagt?« fragte sie leise. »Daß sie von einem heftigen Schlag gegen den Kopf getötet wurde?«

Bruder Conchobar winkte ab.

»Ich hätte gesagt, daß Sarait schon tot war, bevor sie am Kopf verletzt wurde. Sie ist Opfer einer Messerstichattacke geworden, denn es gab fünf Stichwunden in der Brust und ausgefranste Messerwunden an den Armen. Offenbar hat sie versucht, sich zu wehren, und dabei ihren Mörder angeblickt. Die Kopfverletzung rührt für mich eher daher, daß sie gestürzt ist, während man sie angriff, und dabei mit dem Kopf gegen etwas Hartes aufschlug.«

Nun schwiegen beide. Fidelma nickte langsam. »Du hast mir sehr geholfen, mein alter Freund«, sagte sie nachdenklich, aber zufrieden.

Ein paar Minuten später war sie im Audienzsaal ihres Bruders. Die Verhandlungen mit Conri, dem Kriegsfürsten der Ui Fidgente, waren soeben unterbrochen worden, und Colgu erörterte mit seinem Ta-nist Finguine noch ein wenig, was man dort diskutiert hatte. Beide blickten überrascht auf, als Fidelma ohne Ankündigung hereintrat.

Mit einer Handbewegung unterband sie alle Fragen und berichtete ihnen, was sie soeben von Bruder Conchobar über Bischof Petrans Tod erfahren hatte.

Colgu war einen Moment sprachlos. Dann sagte er zu Finguine: »Geh und laß Bruder Eadulf unverzüglich frei und bring ihn her.« Als Finguine fort war, blickte Colgu seine Schwester sorgenvoll an. »Manchmal sind die Pflichten eines Königs eine Last, Fidelma. Brehon Dathal wird alt.«

»Er ist oberster Brehon des Königreiches. Er darf sich nicht so verhalten.«

»Da stimme ich dir zu. Ich will ihn auch gar nicht in Schutz nehmen, aber ich glaube, daß sein Alter und der Druck auf ihn Spuren hinterlassen haben. Ich habe darüber nachgedacht, auf welche Weise ich ihn bitten könnte, von seinem Amt zurückzutreten. Vor einiger Zeit hat er in Lios Mhor ein wirklich grundlegend falsches Urteil gesprochen. Es ging mit Erfolg in Berufung, und Dathal mußte mehrere Bußgelder und Entschädigungen zahlen.«

Fidelma betrachtete schweigend ihren Bruder.

»Wenn ich mich recht entsinne, hatte man Brehon Dathal seinerzeit gebeten, der Behauptung nachzugehen, daß Saraits Mann Callada von einem seiner Gefährten bei Cnoc Äine umgebracht wurde. Für ihn ergab sich daraus aber kein Fall, und es kam zu keiner Untersuchung. Ich frage mich ...«

»Fidelma, inzwischen ist zuviel Zeit verstrichen, um über diese Entscheidung zu spekulieren. Doch Dathal setzt sich seit kurzem immer wieder etwas in den Kopf, dem er ohne ausreichende Sichtung der Beweislage nachgeht. Offenbar hat sein Verstand an Schärfe verloren, aber man braucht einen scharfen Verstand, um Brehon zu sein, und erst recht, um oberster Bre-hon zu sein. Doch ich muß es ihm ermöglichen, sich in Würde zu verabschieden. Das ist sicher ganz in deinem Sinne, Fidelma.«

Fidelma versuchte, ihre persönlichen Gefühle beiseite zu lassen und die Angelegenheit objektiv zu betrachten.

»Ich verstehe ja, daß man sich hier diplomatisch verhalten sollte, aber er muß unbedingt dazu gebracht werden, in absehbarer Zeit zurückzutreten, und dafür trägst du die Verantwortung.«

Colgu nickte unglücklich. »Ich würde ihn lieber dazu überreden, als ihn zwingen.«

»Du bist der König«, versetzte sie mürrisch.

Da klopfte es an die Tür. Finguine trat mit Eadulf ein.

Fidelma eilte auf Eadulf zu und griff nach seinen Händen. »Alles ist gut. Es ist ganz allein Brehon Dathals Schuld.«

Eadulf verzog zynisch den Mund. »Das hätte ich dir vorher sagen können«, erklärte er. »Finguine hat mir schon davon erzählt.«

Colgu trat vor und umarmte ihn.

»Mein Freund, Ehemann meiner Schwester, du mußt uns verzeihen. Brehon Dathal hat in seiner Ungeduld und Eile falsche Schlüsse gezogen. Nie hätte man dich in den Kerker werfen dürfen, und das nach all deinen unglückseligen Erlebnissen. Nun ja, wenigstens ist jetzt die Familie wieder vereint.«

Eadulf war das alles unangenehm. Ihn beschämte die Herzlichkeit, die Fidelmas Bruder ihm entgegenbrachte, und er war sich auch unsicher, was er von Fidelmas liebevollen Bemühungen zu halten hatte.

Da streckte Finguine ihm lächelnd die Hand entgegen und fragte: »Kannst auch du mir vergeben?«

»Nun«, meinte Eadulf, an alle gewandt, wobei allerdings eine kleine Spur Sarkasmus in seiner Stimme mitschwang, »es ist recht schwierig, das innere Gleichgewicht zu bewahren, wenn man erst in einer lebensbedrohlichen Gefahr steckt, dann eingekerkert wird und schließlich wieder in die Familie aufgenommen wird .«

Fidelma drückte fest seinen Arm. »Es gibt so einiges, wofür wir uns bei dir entschuldigen müssen, Eadulf. Wir haben vieles wiedergutzumachen.«

Eadulf zuckte die Achseln. »Das hättest du nicht schöner sagen können«, seufzte er.

Colgu klopfte ihm auf die Schulter. »Dann wollen wir heute abend feiern und .«

Fidelma schüttelte rasch den Kopf. »Eadulf und ich haben noch sehr viel zu erledigen. Der Fall ist noch nicht aufgeklärt, Saraits Mörder steht noch nicht vor Gericht. Und du, mein Bruder, du mußt dich um Bre-hon Dathal kümmern. Erst danach können wir ans Feiern denken.«